Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Sinan Pascha
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Sinan Pascha

Sinan Pascha (Koca Sinan, Fâtih-i Yemen Sinan paşa), osmanischer Großwesir albanischer Herkunft, * Topojan (Lumë), † Istanbul 03.03. (03.04.?) 1596.

Leben

 S. entstammte einer Familie aus Nordalbanien; eine früher geäußerte Behauptung, er wäre christlicher Herkunft, kann nicht stimmen, denn als sein Vater wird in den Quellen Ali erwähnt. Sein Name taucht in den türkischen Quellen das erste Mal in der Zeit Süleymans des Prächtigen auf, und zwar als çeşneğir başi (Küchenchef, Chef-Vorkoster) im Sarail; danach war er Sandschakbey in Malatya, Kastamonu, Gaza, Tripolis in Syrien, Erzerum und Aleppo. Im Frühjahr 1568 unternahm er als Vali von Ägypten einen Feldzug gegen die Jemeniten, die sich gegen die osmanische Herrschaft erhoben hatten. Nach diesem siegreichen Feldzug erhielt er den Ehrentitel Fâtih-i Yemen (Eroberer Jemens). 1571 kehrte er aus dem Jemen nach Kairo zurück, wo er die Reinigung des vollständig verstopften Kanales zwischen Kairo und Alexandria in Angriff nahm. Im gleichen Jahr vollendete er den Bau der von ihm gestifteten Moschee in Bulak (Kairo). Als er nach Istanbul zurückkehrte, wurde er dort als Held empfangen und ihm der Gâzî-Titel verliehen. Im Frühjahr 1574 übernahm er zusammen mit dem Kapudan Pascha Kılıç Ali das Kommando über die gegen Tunis ausziehende türkische Armee. Nachdem nach sechsmonatiger Belagerung die stärkste tunesische Festung Halq alwad (La Goletta) gefallen war, wurde Tunesien osmanisch. S. kehrte als Kuppelwesir nach Istanbul zurück. 1580 leitete er den türkischen Feldzug gegen Georgien. Am 25. August gleichen Jahres wurde er zum Großwesir ernannt. Aber obwohl er den Feldzug in Georgien siegreich beendet hatte, konnte er das Land doch nicht endgültig befrieden; er wurde deshalb am 5. Dezember 1582 von seinem Posten als Großwesir abgelöst und nach Didymoteichos (Demotika) verbannt. Vermittels Fürsprache seiner Frau und durch Zahlung von 100 000 Dukaten an Bestechungsgeldern konnte er dann den Posten eines Vali von Damaskus erlangen. Von dort kehrte er im April 1589 nach Istanbul zurück, um erneut Großwesir zu werden. Damals soll er sich mit dem Gedanken getragen haben, einen Kanal zwischen dem Schwarzen Meer und der Bucht von Nikomedeia zu bauen. Innenpolitische Umstände zwangen ihn dann aber, von der Ausführung dieses Planes abzusehen: Er fiel in Ungnade und verlor den Großwesirsposten. Am 29. Januar 1593, anläßlich einer Janitscharenrevolte, wurde S. das dritte Mal zum Großwesir ernannt. Er bemühte sich jetzt, militärische Erfolge im Westen, besonders in Ungarn, zu erlangen. Im Frühjahr 1593 stellte er sich selbst an die Spitze der gegen Ungarn marschierenden türkischen Armee und eroberte eine Reihe von Städten und Festungen, unter ihnen auch Polata. Einen Monat nach dem Tod von Murad III., im Februar 1595, mußte er erneut sein Amt niederlegen und mit 300 000 Akçe Jahrespension nach Malgara in die Verbannung gehen. Bereits am 7. Juli gleichen Jahres löste er seinen Landsmann, Nebenbuhler und Verwandten Ferhad Pascha im Großwesirat ab; wenige Wochen später begann er einen Feldzug gegen die Walachei, die sich gegen die türkische Herrschaft erhoben hatte. S. ernannte seinen Sohn Mehmed Pascha zum Befehlshaber der türkischen Armee und schickte ihn mit den Truppen nach Gran. Die türkische Armee erlitt jedoch wegen des feigen Verhaltens Mehmed Paschas eine Niederlage. Da der Feldzug nicht den erwarteten Ausgang nahm, wurde S. erneut abgesetzt und am 19. November wieder nach Malgara verbannt. Als dann aber sein Nachfolger Lala Mehmed Pascha wenige Tage nach seiner Ernennung verstarb, wurde der greise S. zum fünften Mal mit dem Reichssiegel betraut. Obwohl über 80 Jahre alt, dachte dieser „unbezähmbare Albaner“, wie ihn Hammer-Purgstall nannte, erneut an einen Feldzug gegen die Habsburger. Dem kam sein Tod am 3. März 1596 zuvor. S. liegt in seiner Türbe in Sedefçiler in Istanbul begraben. Türkische Chronisten schildern S., obwohl sie seine großen Verdienste um