Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Schwendi, Lazarus von
Bild: Wikimedia Commons
Wikidata: Q66558

In den Suchergebnissen blättern

Treffer 
 von 1526

Schwendi, Lazarus von

Schwendi, Lazarus von, (ab 1568) Freiherr von Hohenlandsberg (Elsaß), kaiserlicher Feld- obrist und deutscher Staatsmann, * Mittelbiberach (Kreis Biberach) 1522, † Kirchhofen (Breisgau) 28.05.1584, aus einem niederen Adelsgeschlecht, das als seinen Stammsitz den gleichnamigen Ort im Württembergischen besaß.

Leben

Sch. konnte als hochgebildeter Diplomat und Oberst unter Kaiser Karl V. und König Philipp II. von Spanien bereits eine erfolgreiche Karriere vorweisen, als er in Abwendung vom spanischen Despotismus in den Niederlanden im Jahre 1561 Kaiser Ferdinand I. und seinem Sohn, Erzherzog Maximilian, seine Dienste anbot. In Anerkennung seiner weitgespannten Fähigkeiten betraute ihn der nunmehrige Kaiser Maximilian II. am 18. Dezember 1564 zu Wien als Generalkapitän mit dem Kommando über die kaiserlichen Truppen in Ungarn. Anfang des Jahres 1565 begab sich Sch. nach Oberungarn, um dort dem gegen Kaschau vorrückenden Fürsten Johann Sigismund von Siebenbürgen entgegenzutreten. Trotz seiner kleinen Heeresmacht von nie mehr als 3000-5000 Mann eroberte er in Kürze Tokaj, die Burg Szerencs und besetzte Szatmär, wo er eine neue und festere Burg an Stelle der von seinen Gegnern verbrannten errichten ließ. Der Mangel an Truppen wie an Geld zwangen Sch. dazu, sich in der Folgezeit auf die Verteidigung des gewonnenen Gebiets zu beschränken. Erst 1567 trat er wieder offensiver auf, eroberte noch im Februar die Festung Munkács und begann danach mit der Belagerung von Huszt, die er aber auf die Nachricht vom Friedensschluß zu Istanbul 1568, der dem Kaiser seine Eroberungen sicherte, abbrechen mußte, um bald darauf endgültig sein ungarisches Kommando niederzulegen. Mit der Einnahme von Tokaj hat Sch. den Ausbruch des Türkenkrieges von 1565-1568 eingeleitet, in Vorbereitung auf diesen entstand wahrscheinlich im März 1566 seine erste Denkschrift: „Bedenckhen was wider den Türggen fürzunemen und wie man sich verhalten möchte“. In dieser und in zwei weiteren aus den Jahren 1568 und 1569 entwarf er für den Kaiser seine Grundkonzeption der Türkenabwehr, die für lange Zeit auch der Wiener Regierung die Richtung gewiesen hat. Seine oft bis ins Detail gehenden, auch die Verwaltung Ungarns einbeziehenden Vorschläge (Einrichtung der Zipser Kammer mit Sitz in Kaschau auf Sch.s Vorschlag im Jahre 1566/67), die auch relativ schnell teilweise zur Ausführung gelangten, umfassen folgende Hauptpunkte: Errichtung und Verstärkung eines Festungsgürtels entlang der Grenze mit ständigen deutschen Besatzungen (Krieger und Handwerker), Ausbau der Festungen Raab, Komorn, Neuhäusel, Erlau, Szatmär, Tokaj, Gyula, Värpalota, Veszprem, Kanizsa und Legräd, Schaffung eines Grenzödlandes in der Tiefebene in Form eines breiten Streifens verbrannter Erde zum türkischen Herrschaftsgebiet hin, ein stärkeres Aufgebot des Adels wie des gemeinen Volkes in Ungarn und auch in Österreich zur Grenzverteidigung, für die auch Kriegsvölker aus Deutschland und West- und Südeuropa geworben werden sollen, eine gnädigere Behandlung der Ungarn insbesondere durch Förderung der Arbeit ihres Landtages (wovon sich Sch. einen Abbau des gegenseitigen Mißtrauens zwischen Deutschen und Ungarn erhoffte), schließlich ein mehr defensives Vorgehen gegen die Türken und im Zusammenhang damit die Verpflanzung des Deutschen Ritterordens nach Ungarn. Bis zu seinem Tod hat Sch. unermüdlich bei Maximilian II. und Rudolf II., bei den deutschen Reichsständen und an den deutschen Reichstagen (1570, 1575, 1576) und auch vor den innerösterreichischen Ständen im April 1574 zu Graz persönlich und auch durch zahlreiche Briefe und Denkschriften seinen Plan propagiert, dem Deutschen Ritterorden einen Abschnitt der ungarischen Türkengrenze zu übergeben, den dieser autonom verwalten, ausbauen und verteidigen sollte. Konkret hat er 1576 zu diesem Zweck Kanizsa mit Umgebung angeführt, womit er auch der 1574 von den ungarischen Ständen vorgetragenen Bitte um eine stärkere Befestigung dieses wichtigen Platzes nachkommen wollte. Die dem Projekt ungünstige Verhandlungsführung von seiten der kaiserlichen Räte sowie das Mißtrauen der Reichsstände haben jedoch einen schon mehrmals vorbereiteten Reichstagsbeschluß verhindert; auch hat sich der Deutsche Ritterorden selbst dem Projekt gegenüber ablehnend gezeigt, da es seinen auf die Ostseegebiete ausgerichteten Interessen zuwiderlief. Doch indirekt haben Sch.s Ideen den späteren Eintritt Erzherzog Maximilians, eines Bruders Kaiser Rudolfs II., in den Ritterorden und dessen Teilnahme unter Maximilians Führung an den Türkenfeldzügen der 1590er Jahre bewirkt. Noch im 17. Jh. ist Sch.s Plan wiederholt aber ohne sichtbares Ergebnis zur Diskussion gestellt worden. Eine abschließende Würdigung des Lebenswerkes von Sch. muß darauf hinweisen, daß seine historische Bedeutung vor allem auf dem Gebiet der Reichspolitik liegt, die er als Ratgeber dreier Kaiser in zwei sehr wesentlichen Hauptfragen mitbeeinflußt hat: die Religionsfrage im Sinne eines friedlichen Ausgleichs zwischen den Konfessionen nach dem Prinzip der Toleranz und der Gewissensfreiheit (für die Sch. als Katholik in den Jahren 1565-1568 auch in Oberungarn gewirkt hat) und die Reichsverfassung im Sinne einer Stärkung der Zentralgewalt durch den Ausbau eines starken Reichsheeres, dessen Reform (Volksaufgebot und Disziplinierung des Söldnerwesens) Sch. hochbedeutsame Denkschriften gewidmet hat. Seine diesbezüglichen Gedanken hat Sch. 1577/78 in seinem Hauptwerk „Kurtzer Begriff eines gantzen Kriegswesens“ (erstmals gedruckt 1593/94) zusammengefaßt. Bei allen seinen Reformbestrebungen hat die Organisation der Türkenabwehr einen zentralen Platz eingenommen, viele ihrer taktischen und strategischen Probleme hat er als einer der ersten umfassend behandelt und ist hierin auch seiner Nachwelt wegweisend geblieben. Doch war es ihm nicht vergönnt, sowohl sein praktisches Wirken in Ungarn selbst wie auch sein Projekt einer deutsch-ungarischen Ordensprovinz von einem durchschlagenden Erfolg gekrönt zu sehen.

