Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Andrássy, Gyula d. J. Graf
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Andrássy, Gyula d. J. Graf

Andrássy, Julius (Gyula) d. J. Graf, ungarischer Staatsmann; * Tőketerebes 30.06.1860, † Budapest 11.06.1929, Sohn von Julius A. d. Ä..

Leben

A. wurde 1885 in das ungarische Abgeordnetenhaus gewählt. 1892 war er Unterstaatssekretär für innere Angelegenheiten und von 1894-1895 Minister am königlichen Hoflager. Nach der 1904 eingeführten neuen parlamentarischen Hausordnung, die die immer heftiger auftretende Obstruktion verhindern sollte, schied A. aus der liberalen Regierungspartei des mit ihm politisch rivalisierenden Ministerpräsidenten Stefan Graf Tisza aus. Militärische Streitfragen und Forderungen, deren Diskussion besonders seit der Wehrmachtsdebatte von 1889 fast zum ständigen Inventar der ungarischen Politik gehörte, führten zur Krise der Jahre 1905-1906. Die Tendenz der militärischen Forderungen blieb dabei immer unverändert: Lockerung, später Aufhebung der Gemeinsamkeit der Armee und Schaffung des selbständigen ungarischen Heeres. Nach der Wahlniederlage der Liberalen und dem Sieg der Unabhängigkeitspartei (Januar 1905) stellten die Sieger ein kompromißloses nationales Programm (vor allem Forderung nach der ungarischen Kommandosprache, aber auch nach vollkommener wirtschaftlicher Trennung von Österreich) auf. Als Führer der liberalen Dissidenten unterhandelte A. nach dem Sturz Tiszas mit den Führern der gegen das bisherige Regime vereinigten Parteien. Die meisten Parteien des Reichstages bildeten nun mit der Unabhängigkeitspartei die „Koalition“. Unklar bleibt, wie A., ein überzeugter und unerschütterlicher „Siebenundsechziger“, mit der Unabhängigkeitspartei in eine Koalition eintreten konnte. A., nun Chef der Verfassungspartei, wurde im September 1905 mit den Führern der Koalition (Graf Apponyi, Baron Bánffy, Franz Kossuth, Graf Zichy) in Wien von Franz Joseph empfangen. Die wichtigsten Bedingungen des Königs für die Regierungsbildung waren der Verzicht auf die ungarische Kommandosprache und die Rekrutenbewilligung, ferner die wirtschaftliche Verständigung mit Österreich. Vorerst gingen die ungarischen Abgeordneten auf die vom König gestellten Bedingungen nicht ein, der vollständige Bruch mit der Koalition war vollzogen. Neuerliche Versuche des Königs, durch Verhandlungen mit A. eine Aussöhnung herbeizuführen, blieben erfolglos. Erst nachdem die militärischen Forderungen von der Unabhängigkeitspartei fallengelassen wurden, war im April 1906 die Regierungsbildung möglich.
Im Koalitionskabinett Wekerle hatte A. den Posten des Innenministers inne. Es gelang A. nicht, die militärischen Forderungen und die Wahlrechtsreform durchzusetzen. Der von ihm verfaßte Entwurf eines Wahlgesetzes im Sinne des Pluralwahlrechtes hatte einen Entrüstungssturm bei den Sozialdemokraten und bei den Nationalitäten hervorgerufen. Die von der Koalition wieder aufgegriffene Forderung nach Errichtung einer selbständigen Notenbank führte zu einem Zwiespalt mit der Krone, so daß die Regierung Wekerle Anfang 1910 zurücktreten mußte.
Während des Weltkrieges war A. ein heftiger Gegner der Politik des Ministerpräsidenten Graf Tisza (1913-1917). Am 24. Oktober 1918 wurde A. Minister des Äußeren. Im Einverständnis mit Kaiser Karl vollzog er die Trennung des deutschen Bündnisses, ein Schritt, dem kaum mehr praktische Bedeutung zukam. In einer Note an den amerikanischen Präsidenten Wilson sprach sich A. am 28. Oktober vergeblich für einen Sonderfrieden nach den Bedingungen der Entente aus. Der Sohn des Mannes, der einst das Bündnis mit dem Deutschen Reich geschlossen hatte, glaubte mit diesem Verzweiflungsschritt Staat und Dynastie retten zu können. Am 1. November 1918 trat A. als letzter österreichisch-ungarischer Außenminister zurück.
A. war Mitglied der neuen ungarischen Nationalversammlung und nahm 1921 als Führer der royalistischen Partei am gescheiterten Putsch zugunsten König Karls teil. 1926 schied er aus der Nationalversammlung aus.

Literatur

Andrássy, Julius: Ungarns Ausgleich mit Österreich vom Jahre 1867. Budapest 1897.
Andrássy, Julius: Diplomatie und Weltkrieg. Berlin, Wien 1920.
Erényi, Gustav: Graf Stefan Tisza. Ein Staatsmann und Märtyrer. Wien, Leipzig 1935.
Hegedűs, Lóránt: Két Andrássy és két Tisza. Budapest 1937.
Kiszling, Rudolf: Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este. Graz, Köln 1953.

Verfasser

Friedrich Gottas (GND: 105731153)


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Empfohlene Zitierweise: Friedrich Gottas, Andrássy, Gyula d. J. Graf, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 67-68 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=451, abgerufen am: (Abrufdatum)

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