das Osmanische Reich anerkennen, als grausam, rühm- und rachsüchtig; besonders werfen sie ihm vor, Albanern hohe Staatsämter verschafft zu haben. Iorga dagegen betrachtet ihn als den letzten der großen Staatsmänner der osmanischen Glanzzeit. Alle Quellen sind sich aber   darüber einig, daß es S. gelang, sich während seiner fast 40jährigen Amtszeit große Reichtümer zu erwerben. Er besaß Has-Güter in Bitolj, Kesrije, Demir Hisar, Serrhes, Lerin, Plovdiv, Nikopolis, auf der Peloponnes, in Janina, Tirhala, Valona, Smederevo, Kruševac, Silistria, Konya, Akşehir, Aksaray, Niğde, Agriboz, Maraş und Aydin. Als er Großwesir war, brachten ihm diese Güter 2 263 680 Akçe jährlich ein. Nach Berichten des venezianischen Bailos in Istanbul hinterließ S. bei seinem Tode 600 000 Golddukaten, eine ungeheure Summe, wenn man bedenkt, daß im Jahre 1592 die Gesamteinkünfte des Osmanischen Reiches 10 Millionen Golddukaten nicht überstiegen. S. begründete zahlreiche fromme Stiftungen in beiden Teilen des Reiches. Besonders zu bemerken ist, daß er auch seinen Heimatbezirk dabei nicht vergaß: Auf seine Bitte hin erließ Murad III. 1586 einen Ferman, durch den fünf Dörfer von Lumë, unter ihnen auch S.s Heimatort Topojan, von allen Steuern und Abgaben befreit wurden. S. erbaute auch die Festung von Kačanik und stiftete die sich in ihr befindliche Moschee, die sich bis auf den heutigen Tag erhalten hat. Über seinen Sohn Mehmed Pascha (Kaçanikli Medmed Pascha) enthalten die türkischen Chroniken sehr wenige Angaben. Er war zuerst Kapıçıbaşı, 1590 dann Janitscharenaga und 1592 Beylerbey von Rumelien - in letzteres Amt hatte ihn sein Vater, der Großwesir, eingesetzt. Ein Jahr später wurde er Vali von Damaskus und 1593 Serdar (Oberkommandierender) der türkischen Armee im Rang eines Wesirs. Während der Feldzüge in Ungarn bewies er allerdings nicht die militärischen Fähigkeiten seines Vaters, der ihn selbst von diesem Posten ablöste. 1595 war er Muhafiz (Festungskommandant) von Belgrad und später Vali von Konya und Damaskus. Als sich 1599 Kurden und Turkmenen mit dem berühmten Kara Yazıcı an der Spitze gegen die Zentralgewalt erhoben und sich diesem Aufstand auch der Vali von Karaman Hüseyn Pascha anschloß, wurde Mehmed Pascha mit der Niederwerfung der Rebellen beauftragt. Er konnte Hüseyn Pascha gefangennehmen und nach Istanbul schicken, wo er hingerichtet wurde. Es gelang ihm allerdings nicht, Kara Yazıcı zu fassen und den Aufstand zu beenden. Trotzdem konnte er sich, dank der Protektion seines Vaters und der Tatsache, daß er mit der Schwester Selims II. verheiratet war, die Gunst des Hofes erhalten. Es scheint, daß er die letzten Jahre seines Lebens in Skopje verbrachte, wo er nach 1608 starb. Wie sein Vater errichtete auch Mehmed Pascha in Kačanik einige fromme Stiftungen, auf Grund derer er wahrscheinlich den Beinamen Kaçanikli Mehmed Pascha erhielt, wie er sich in seinen Vakufnamen findet. Daneben errichtete Mehmed Pascha auch fromme Stiftungen in Skopje, Kičevo, Dibra und zahlreichen Orten in Albanien, darunter auch im Geburtsort seines Vaters Topojan. Diese beiden Beispiele, wie auch das des Mehmed Pascha Sokolović (Sokollu Mehmed Pascha) zeigen auf, daß einige türkische Großwürdenträger ihre Herkunft durchaus nicht vergessen hatten.

Literatur

Öz, Tahsin: Topkapı Sarayı Müzesinde Yemen Fatihi Sinan paşa Arşivi. In: Belleten X/37 (1946) 171-193.
Kaleši, Hasan u. Mehmed Mehmedovski: Tri vakufnami na Kačanikli Mehmed-paša. Skopje 1958.
Turan, Şerafeddin: Sinan paşa. In: Islam Ansiklopedisi. Bd 10. Istanbul 1971(2), 670-675.
Kaleši, Hasan: Veliki vezir Kodža Sinan-paša, njegove zadužbine i njegova vakufnama. In: Ders.: Najstariji vakufski dokumenti u Jugoslaviji na arapskom jeziku. Priština 1972, 257-308.

Verfasser

Hasan Kaleshi (GND: 1084144948)


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Empfohlene Zitierweise: Hasan Kaleshi, Sinan Pascha, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 128-130 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1655, abgerufen am: (Abrufdatum)

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