Nyáry von Nyáregyháza, Pál (Paul) Freiherr von, ungarischer Politiker, * Nyáregyháza (Komitat Pest) 12.12.1806, † (Selbstmord) Pest 21.04.1871, aus altem kalvinischen Adel.
Leben
Ny. gehörte im Zeitalter der Reformen, besonders nach 1845, und des Freiheitskampfes 1848/49 zu den führenden Persönlichkeiten der liberalen Bewegung in Ungarn. 1845 wurde er zweiter, 1848 erster Vizegespan und Landtagsabgeordneter des Komitates Pest. Als Mitglied des „Ausschusses für öffentliche Sicherheit“ (Közbátorsági bizottmány) erwarb er sich große Verdienste bei der Aufrechterhaltung der Ordnung in den stürmischen Märztagen 1848 in Pest. Im Landtag gehörte er zum radikalen Flügel; Anfang September 1848 wurde er in Lajos Kossuths „Landesverteidigungsausschuß“ (Honvédelmi Bizottmány) gewählt, der nach dem Rücktritt der Regierung Lajos Batthyánys die damalige Regierung bildete und die Führung des Freiheitskampfes übernahm. Als Vizepräsident - während Kossuths Abwesenheit als Präsident - war er der eigentliche Innenminister während des Freiheitskampfes. In Debreczin, wohin der „Landesverteidigungsausschuß“ Ende 1848 verlegt worden war, schloß er sich der gemäßigten „Friedenspartei“ (Békepárt) an. Im Mai 1849 spielte er beim Sturz des radikalsten Politikers des Freiheitskampfes, des Polizeichefs László Madarász, die Hauptrolle. An der am 13. April 1849 tagenden Vorkonferenz war er gegen die Proklamierung eines von Wien unabhängigen Ungarn, an der Sitzung des Debrecziner Parlaments vom 14. April stimmte er jedoch der Unabhängigkeitserklärung zu. Nach der Niederlage des Freiheitskampfes bei Világos (13.08.1849) wurde Ny. zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt und in Josephstadt (Böhmen) interniert. Durch die allgemeine Amnestie 1856 auf freien Fuß gesetzt, schaltete er sich 1861 als Vizegespan des Komitates Pest und Abgeordneter am kurzlebigen „Rumpfreichstag“ auf seiten der radikalen „Beschlußpartei“ wieder in die Politik ein. Nach der Auflösung des Parlaments bewirtschaftete er zunächst seinen Grundbesitz und kehrte dann als Abgeordneter der Tisza-Ghyczy-Partei 1865-1868 in den Reichstag zurück. Nach dem Ausgleich von 1867 wurde er in der Politik immer mehr in den Hintergrund gedrängt. In der kalvinischen Kirche Ungarns spielte Ny. besonders in der dem Protestantenpatent vom 1. September 1859 folgenden Diskussion eine bedeutende Rolle. Neben zahlreichen polemischen und politischen Aufsätzen sowie seinen Reichstagsreden von 1861 veröffentlichte Ny. auch die größeren Werke „Javaslat Pest megye közigazgatási rendszere iránt“ (Antrag für ein Verwaltungssystem für das Komitat Pest, 1840) und „Indítvány a megyei bűnvádi eljárás lehető javítása iránt“ (Antrag für eine mögliche Verbesserung der Komitats-Strafprozeßordnung, 1841). Der Schriftsteller Mór Jókai setzt in mehreren seiner Romane Ny. ein Denkmal.
Literatur
Dalmady, Győző: Nyáry Pál emlékezete. Budapest 1876.
Móricz, Pál: A magyar országgyülési pártok küzdelme. Budapest 1892.
Ember, Győző: A Honvédelmi Bizottmány. In: Szâzadok 82 (1948) 150-165.
Spira, György: A magyar forradalom 1848-49-ben. Budapest 1959.
Empfohlene Zitierweise: László Révész, Nyáry von Nyáregyháza, Pál Freiherr von, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 343-344 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1468, abgerufen am: 23.11.2024
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