Delvina, Sulejman Pascha, albanischer Politiker der Zeit von 1920-1924.
Leben
D. trat politisch in den Vordergrund, als der Kongreß von Lushnja (1920) der Regierung von Durazzo eine Gegenregierung gegenüberstellte, um die „antinationale Politik“ der Durazzo-Regierung zu bekämpfen. Zum Präsidenten dieser neuen Regierung wurde D. bestimmt.
Die Macht der Regierung D. war vorerst auf Mittelabanien beschränkt. Während die Durazzo-Regierung unter der Führung von Myfit Bey Libohova und Mustaja Kruja, gestützt auf italienische Hilfe, nur einen kleinen Teil des Küstengebietes kontrollierte, spielten vor allem aufständische Gruppen verschiedenster politischer Richtungen eine große Rolle und beherrschten weite Gebiete Albaniens. Unter diesen Gesichtspunkten gewann der Beschluß der Regierung D. vom Februar 1920, das zentral gelegene Tirana zur neuen Hauptstadt zu machen, eine nicht zu unterschätzende - vor allem symbolische - Bedeutung. Als wichtigste Aufgaben betrachtete D. eine Verständigung mit den Aufständischen, die zunehmend unter dem Einfluß Esad Pascha Toptanis standen, und den Versuch einer Einigung mit Italien bezüglich einer Aufhebung der Annexion Vloras und einer Aufgabe des Mandats über Albanien. Als Ausgleich bot D. die albanische Insel Sazani (Saseno) an. Aufgrund der ablehnenden Haltung Italiens formierte sich eine Gruppe - teilweise auch aus Mitgliedern des Nationalrates - die sich für ein bewaffnetes Auftreten in der Vlora-Frage einsetzte. D., der sich mit den Zielen dieser Gruppe durchaus identifizierte, mußte allerdings diplomatische Verwicklungen befürchten, wenn er diese Absichten offiziell unterstützte. Außerdem erschien ihm ein militärisches Abenteuer angesichts der verworrenen Lage im Inneren und des ungenügenden Ausrüstungs- und Ausbildungsstandes der schwachen Armee wegen nicht ratsam. Aus diesen Gründen distanzierte er sich offiziell von Bestrebungen solcher Art. Indirekt aber unterstützte D. diese Gruppen, indem er Kontakte mit Jugoslawien und Griechenland aufnahm, die ihre Nichteinmischung im Falle eines bewaffneten Konfliktes mit Italien zusagten. Die Vorbereitung des Aufstandes selbst aber überließ man dem sogenannten „Komitet Mbrojtja Kombëtare“ (Komitee Nationaler Schutz).
Daß auch die Italiener die Regierung D. mit dem Aufstand in Zusammenhang brachten, zeigt die Tatsache, daß Baron Aliotti, der nach den ersten Erfolgen der Aufständischen nach Albanien geschickt wurde, sich umgehend mit der Regierung D. in Verbindung setzte. Nach weiteren Erfolgen der Aufständischen kam es am 2. August 1920 in Tirana zur Unterzeichnung eines Vertrages, der den Rückzug der Italiener (ausgenommen war die Räumung der Insel Sazani) beinhaltete, womit die früheren Vorschläge der Regierung D. akzeptiert waren. Die nächste Schwierigkeit, der sich D. gegenübersah, bestand in der Besetzung nordalbanischer Gebiete durch jugoslawische Truppen. Wie schon gegenüber Italien, scheute D. den offenen Konflikt, unterstützte aber Organisationen, die ab Mitte August 1920 militärisch gegen die Jugoslawen vorgingen. Diese Bemühungen hatten zur Folge, daß die Grenzen Albaniens von 1913 wiederhergestellt wurden. Als aber die Bewegung auf Kosovo Übergriff und vor allem das „Komiteti i mbrojtjes kombëtare të Kosovës“ (Komitee zum nationalen Schutz Kosovos) Anstalten machte, ebenfalls loszuschlagen, distanzierte sich D. auf jede Weise von solchen Bestrebungen. Bei dem Versuch, eine mehr oder weniger neutrale Politik zu betreiben, sah er sich aber größten Schwierigkeiten gegenüber, als sich die jugoslawische Regierung - vorausgegangen waren jugoslawische Vorstöße nach Mittelalbanien - nur im Falle einer ausgesprochen projugoslawischen Politik bereit erklärte, die Grenzen von 1913 zu wahren. Die Reaktion D.s bestand in einer Note an die Großmächte, in der er den Rückzug der jugoslawischen Truppen forderte. Aufgrund wachsender innenpolitischer Schwierigkeiten sah sich D. Ende 1920 zum Rücktritt gezwungen. Eine politische Rolle spielte er noch einmal als Außenminister der im Zuge der sogenannten „Demokratischen Revolution“ von 1924 gebildeten Regierung Fan Noli. In dieser Regierung gehörte D. zum gemäßigteren Flügel und stellte sich vor allem gegen radikale Enteignungspläne.
D. verkörperte den in der albanischen Politik seltenen Typ des sozial-konservativen Nationalisten, der mit diplomatischen Mitteln die albanische Unabhängigkeit und Neutralität zu wahren suchte, in sozialen Fragen aber, im Gegensatz zu vielen anderen national orientierten albanischen Politikern, eine auffällige Indifferenz zeigte.
Literatur
Frashëri, Kristo: Lufta çlirimtare e Vlorës. In: Bul. Shk. shoq. (1954) 3, 3-27.
Veizi, Fane: Kongresi i Lushnjes. Tiranë 1959. Hist. Shqip. Bd 2, passim.
Çami, Muin: Lufta çlirimtare antiimperialiste e popullit shqiptar në vitet 1918-1920. Tiranë 1969.