Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Wesselényi von Hadad, Ferenc Graf
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Wesselényi von Hadad, Ferenc Graf

Wesselényi von Hadad, Ferenc (Franz) Graf, Palatin von Ungarn, * 1605, † Zólyomlipcse (Komitat Zólyom, heute Slovenská L’upča, Slowakei) 23.03.1667, Sohn des István (Stephan) W. und der Katharina, geb. Dersffy.

Leben

Die Familie W. siedelte Anfang des 16. Jh.s aus dem Komitat Nógrád nach Siebenbürgen über. Der Vater Stephan W., Hauptschatzmeister in Siebenbürgen, erhielt von dem siebenbürgischen Fürsten und polnischen König Stephan Báthory das Herrschaftsgut in Hadad.
W. trat in seiner Jugend zum Katholizismus über und wurde von den Jesuiten in Tyrnau erzogen. Zu Beginn seiner militärischen Laufbahn nahm er unter dem Kommando des Hauptkapitäns von Fülek, Tamás Bosnyák, an den Kämpfen gegen die Türken teil. Von dem polnischen König Wladislaw IV. erhielt er ein Herrschaftsgut im Wert von 100000 Talern und das polnische Indigenat. Seine erste Gemahlin war die Witwe Mihály Serényis, Sofia Bosnyák († 1644).
1644 kämpfte W. gegen Georg I. Rákóczi und die Schweden. Mit Hilfe von Maria Széchy, seiner zweiten Frau, konnte er Rákóczi die wichtige Burg Murány wegnehmen. Diese Dienste belohnte Ferdinand III. 1646 durch die Schenkung der Burgen Murány und Balog und die Verleihung des erblichen Grafentitels von Murány. István Gyöngyösi schilderte diese Tat in einer breit angelegten Liebesgeschichte: „Marssal társolkodó Murányi Venus“ (Die Venus von Murány in ihren Verhandlungen mit Mars, Kaschau 1664), die in den Kreisen der adeligen Gesellschaft jener Zeit als außergewöhnlich beliebtes Epos gefeiert wurde. 1647 wurde W. Hauptkapitän von Fülek, danach von ganz Oberungarn. Auf der Landtagsversammlung vom 15. März 1655 in Preßburg wurde er zum Palatin (nádor) gewählt, da man in ihm einen Politiker sah, der bei den herrschenden Gegensätzen zwischen dem kaiserlichen Hof und den ungarischen Ständen eine Mittlerrolle einnehmen könnte. Insgeheim unterlief er aber die Bemühungen, die nach dem erfolglosen polnischen Kriegszug Georgs I. Rákóczi (1657) zur Rettung Siebenbürgens unternommen wurden. Im Jahre 1660 verständigte er sich mit dem Landesrichter Graf Ferenc Nádasdy und dem Banus von Kroatien, Graf Miklós Zrínyi, und schloß mit ihnen eine Konföderation, die sich gegen den Wiener Absolutismus richtete, gleichzeitig aber auch eine Reformbewegung zur Sanierung des Landes und die Führung eines Krieges zur Vertreibung der Türken zum Ziel hatte. 1663 setzte sich W. nun nicht nur als Palatin, sondern bereits als Vertreter dieser Bewegung mit dem Erzbischof von Mainz, Johann Philipp von Schönhorn, dem Kurfürsten und Präsidenten der Rheinischen Allianz in Verbindung, um eine internationale Vereinigung gegen die Türken zu organisieren. Sein Gesandter, Mihály Bory, überbrachte Anfang 1664 einen offiziellen Brief von Johann Philipp mit dem Aufruf an die ungarischen Stände, den Krieg zur Vertreibung der Türken einzuleiten, und der Zusicherung der Unterstützung seitens des französischen Königs Ludwig XIV. Diese Botschaft gab W. an die Komitate weiter. Gemeinsam mit Zrínyi und Nádasdy gewann er das Fürstentum Siebenbürgen und auch Polen für dieses internationale Bündnis. Auch mit Venedig und den rumänischen Fürstentümern wurden die Beziehungen aufgenommen. W. geriet jedoch mit jenem Flügel des habsburgischen Kaiserhofes, der für einen Frieden mit den Türken und gegen Frankreich eingestellt war, so weit in Konflikt, daß Kaiser Leopold I. ihm schließlich im Frühjahr 1664 seine Machtbefugnisse als Palatin entzog.
Da der auf den Sieg von Mogersdorf/St. Gotthard (1.08.1664) mit den Türken geschlossene Friede von Eisenburg (Vasvár, 10.08.1664) nach Meinung der ungarischen Magnaten von Kaiser Leopold I. nicht genügend ausgenutzt worden war, faßten die Verbündeten die Absetzung Leopolds I. als ungarisch-kroatischen König und die Fortsetzung des Kampfes gegen die Türken zur Rückgewinnung der verlorenen Teile von Ungarn ins Auge. Hinzu kam noch, daß sich der protestantische ungarische Adel durch die gegen-reformatorischen Maßnahmen Leopolds I. bedroht fühlte. Mit dem Tode Miklós Zrínyis (18.11.1664) fiel die Leitung dieser Bewegung dem schwerkranken W. zu. Er fungierte allerdings nurmehr als Namensgeber der Verschwörung, da er bereits vor deren Ausbruch starb. Die „Magnatenverschwörung“ endete schließlich 1671 mit der Hinrichtung seiner Führer (es waren dies der Banus von Kroatien Péter Zrínyi, der Landesrichter Ferenc Nádasdy, der kroatische Adelige Fran Krsto Frankapan und der steirische Aristokrat Erasmus von Tattenbach).
Auf seinen Gütern verfolgte W. eine moderne Wirtschaftsführung. Er ist als bedeutender Vertreter der politischen Denkweise des 17. Jh.s und der ungarischen Prosa anzusehen, dennoch wartet sein außergewöhnlich reicher Nachlaß von Proklamationen, Briefen und kontemplativen Schriften noch auf eine wissenschaftliche Bearbeitung.

Literatur

Pauler, Gyula: Wesselényi Ferencz nádor és társainak összeesküvése, 1664-1671. 2 Bde. Budapest 1876.
Deák, Farkas: Wesselényi Ferenc nádor. In: Századok 16 (1882) 353-365.
Acsády, Ignác: Széchy Mária 1610-1679. Budapest 1885.
Lilek, Emil: Kritische Darstellung der ungarisch-kroatischen Verschwörung und Rebellion 1663-1671. 2 Bde. Cilli 1928/30.
Agárdi, Péter: Rendiség és esztétikum. Budapest 1972.  
Várkonyi, Ágnes: La coalition internationale contre les Turcs et la politique étrangere hongroise en 1663-1664. In: Nouvelles études historiques. Bd 1. Budapest 1975.

GND: 141396571

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd141396571.html


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Empfohlene Zitierweise: Ágnes Ruttkay Várkonyi, Wesselényi von Hadad, Ferenc Graf, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 460-462 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1874, abgerufen am: (Abrufdatum)

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