Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Orlov

Orlov, russisches Adelsgeschlecht.

Leben

Nicht alle Träger dieses in russischen Adelskreisen verbreiteten Namen sind durch gemeinsame Abkunft miteinander verbunden. Das Geschlecht, das unter Katharina II. einen beispiellosen Aufstieg erlebte, entstammte nicht dem alten Geburtsadel. Grigorij Ivanovič O., der Vater der fünf Brüder Ivan (1733-1791), Grigorij (1734 -1783), Aleksej (1737-1808), Fedor (1741-1796) und Vladimir (1743-1831), war Gouverneur von Novgorod gewesen. Seinen Söhnen ist der Dienst in der Garde und die aktive Beteiligung am Staatsstreich des Jahres 1762, der Katharina II. nach Beseitigung ihres Gemahls Peter III. auf den Thron brachte, zum Sprungbrett für eine steile Karriere geworden. Zur Belohnung wurden sie in den Grafenstand erhoben und mit wichtigen Ämtern und Funktionen betraut. Als Favorit der Zarin hatte Grigorij ein Jahrzehnt lang die einflußreichste Stellung bei Hofe inne. Er war Chef der Tutelkanzlei für Ausländer (1763-1775) und Generalfeldzeugmeister (ab 1765). 1772 ernannte ihn Kaiser Joseph II. zum deutschen Reichsfürsten. Im gleichen Jahr führte er als Bevollmächtigter der Zarin die gescheiterten Friedensverhandlungen in Focşani. Vladimir war von 1766 bis 1774 erster Direktor der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Der erste Türkenkrieg Katharinas II. hatte drei von ihnen auch nach Südosteuropa und in das östliche Mittelmeer geführt. Fedor zeichnete sich 1770 durch persönliche Tapferkeit vor Navarino aus. Am engsten war mit den Balkanchristen und den Inselgriechen in Kontakt getreten. Aleksej Grigodevic O., Generaladmiral der russischen Mittelmeerflotte, * Ljublino (Bezirk Kahnin) 05.10. 1737, † Moskau 05.01.1808.
   1749 war Aleksej O. als Soldat in das Preobražensker Garderegiment eingetreten. Als Sergeant wurde er 1762 zur treibenden Figur und zur Seele der Verschwörung. Er hat im entscheidenden Augenblick Katharina den Rat zum Losschlagen gegeben und durch sein geschicktes Taktieren den Weg zum Thron geebnet. Eine rasche Beförderung und reiche Geld- und Sachgeschenke entlohnten ihn für seine Dienste. Bei Ausbruch des Türkenkrieges 1768 befand er sich mit seinem Bruder Fedor auf einer Auslandsreise, die ihn über Berlin und Wien nach Italien geführt hatte. Aus seiner Kenntnis des Mittelmeerraumes legte er der Zarin das Konzept zu einer offensiven Kriegsführung und zum Aufbau einer zweiten Front im Bunde mit den Balkanchristen vor. Er wurde mit dem Oberbefehl über die russischen Flottenverbände betraut, die zur Operation in das Mittelmeer abkommandiert wurden. Im Juli 1769 verließ der erste Verband unter Grigorij Andreevič Spiridov Kronstadt. Ab Februar 1770 kreuzte er in griechischen Gewässern vor der Peloponnes. Lokale Aufstände der Griechen ermöglichten einzelne erfolgreiche Landeunternehmungen und die Eroberung fester Küstenplätze. Die Festung Navarino diente vorübergehend als Operationsbasis. Im Mai 1770 hatte sich ein zweiter Flottenverband unter John Elphinston von Archangel’sk kommend angeschlossen. Der vereinigten russischen Mittelmeerflotte gelang es nach einem siegreichen Gefecht vor Chios, nahezu die gesamte türkische Flotte in der Nacht vom 5. auf den 6. Juli 1770 in der Bucht von Çeşme zu stellen und zu vernichten. Rußland gewann zeitweilig die Seeherrschaft im östlichen Mittelmeer und kontrollierte die Zufahrt zu den Meerengen. Eine nachhaltige und dauerhafte Unterstützung der Balkanchristen, die den Aufrufen russischer Emissäre zum bewaffneten Aufstand gefolgt waren, konnte dagegen die russische Flotte nicht gewährleisten. Nur die Inseln blieben bis Kriegsende fest in ihrer Hand. Aleksej O. hatte schon im November 1770 mit seinem Bruder aus Krankheitsgründen über Italien die Heimreise angetreten und suchte bei den beginnenden Friedensgesprächen die Regierung zu einer festen Haltung zu ermuntern. 1771 war er nochmals auf den Kriegsschauplatz zurückgekehrt, ohne eine kriegsentscheidende Wende erzwingen zu können. Sein Traum von einer Eroberung Konstantinopels ließ sich nicht verwirklichen. Nach dem Friedensschluß von Küçük Kaynarca (21.07.1774), gegen den er in einzelnen Punkten Bedenken erhoben hatte, zog er sich Ende 1775 ins Privatleben auf seine Besitzungen bei Moskau zurück. Neben wertvollen Geschenken erhielt er das Recht, zur Erinnerung an seine Leistungen im Türkenkrieg den Ehrentitel „Česmenskij“ zu führen. Die Griechen, die ihre Aufstandsbereitschaft nur unzureichend honoriert sahen und den blutigen Repressionen der türkischen Behörden schutzlos ausgeliefert waren, haben ihm ein weniger ehrendes Andenken bewahrt.

Literatur

Alekseevskij, B.: Orlov-Česmenskij, Aleksej Grigoŕevič. In: Russkij biografičeskij slovaŕ. Bd 12. S. Peterburg 1905 (Reprint New York 1962), 322-330.
Golovačev, Viktor Filipovič: Česma. Ėkspedicija russkogo flota v Archipelag i Česmenskoe sraženie. Moskva, Leningrad 1944.
Tarle, Evgenij Viktorovič: Česmenskij boj i pervaja russkaja ėkspedicija v Archipelag (1769-1774). In: Ders.: Tri ėkspedicii russkogo flota. Moskva 1956, 25-123.
Vakalopulos, Apostolos Evangelu: Istoria tu Neu Ellinismu. Bd 4. Turkokratia 1669-1812. Thessalonike 1973, 372-464 (mit Bibliographie).

Verfasser

Edgar Hösch (GND: 105823724)


GND: 1099986680

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Empfohlene Zitierweise: Edgar Hösch, Orlov, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 360-361 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1480, abgerufen am: (Abrufdatum)

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