Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Murad II.
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Murad II.

Murad II., osmanischer Sultan 1421-1451, * Juni 1404, † Edirne 03.02.1451, Sohn Sultan Mehmeds I.

Leben

Als Mehmed I.  nach langen und wechselvollen Kämpfen um die Herrschaft über die Reste der osmanischen Besitzungen, die Timur nach der Katastrophe von Ankara (1402) den Nachkommen Bayezids I.  belassen hatte, siegreich geblieben war, blieb ihm nur wenig Zeit, sein Erbe zu konsolidieren. Diese Aktionen mußte sein Nachfolger M., der vorerst unangefochten den Thron besteigen konnte (25.06.1421), durchführen. Das Bemühen um die Neuordnung des Reiches und um die Sicherung seiner Grenzen sind die Ursache der meisten kriegerischen und diplomatischen Aktionen M.s, dessen Herrschaftsrechte bis zu seinem Tode, sei es durch die Person seines Onkels Düzme Mustafa oder einer seiner Brüder, die sich in den Händen seiner Feinde befanden, bedroht waren. Die Auseinandersetzungen mit Düzme Mustafa konnte M. in der Schlacht bei Ulubad (Kleinasien) siegreich beenden (1422). Die Belagerung Konstantinopels im selben Jahr war sicherlich mehr als Demonstration gedacht denn als Unternehmen mit Erfolgsaussichten. Gefährlich waren für M. die Herrschaftsansprüche seines Bruders Mustafa, der von den Herren von Karaman und Germiyan unterstützt wurde. Durch Verrat gelangte Mustafa in M.s Hand und wurde hingerichtet (20.02.1423). Hierauf gelang es M., seine Herrschaft auch den kleinasiatischen Nachbarn gegenüber durch günstige Verträge abzusichern (Erwerb von Hamidili, Vernichtung Cüneyd Beys Izmiroğlu, 1425). Auf dem Balkan kollidierten die Interessen Venedigs und M.s: Venedig hatte durch Vertrag Saloniki von Byzanz erworben (September 1423), womit sich M. nicht abfinden wollte. Es kam zum Krieg gegen Venedig und seine Verbündeten (Serbien, Walachei und Ungarn). Die kriegerischen Aktionen M.s in Europa nützten die Karamanen, um wieder in den Besitz der Provinz Hamidili zu gelangen. Auf dem Balkan waren die Truppen M.s erfolgreich: 1426 waren sie bis nach Kruševac und an die Donau vorgestoßen, hatten Serbien und die Walachei wieder unter die Botmäßigkeit der Pforte gebracht, und Ungarn war bereit, Frieden zu schließen. Saloniki, der Anlaß des Krieges, wurde von den Osmanen am 29. März 1430 im Sturm genommen, worauf auch mit Venedig wieder Frieden geschlossen wurde (04.09.1430). Als Ungarn die Oberhoheit über Bosnien, Serbien und die Walachei beanspruchte, begannen neuerlich Kriegsvorbereitungen. Die Schwierigkeiten, die M. mit seinen kleinasiatischen Nachbarn, vornehmlich den Karamanen, hatte, hinderten ihn, den Ungarn wirksam entgegenzutreten. Erst 1437 konnte M. den Karamanen Hamidili wieder entreißen und ihnen die osmanische Hegemonie aufzwingen. Nach dem Tode König Sigismunds von Ungarn (1437) brachte M. auch Serbien und die Walachei wieder fest in seine Hand und verpflichtete beide Staaten zur Heerfolge. 1438 zog M. mit seinem Heer und den serbischen und walachischen Hilfstruppen gegen Ungarn. Im Jahre 1439 eroberte M. Smederevo, die Residenz seines Schwiegervaters, des Despoten Djuradj Branković, und kam bis vor das ungarische Belgrad, das er aber trotz sechsmonatiger Belagerung nicht erstürmen konnte. Ein osmanischer Einfall in Siebenbürgen wurde von Johann Hunyadi zurückgeschlagen (1441) und veranlaßte Hunyadi, im folgenden Jahr in die Walachei einzufallen, wo er dem osmanischen Heer eine verlustreiche Niederlage beibrachte. Als Hunyadi 1443 an der Spitze eines Kreuzfahrerheeres gegen die Osmanen zog, Skanderbeg in Albanien den Widerstand