Literatur

Janko, Wilhelm E. von: Lazarus Freiherr von Schwendi. Wien 1871.
Acsády, Ignác: Két penzügy-történelmi tanulmány. I. A pozsonyi és szepesi kamarák 1565-1604. Budapest 1894.
Erben, Wilhelm: Die Frage der Heranziehung des Deutschen Ordens zur Vertheidigung der ungarischen Grenze. In: Arch. österr. Gesch. 81 ( 1895) 516-598.
Eiermann, Adolf: Lazarus von Schwendi. Freiburg/Breisgau 1904.
König, Johannes: Lazarus von Schwendi 1522-1583. (Diss. Tübingen 1933). Schwendi 1933.
Frauenholz, Eugen von: L. von Schwendi. Der erste deutsche Verkünder der allgemeinen Wehrpflicht. Hamburg 1939. (Darin die Publikation seiner wichtigsten Denkschriften.)  

Verfasser

Gerhard Seewann (GND: 1069961280)

GND: 118760130

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd118760130.html


RDF: RDF

Vorlage (GIF-Bild):  Bild1   Bild2   Bild3   

Empfohlene Zitierweise: Gerhard Seewann, Schwendi, Lazarus von, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 104-106 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1640, abgerufen am: (Abrufdatum)

Druckerfreundliche Anzeige: Druckerfreundlich

Treffer 
 von 1526
Ok, verstanden

Website nutzt Cookies, um bestmögliche Funktionalität bieten zu können. Mehr Infos