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Sinan, oberster Baumeister des Osmanischen Reichs 1539-1588, † Istanbul 1588; sein Geburtsjahr und -ort sowie seine Abstammung sind umstritten.
Leben
Nach Ausweis der Grabinschrift lebte S. „mehr als hundert (muslimische) Jahre“, d. h. er müßte vor 896 H./beg. 14.11.1490 zur Welt gekommen sein. Doch wird man seine Geburt eher in die neunziger Jahre des 15., wenn nicht ins frühe 16. Jh. zu legen haben, da er bis in sein Sterbejahr hinein im Amt blieb. Als Kind christlicher, vielleicht turkophoner Eltern - wechselnde Patronymika wie „Sohn des Abdülmennan, Abdullah, Abdürrahman“ weisen auf den Renegaten hin - wuchs S. in einem Dorf nordöstlich von Kayseri (Mittelanatolien) auf, möglicherweise in Ağırnas (heute Taşören). Den auch unter (armenischen) Christen seiner Zeit geläufigen Namen S. mag er schon vor seiner Aushebung im Zuge der Knabenlese (devşirme) unter Selim I. (1512-1520) getragen haben. Unsicher ist auch, ob der Beiname Yusuf mit seinem Übertritt zum Islam zusammenhängt. Die wichtigste Quelle zum Leben und Werk des Architekten ist die mit einem Bauverzeichnis verbundene knappe Biographie des Mustafa Sa’i († 1595/96), hinzu kommen eine Reihe sultanischer Befehlsschreiben, die Kopie einer Stiftungsurkunde und die Inschriften. Nach einer Tischlerausbildung nahm S. als Janitschar an verschiedenen Feldzügen Süleymans I. (1520-1566) teil, wobei er bis zum Chef eines Regiments (zenberekçibaşı) aufstieg. Er zeichnete sich durch die Lösung schwieriger Pionieraufgaben aus (z.B. Brückenschlag über den Pruth 1538) und gewann dadurch die Gunst des späteren Großwesirs Lutfi Pascha, der ihm 1539 das verwaiste Amt des obersten Reichsbaumeisters (mimarbaşı, sermimar, mimarağa) übertrug. Ein halbes Jahrhundert, das mit der Glanzzeit des Reiches zusammenfällt, stand S. einer Behörde vor, die nicht nur in der Hauptstadt umfangreiche baupolizeiliche Aufgaben erfüllte, sondern auch Pläne, Modelle, Kostenvoranschläge und Gutachten für Bauvorhaben im ganzen Reich erarbeitete. Unter S.s Auftraggebern waren drei Sultane (Süleyman, Selim II., MuradIII.), die baufreudigen Großwesire Rüstern, Semiz Ali und Sokollu Mehmed, hohe Würdenträger und bessergestellte Mitglieder der Zünfte. Ein Bauverzeichnis nennt 84 Freitagsmoscheen, 52 kleinere Gebetshäuser (mescids), 57 Medreses, 7 Koranlese-Schulen, 22 Mausoleen, 17 Armenküchen, 3 Krankenhäuser, 8 Magazine, 5 Aquädukte, 8 Brücken, 19 Karawansereis, 35 Schlösser und 48 Bäder. Tatsächlich hat sich S. auch mit in der Liste fehlenden Marktbauten, Knabenschulen, vielleicht auch Wohnhäusern und Festungen befaßt. Die Zeitgenossen bewunderten die großen Ingenieurbauten wie das Wasserleitungssystem von Kırkçeşme bei Istanbul (1554/61) und die Brücken an der thrakischen Heerstraße (z.B. Büyük Çekmece 1567/68). Die Moscheen des Şehzade (Istanbul 1543/48), Süleymans I. (Istanbul 1550/57) und Selims II. (Edirne 1568/69-1574/75), von S. als sein Lehrlings-, Gesellen- bzw. Meisterstück bezeichnet, gelten auch der neueren Forschung als Schlüssel werke. S.s Bauschöpfungen konzentrieren sich in Istanbul und seinem europäischen Hinterland, doch hat er auch Aufträge aus anderen Reichsteilen übernommen (im übrigen Südosteuropa u. a. die Moschee des Sofu Mehmed Pascha in Sofia 1548, die Moschee und das Grabmal des Osman Schah in Trikkala um 1567 und die Brücke von Višegrad 1571/72). Aus den einfachen, seit der frühosmanischen Epoche zur Verfügung stehenden Elementen - Kuppel über Kubus, Wohnzelle, bestimmte Säulenordnungen und Gewölbelösungen - entwickelte S. bei sparsamstem Einsatz dekorativer Mittel eine nach ihm nur epigonal fortentwickelte Zentralkuppelarchitektur, die als eine der großartigsten Äußerungen der osmanischen Zivilisation gilt.
Literatur
Ahmet Refik [Altınay]: Türk Mimarları. Istanbul 1936.
Konyalı, Ibrahim Hakkı: Mimar Koca Sinan. Istanbul 1948.
Egli, Ernst: Sinan. Erlenbach 1954.
Meriç, Rıfkı Melûl: Mimar Sinan hayatı, eseri. Bd 1. Ankara 1965.
Goodwin, Godfrey: A History of Ottoman Architecture. London 1971.
Kuran, Aptullah: The Mosques of Sinan. In: Fifth International Congress of Turkish Art. Budapest 1978, 559-568.
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