organisierte und in Kleinasien sich die Karamanen im Einvernehmen mit den christlichen Mächten gegen die Osmanen erhoben, mußte M. den Frieden suchen. In Szegedin kam es 1444 zum Frieden zwischen dem Sultan und Ungarn, den zehn Jahre einzuhalten sich beide Seiten verpflichteten. M. glaubte die Gefahren, die seinem Reiche gedroht hatten, gebannt zu haben, und verzichtete auf seine Herrschaftsrechte zugunsten seines Sohnes Mehmed (II.). Als die Ungarn noch im selben Jahr das Friedensabkommen brachen und in die osmanischen Besitzungen einfielen, war M. wieder zu seinem Heer zurückgekehrt und schlug das ungarische Heer bei Varna vernichtend (10.11.1444). Unter den Gefallenen befand sich auch König Wladislaw I. von Ungarn. Janitscharenaufstand und Unruhen im Reichsinneren, denen M.s Sohn Mehmed II. als Herrscher noch nicht gewachsen war, zwangen M. wieder die Herrschaft zu übernehmen (1445). In den folgenden Jahren war M. bemüht, seine Balkanbesitzungen gegen Ungarn abzusichern. Es folgten Kriegszüge nach Griechenland (1446) und nach Albanien gegen Skanderbeg (1447). Das letzte Treffen M.s mit den Ungarn und Johann Hunyadi fand auf dem Amselfeld statt und konnte von M. für sich entschieden werden (19.10.1448). Seinen letzten Kriegszug führte er gegen Albanien und belagerte Kruja (1450). Im darauffolgenden Jahr starb M. in Edirne und wurde im Bezirk seiner Moschee in Bursa begraben. Die kriegerischen und politischen Aktionen M.s waren für die weitere Entwicklung des Osmanenreiches von größter Wichtigkeit: unter seiner Herrschaft hatte das Reich die Niederlage von Ankara (1402) überwunden und sich neu konsolidiert. Um dem Janitscharenkorps den Ersatz zu sichern, institutionalisierte wahrscheinlich M. die bisher nur fallweise vorgenommene Aushebung christlicher Knaben (Devşirme), um die Aushebungen in fünf Jahreszyklen zu wiederholen. Durch diese - zwar alle menschlichen Gefühle mißachtende - Aktion war für die Schlagkraft dieser gefürchteten Truppe für die Zukunft vorgesorgt. Obwohl M.s Leben von Kriegen erfüllt war, werden ihm ein friedliebender, aufrechter Charakter, schöngeistige Neigungen und ein Hang zur Mystik auch in christlichen Quellen zugeschrieben. Seine literarischen Interessen bekundete er dadurch, daß er berühmten Dichtern und Gelehrten an seinem Hofe großzügige Gastfreundschaft erwies. Wie M.s Herrscherfähigkeiten die Voraussetzungen für die spätere Machtentfaltung seiner Nachfolger geschaffen haben, so bildeten die Werke der Dichter und Gelehrten, die an seinem Hofe Gastfreundschaft genossen hatten, Voraussetzung und Beginn der klassischen osmanischen Literatur.

Literatur

Giese, Friedrich (Hrsg.): Die altosmanischen anonymen Chroniken. T. 2: Übersetzung. Leipzig 1925.
Kreutel, Richard F.: Vom Hirtenzelt zur Hohen Pforte. Graz, Wien, Köln 1959. = Osmanische Geschichtsschreiber, 3.
Inalcık, Halil: Murad II. In: Islam Ansiklopedisi. Bd 8. Istanbul 1957, 598-615.
Kreutel, Richard F.: Leben und Taten der türkischen Kaiser. Wien, Graz, Köln 1971. = Osmanische Geschichtsschreiber. 6.
Inalcık, Halil: The Ottoman Empire. London 1973.
Shaw, Stanford J.: History of the Ottoman Empire and Modern Turkey. Bd 1. Cambridge 1977 (Reprint).

GND: 124745105

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd124745105.html


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Empfohlene Zitierweise: Anton Cornelius Schaendlinger, Murad II., in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 248-250 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1405, abgerufen am: (Abrufdatum)

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