Nadejde, Ioan, rumänischer Politiker und Publizist, * Tecuci (Moldau) 26.12.1854, † Bukarest 29.12.1928, aus einer Kleinpächterfamilie.
Leben
N. besuchte das Nationalgymnasium in Jassy und wurde 1876 Lehrer an dieser Anstalt. Seine enzyklopädische Bildung erwarb er sich als Autodidakt. Er, seine Gattin Sofia und sein Bruder Gheorghe waren durch Eugen Lupu, einen Freund des Bessarabiers Nicolae Zubcu-Codreanu, mit den Ideen des Anarchismus aus Westeuropa bekannt geworden. Sie gehörten zum inneren Kreis des von Nikolaj K. Sudzilovskij-Russel 1879 in Jassy gegründeten Propagandazirkels. Als die Regierung die Aktivitäten des Klubs untersuchte, verlor N. seine Lehrerstelle (1881). N. gab mit Constantin Mille - später mit Vasile G. Morţun - die Zeitschrift „Contemporanul“ (Der Zeitgenosse) heraus (1881-1891). Diese popularisierte mit Erfolg materialistisches und marxistisches Gedankengut unter der Jugend in Schule und Universität. Hier erschienen wichtige Beiträge Constantin Dobrogeanu-Ghereas. Anstelle des noch wenig zahlreichen Industrieproletariates versuchte N., die Bauern der Moldau politisch anzusprechen. Mit ihrer Unterstützung zogen N. und Morţun 1888 als Abgeordnete ins Parlament ein, doch mißverstanden die Bauern die Petitionsbewegung ihrer Interessenvertreter für Landzuteilung als Aufruf zum Aufstand. Bei der Gründung der sozialdemokratischen Partei Rumäniens (1893) wurde N. in den Generalrat gewählt. 1894 siedelte er nach Bukarest über und setzte die Taktik der deutschen Sozialdemokratie innerhalb der Partei durch. Auf dem IV. Parteitag (1897) trat auch N. trotz der Warnungen Ghereas für eine Wahlrechtskampagne unter den Bauern in der Walachei ein. Die Partei verlor die Kontrolle über ihre Vereine auf dem Lande, es kam zu Unruhen. Dieser Mißerfolg gab den letzten Ausschlag für den Übertritt der sozialdemokratischen Intellektuellen in die liberale Partei (1899/1900). N., der sich ab 1898 der Jurisprudenz zuwandte, wurde die Herausgabe des liberalen Organs „Voinţa Naţională“ (Der nationale Wille) übertragen. Die „Generösen“ hatten gehofft, mit Hilfe der Liberalen demokratische Reformen verwirklichen zu können, erlangten aber in der Partei nur beschränkten Einfluß. N. bildete mit Gherea und Morţun die Führung der „alten“ sozialdemokratischen Bewegung (vor 1900) in Rumänien. Unter seinem Einfluß hatte sich eine ganze Generation von Natur- und Geisteswissenschaftlern in ihrer Jugend für den Sozialismus als humanitäres Ideal begeistert. Zu ihnen zählten unter anderem Ion Canta-cuzino, Emil Racoviţă, Nicolae lorga und Garabet lbrăileanu. Der politische Kampf für allgemeines Stimmrecht wurde von den Intellektuellen geführt. Er fand keinen großen Widerhall bei Bauern und Arbeitern, die ihre ökonomischen Interessen (Landzuteilung, Lohnerhöhung) vertreten sehen wollten. Beide Interessenlinien kamen innerhalb der Partei nur vorübergehend zur Deckung.
Literatur
Atanasiu, I. C.: Pagini din istoria contimporană a României, 1881-1916. Bd 1: Mişcarea socialistă 1881-1900. Bucureşti 1933.
Petrescu, Constantin-Titel: Socialismul în România. Bucureşti 1945.
Bratu, Savin u. Zoe Dumitrescu: Contemporanul şi vremea lui. Bucureşti 1959.
Mişcarea muncitorească din România. 1893-1900. Bucureşti 1965.
Nicolescu, George Cristea: Curentul literar de la Contemporanul. Bucureşti 1966.
Vitner, Ion: Literatura în publicăţiile socialiste şi muncitoreşti (1880-1900). Reviste literare. Formarea conceptului de literatură socialistă. Bucureşti 1966.
Matei, Gheorghe: Cluburile socialiste la sate 1898-1899. Bucureşti 1968.
Vişinescu, Victor: Sofia Nădejde. Bucureşti 1972.
Hanţă, Al.: Contemporanul. In: Istoria literaturii române. Bd 3: Epoca marilor clasici. Bucureşti 1973, 555-586.
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