Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Mercy, Claudius Florimund Graf
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Mercy, Claudius Florimund Graf

Mercy, Claudius Florimund Graf, kaiserlicher Feldmarschall, * Martinfontaine in Joppecourt (bei Longwy) 1666, † (gefallen) Crocetta bei Parma 29.06.1734, Sohn des kaiserlichen Feldmarschalleutnants, Freiherrn (ab 23.09.1686 Grafen) Peter Ernst M. und Marie Christine d’Allamont.

Leben

 Gleich seinen väterlichen Vorfahren trat M. im Jahre 1683 in das kaiserliche Heer als Freiwilliger ein, in dem er in den Kämpfen gegen Türken und Franzosen rasch zum General und Korpskommandanten avancierte. Nach der Eroberung der Festung Temeschwar aus der Hand der Türken ernannte am 12. Oktober 1716 Prinz Eugen von Savoyen M. zum Kommandanten des Banater Besatzungskorps, dem auch die Zivil Verwaltung dieser neu hinzugewonnenen Provinz unterstellt war. Trotz seiner staatsrechtlichen Zugehörigkeit zu Ungarn und unter Ausschaltung der Komitatsverfassung betrachtete die Wiener Zentralregierung aus militärischen wie fiskalischen Gründen das Temescher Banat nunmehr als kaiserliche Krön- und Kammerdomäne, die unter der Oberleitung der Wiener Hofkammer und im Verein mit dem Wiener Hofkriegsrat nach streng merkantilistischen Gesichtspunkten regiert werden sollte.
 M. als erstem am 1. November 1716 in sein Amt eingeführten Gouverneur wurde die Ausführung dieses in seinen Grundzügen von Prinz Eugen entworfenen Planes übertragen. Vorerst noch ganz mit der Kriegführung gegen die Türken beschäftigt - so nahm M. maßgeblichen Anteil an der erfolgreichen Belagerung von Belgrad 1717 -, kehrte er erst Ende des Jahres 1720 vom italienischen Kriegsschauplatz nach Temeschwar zurück. M. fand ein stark verödetes, stellenweise versumpftes oder versandetes und von vornehmlich nomadisierenden Viehzüchtern extensiv bewirtschaftetes Land vor, in dem er mit seinen ersten Maßnahmen die vorhandene Bevölkerung - überwiegend Rumänen und Serben - seßhaft zu machen und zu intensiver Bodenbewirtschaftung zurückzubringen suchte. Verschiedene von M. erwirkte Steuervergünstigungen, die Anlage von Dörfern, der Bau von Straßen und Kasernen, die Besiedlung der Städte mit deutschen katholischen Handwerkern, Kaufleuten und Beamten, leiteten den Aufbau des Landes ein. Im Jahre 1722 begann M. mit der systematischen Kolonisation des Banates mit Bauern aus den West- und Südwestgebieten Deutschlands. M. bediente sich dabei des Werbers Franz Albert Craußen, der bereits die Besiedlung seiner 1722 im Komitat Tolna erworbenen Besitzungen (mit Högyesz als Zentrum) mit deutschen Bauern besorgte. Die Bedingungen für die später auch von Johann Franz Falck organisierte Ansiedlung legten das Schwergewicht ganz deutlich auf den Gewinn von wirtschaftlich unabhängigen, wohlhabenden Kolonisten ausschließlich katholischer Konfession. Bis zum Jahre 1727, in dem diese erste Siedlungsaktion aus finanziellen Gründen eingestellt wurde, sind auf diese Weise rund 15 000 Menschen aus dem „Reich“ ins Land gekommen. Der geographische Schwerpunkt der Ansiedlung lag in den südlichen Grenzgebieten des Banats, in den Distrikten unmittelbar nördlich der Donau und im Banater Bergbaugebiet; von dort zogen sich die neugegründeten deutschen Dörfer in einem halbkreisförmigen Bogen um Temeschwar nach Norden bis nach Arad hin. 1727 begann M. mit dem großangelegten Bau des Bega-Kanales von Temeschwar bis Groß-Betschkerek, mit dem nicht nur die Flußschiffahrt, sondern auch das Werk der Entsumpfung des Landes aufgenommen wurde. Es folgte die Regulierung der Marosch für die bedeutende Salzschiffahrt aus Siebenbürgen. Oberstes Ziel der Wirtschaftspolitik M.s war, sowohl die Agrarproduktion zu fördern wie den Bergbau (von größerer Bedeutung der Abbau von Kupfer in Orawitza und die Eisenerzeugung in Bokschan, mit Bergleuten aus Oberungarn und Tirol), das Handwerk und den Handel. Große Hoffnungen setzte M. in die von ihm um 1723 gegründete Temescher deutsche Kommerziensozietät, die den Banater Exporthandel und die Banater Industrie (Textilmanufakturen für Tuch- und Ledererzeugung, Bier- und Branntweinbrauereien, Holz- und Papiermühlen, Glaserzeugung) zusammenfassen und die von M. erstrebte Ausfuhr nach den Adriahäfen in die Wege leiten sollte. Dieser Teil der Pläne M.s ist an den von seiner Zeit noch nicht gemeisterten technischen Schwierigkeiten gescheitert, doch hat M. sein von ihm selbst aufgestelltes Ziel, die wirtschaftliche Autarkie und eine aktive Handelsbilanz des Landes, das auch die notwendigen militärischen Kosten für seine Befestigung und Verteidigung aufbringen sollte, weitgehend erreicht.
Der 1733 ausgebrochene polnische Erbfolgekrieg setzte M.s Verwaltungstätigkeit im Banat ein Ende. An die Spitze der in Italien operierenden kaiserlichen Armee berufen, befehligte er, halb blind und taub, in falscher Einschätzung der militärischen Lage am 29. Juni 1734 in der Nähe von Parma den Angriff seiner Truppen und stürzte, von zwei Kugeln getroffen, tot vom Pferde. Erbe seiner ungarischen Besitzungen wurde der von M. bereits 1722 adoptierte Anton Ignaz Karl August Graf Mercy d’Argenteau (1692-1767), kaiserlicher Feldmarschall und 1754-1767 Gouverneur von Slawonien und Syrmien, ein Großneffe M.s, dessen Großmutter mütterlicherseits aus dem Lütticher Adelsgeschlecht der Grafen Argenteau hervorgegangen war. Der leibliche Sohn desselben war Claudius Florimund Graf Mercy d’Argenteau (1727-1794), oft irrtümlich in der Literatur als Adoptivsohn M.s ausgegeben, der nach Kaunitz als die bedeutendste diplomatische Begabung in die Geschichte der Habsburgermonarchie im 18. Jh. einging; die wichtigsten Stationen seiner diplomatischen Karriere als kaiserlicher Gesandter und Botschafter waren: 1754-1760 Turin, 1761-1763 St. Petersburg und 1766-1794 Paris-Versailles.

