Murad Pascha, Kuyucu, osmanischer Großwesir 1606-1611, † Diyarbekir 06.08.1611.
Leben
M. war kroatischer Herkunft und wurde im großherrlichen Harem erzogen. Er zeigte sich zugleich tätig und fromm, dem Hause Osman, wie dem Derwischorden der Nakşbendiye treu ergeben. Nachdem er im Gefolge des Vali Mahmud Pascha zuerst im Jemen, dann in Ägypten als Kethüda und Mirliva Erfahrung gesammelt hatte, bemühte er sich um die Statthalterschaft von Jemen, die ihm 1575 auch verliehen wurde. Das Gerücht, er habe durch dieses Amt in unerhörter Weise Reichtum erworben, kostete ihn vorübergehend Stellung, Vermögen und Freiheit. Nach der Entlassung aus dem Gefängnis der Sieben Türme wurde er Beylerbey von Tripolis, später von Karaman. Während der Schlacht bei Täbris (1595) stürzte er mit seinem Pferd in einen Graben und fiel in persische Gefangenschaft. Erst der Frieden von 1590 verhalf ihm wieder zur Freiheit. Es folgten Statthalterschaften in Zypern, Syrien (1594) und Diyarbekir (1595). Mehrere Jahre leistete er Heeresfolge auf dem ungarischen Kriegsschauplatz und schuf sich einen Namen als Truppenkommandeur und Unterhändler. Unter Ahmed I. 1603 vereinigte er die Aufgaben des Beylerbeys von Rumelien und Kommandanten von Ofen, wurde 1605 vierter Wesir und übernahm am 13. Mai 1606 den Oberbefehl in Ungarn. In dieser Funktion führte er Verhandlungen und schloß mit Österreich den Frieden von Zsitvatorok (11.11.1606), der das osmanische Reich von der Last des Zweifrontenkrieges befreite. Nach der Hinrichtung des erfolglosen Derviş Pascha berief Ahmed I. auf Vorschlag des Schejch ül-Islam Sunullah Efendi den hochbetagten M. ins Großwesirat. Der Augenblick war kritisch: das kriegsgeschwächte Reich war durch den persischen Krieg, mehr aber noch durch zahlreiche Aufstände in Anatolien und Nordsyrien in seiner Existenz schlimmstens bedroht. Die Aufständischen hatten ganze Provinzen an sich gerissen, hatten Städte eingenommen und eigene Heere aufgestellt. Hart, verschlagen und rastlos machte sich M. an die Rettung des Reiches. Die Uneinigkeit und Vielzahl der Aufstandsbewegungen und ihrer Anführer vor allem machte er sich zunutze. Zuerst Kalenderoğlu, dann auch Muslî Çavuş neutralisierte er durch offizielle Bestallung als Sandschakbey. Sein Hauptstoß galt dem stärksten und bestorganisierten Aufrührer Canbuladzade Ali Pascha, der Teile Nordsyriens mit Aleppo beherrschte und ihm mit 40 000 Mann bei Antakya entgegentrat. Er wurde vernichtend geschlagen (23.12.1607). Eine Vereinigung von Kalenderoğlu und Muslî Çavuş mit dem Ziel, die Osmanen aus Anatolien zu vertreiben, wurde verhindert und Kalenderoğlu entscheidend geschlagen. Doch M. wollte die Aufrührer nicht nur besiegen, sie sollten ausgerottet werden. Tagelang verfolgte er auch persönlich kleinere Gruppen; wer nicht über die persische Grenze entkam, wurde aufgerieben. Die in den Staatsdienst gelockten Aufrührer überwand er mit Heimtücke: er befahl sie zu einem Feldzug gegen Persien, der in Wirklichkeit nur eine Falle für sie war. Die Zahl der getöteten Aufständischen (Celâli) wird mit 70 000 und mehr angegeben. Ohne Bedrohung im Rücken konnte es nun gegen den äußeren Feind gehen. Der Feldzug von 1610 stieß bis Täbris vor, aber ohne ernstere Feindberührung. Während der Rüstungen für den kommenden Feldzug starb der über achtzigjährige Großwesir in Diyarbekir. Die zuvor von ihm begonnenen Friedensgespräche mit Schah Abbas konnte sein Nachfolger Nasuh Pascha zum Abschluß bringen.
Literatur
Orhonlu, Cengiz: Murad Paşa, Kuyucu. In: Islâm Ansiklopedisi. Bd 8. Istanbul 1960, 651-654.
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