Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Hóman, Bálint
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Hóman, Bálint

Hóman, Bálint, ungarischer Kulturpolitiker und Historiker, * Budapest 30.12.1885, † Waitzen (Vác) 2.06.1951, Sohn des Philologen Ottó H.

Leben

H. besuchte das Gymnasium und die Universität in Budapest. Obwohl er sich zur Zeit der Revolution 1918/19 kulturpolitisch engagierte, bekleidete er nach der Revolution wichtige kulturpolitische Funktionen als Vertreter der offiziellen christlich-nationalen Richtung. Er war Direktor der Universitätsbibliothek (ab 1915), der Nationalbibliothek Széchényi (ab 1922) und Generaldirektor des Ungarischen Nationalmuseums (ab 1923). Zwei Jahre später übernahm er bis 1931 den Lehrstuhl für mittelalterliche ungarische Geschichte an der Universität Budapest.
Für die erste Periode seiner Tätigkeit als Geschichtsschreiber sind H.s quellenkritische Aufsätze charakteristisch, in denen er sich mit den wichtigsten Fragen der ungarischen Urgeschichte beschäftigte. Für die frühmittelalterliche Geschichte Ungarns sind seine wirtschafts- und finanzgeschichtlichen Abhandlungen grundlegend. Dabei bezog sich H. auf den Positivismus der Jahrhundertwende, der sein Interesse für sozial-, wirtschafts- und verwaltungsgeschichtliche Fragen weckte. Er faßte mit seinem literarischen Schaffen alle bis zu seiner Zeit betriebenen Forschungen zum ungarischen Mittelalter zusammen und übernahm in der von ihm und Gyula Szekfű geschriebenen ungarischen Geschichte (Magyar történet, 8 Bände, Budapest 1928/34) die Darstellung der mittelalterlichen Geschichte bis 1458. Darüber hinaus veröffentlichte H. mehrere Aufsätze zu theoretischen Fragen der Geschichtswissenschaft, in denen er sich zur Geistesgeschichte bekannte; nach seiner Auffassung sei diese „die im weitesten Sinne genommene Kulturgeschichte, und nichts anderes als die Synthese der zur Kultursphäre der Gesellschaft gehörenden Erscheinungen“. Das kommt auch in dem von ihm herausgegebenen Sammelwerk „A magyar történetírás új útjai“ (Die neuen Wege der ungarischen Geschichtsschreibung, Budapest 1932) deutlich zum Ausdruck. Auf seiten der vom Horthy-Regime vertretenen „christlich-nationalen“ historischen Konzeption waren H. und Szekfű die strengsten Kritiker der liberal-nationalistischen Auffassung zur Zeit der Habsburgermonarchie.
Am 1. Oktober 1932 wurde H. zum Kultusminister in der faschistische Ziele verfolgenden Regierung Gömbös ernannt. Er setzte die von Kuno Klebelsberg begonnene Unterrichtsreform fort und regte die Einführung der achtklassigen Schulpflicht an. Entsprechend der deutschfreundlichen Haltung der Regierung förderte H. die kulturellen Beziehungen zwischen Ungarn und Deutschland. Als Vertreter der rechtsorientierten Politik, die sich die faschistischen Theorien nicht aneignete, wünschte H. im Interesse der Revision des Friedensvertrages von Trianon eine immer engere Zusammenarbeit mit dem Deutschen Reich. Nach seinem Rücktritt als Kultusminister am 13. Mai 1938 war H. kurze Zeit Propagandaminister, schied dann aber aus der Regierung aus, bis er vom 16. Februar 1939 bis 13. Juli 1942 erneut das Kultusministerium übernahm. H. war Präsident der Ungarischen Historischen Gesellschaft (1933-1945) und Leiter des ersten ungarischen Forschungsinstituts für Geschichte, des Ungarischen Geschichtswissenschaftlichen Instituts (Institut Pál Teleki, 1941-1945).
Beim Einzug der sowjetischen Truppen floh H. nach Österreich. Er wurde von den Amerikanern an die ungarische Regierung ausgeliefert. In Ungarn kam er vor ein Volksgericht, das ihn zu lebenslänglicher Haft verurteilte. Er starb im Gefängnis.
Zu den bedeutenderen Veröffentlichungen H.s zählen: „A magyar városok az Árpádok korában“ (Die ungarischen Städte zur Zeit der Arpaden, Budapest 1908), „Magyar pénztörténet 1000-1325“ (Ungarische Münzgeschichte 1000-1325, Budapest 1916), „A magyar királyság pénzügyei és gazdaságpolitikája Károly Róbert korában“ (Die Finanzen und die Wirtschaftspolitik des ungarischen Königtums zur Zeit Karl Roberts, Budapest 1921), „Geschichtliches im Nibelungenlied“ (Berlin 1924), „A Szent László-kori Gesta Ungarorum és a XII-XIII. századi leszármazol“ (Die Gesta Ungarorum aus der Zeit Ladislaus’ des Hl. und ihre Ableitungen im 12. bis 13. Jh., Budapest 1925), „A magyar hun-hagyomány és hun-monda“ (Die ungarische Hunnenüberlieferung und Hunnensage, Budapest 1925), „Geschichte des ungarischen Mittelalters“ (2 Bände, Berlin 1940/43). Eine Sammlung der Aufsätze H.s ist 1938 in drei Bänden unter den Titeln „Történetírás és forráskritika“ (Geschichtsschreibung und Quellenkritik), „Magyar középkor“ (Ungarisches Mittelalter) und „Művelődés- politika“ (Kulturpolitik) erschienen, im 3. Band mit der Bibliographie seiner Werke.

Literatur

Tóth, László: Hóman Bálint a történetíró. Budapest 1939.
Lederer, Emma: A magyar polgári történetírás rövid története. Budapest 1969.
Glatz, Ferenc: Hóman Bálint és a nemzeti szocialisták összeütközése. In: Fehérmegyei Történeti Évkönyv 4 (1970) 181-202.

Verfasser

Ferenc Glatz (GND: 170576051)

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Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd116974842.html


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Empfohlene Zitierweise: Ferenc Glatz, Hóman, Bálint, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 176-177 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=970, abgerufen am: (Abrufdatum)

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