Literatur

Szentkláray, Jenő: Mercy Claudius Florimund kormányzata a temesi Bánságban. Budapest 1909.
Kallbrunner, Josef: Ein Lothringer als Träger deutscher Kultur im Banat. Vorschau auf ein Lebensbild des Grafen Claudius Florimund Mercy. In: Schicksalswege am Oberrhein. Hrsg. Paul Wentzcke. Heidelberg 1952, 165-188.
Ders.: Das kaiserliche Banat. Bd 1: Einrichtung und Entwicklung des Banats bis 1739. München 1958.
Pagny, Raymond: Le dernier d’une lignée de héros: Florimond-Claude, Comte de Mercy. In: Bulletins de l’Association „Les Amis du Vieux Longwy“ (1961) 2, 70-81.
Gaenger, Peter: Graf Mercy als Gouverneur des Temescher Banates. In: österreichische Begegnung. 6 (1966) 3/4, 46-58.
Weifert, Ladislaus Michael: Beiträge zur Mercyschen Besiedlung des Banats. In: Gedenkschrift für Harold Steinacker (1875-1965). München 1966, 133-145.
Jordan, Sonja: Die kaiserliche Wirtschaftspolitik im Banat im 18. Jahrhundert. München 1967.
Ţintă, Aurel: Colonizările Habsburgice în Banat 1716-1740. Timişoara 1972.
Seewann, Gerhard: Beitrag zur Familiengeschichte der Mercy und der Mercy-Argenteau. In: Südostdt. Arch. 19/20 (1976/77) 53-69.

Verfasser

Gerhard Seewann (GND: 1069961280)


GND: 137090234

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Empfohlene Zitierweise: Gerhard Seewann, Mercy, Claudius Florimund Graf, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 159-161 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1334, abgerufen am: (Abrufdatum)

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