Otto I., König von Griechenland

GND: 118787411

Otto I., König von Griechenland 1832-1862, * Salzburg 01.06.1815, † Bamberg 26.07.1867, Sohn Ludwigs I. von Bayern und der Therese von Sachsen-Hildburghausen; aus dem Hause Wittelsbach.

Leben

Schon während des griechischen Unabhängigkeitskrieges hatte es Bemühungen gegeben, dem Lande einen ausländischen Fürsten als Souverän zu geben. Nach dem gescheiterten Versuch, mit Ioannis Kapodistrias einen blutsmäßigen Griechen in Hellas zu etablieren, richteten sich die Augen der Schutzmächte und der Hellenen wiederum auf einen Prinzen aus einem europäischen Fürstenhause. Nachdem Familienmitglieder der Herrscher der drei Schutzmächte nicht in Frage kamen und Leopold von Sachsen-Coburg, der nachmalige König der Belgier, abgelehnt hatte, war die Bahn frei für Otto von Wittelsbach, den noch minderjährigen zweiten Sohn des griechenbegeisterten Königs Ludwig I. von Bayern. Bei der Londoner Konferenz einigten sich die Großmächte am 7. Mai 1832 auf ihn, am 8. August wählte ihn die griechische Nationalversammlung in Nauplia und am 6. Februar 1833 bestieg er den Thron. Der anfängliche Enthusiasmus der Griechen überdeckte zunächst die schweren Hypotheken des jungen Herrschers. Auch abgesehen von seiner Jugend, die ihm politische Erfahrungen zu machen noch nicht erlaubt hatte, war er nicht der energische, konsequente und standfeste Mann, den das Königreich gebraucht hätte. England, Frankreich und Rußland verfochten ihre eigenen Interessen in Griechenland und die Mittel des von einem fast zehnjährigen Kriege erschöpften Staates standen im umgekehrten Verhältnis zu den hochgespannten Erwartungen seiner Bewohner. Bis zu O.s Volljährigkeit regierte eine von seinem Vater ausgesuchte Regentschaft (Joseph Ludwig Graf von Armannsperg, Georg Ludwig von Maurer und Karl Wilhelm Freiherr von Heideck) Griechenland, auch später ließ es König Ludwig nicht an nachdrücklichen Ratschlägen für seinen Sohn fehlen. Die Heirat O.s mit Amalie von Oldenburg am 22. November 1836 erhöhte zunächst seine Popularität. Da aber die tatkräftige Königin dem Lande keinen Thronfolger zu schenken vermochte, wurde sie später zusätzlich zu einem Angriffspunkt für die Opposition. Diese fand aber schon vorher ein weites Feld für Unzufriedenheit und Kritik. Die mit dem König ins Land gekommene bayerische Truppe, 1835 durch Freiwillige aus allen deutschen Landen ersetzt, kostete viel Geld und besetzte besoldete Stellen, auf die die griechischen Freiheitskämpfer der Jahre 1821-1830 Anspruch erhoben. Der Aufwand für den Hof und für die rasch wachsende Bürokratie, zunächst ebenfalls überwiegend von europäisch geschulten Ausländern besetzt, verschlang einen weiteren beträchtlichen Teil der geringen Staatseinnahmen und der ausländischen Anleihen. Schließlich fehlte es auf weiten Strecken einfach an psychologischem Verständnis zwischen Griechen und Nichtgriechen. Die unreflektierte Übernahme europäischer Einrichtungen (in Verwaltung, Rechtsprechung, Bildungswesen) vergrößerte die bereits bestehende Kluft zwischen Einheimischen und Fremden. Neben den ungelösten Problemen (Bodenneuverteilung, Regelung des Kriegsschädenersatzes, Versorgung der Kriegsopfer, Räuberunwesen), die z. T. noch weit in die zweite Jahrhunderthälfte hineinwirkten, muß aber doch anerkannt werden, daß auf vielen Feldern dauerhafte Grundlagen für den raschen Anschluß des Landes an das übrige Europa gelegt wurden: Das gilt für die Rechtskodifikation und den Aufbau einer Gerichtsorganisation, für die Einrichtungen des höheren Bildungswesens (1837 Eröffnung der Athener Universität) und für den weitblickenden Ausbau der neuen Hauptstadt nach den Plänen von Eduard Schaubert und Leo von Klenze (1834 Verlegung des Regierungssitzes von Nauplia nach Athen). Ein beachtlicher Wirtschaftsaufschwung wurde zwar nicht unmittelbar durch die Politik der königlichen Regierung bewirkt, stellte sich aber als Begleiterscheinung der konsolidierten Verhältnisse allmählich ein. Nach einigen warnenden Krisenzeichen wurde König O. im September 1843 durch einen Militärputsch, hinter dem zahlreiche oppositionelle Politiker standen, gezwungen, dem Lande eine Verfassung zu gewähren (zwei Kammern: Vuli und Jerusia), die freilich der Krone noch beträchtliche politische Rechte beließ. Gleichzeitig mußte die Masse der „Bavaresen“ im öffentlichen Dienst Hellas verlassen. In der zweiten Phase seiner Regierung gelang es O., dank russischer Vermittlung eine autokephale Landeskirche zu schaffen (1850), wodurch die Einflußmöglichkeiten des Patriarchen von Konstantinopel fast völlig ausgeschaltet wurden. Dagegen war es nicht möglich, der Verwirklichung der ,Megali Idea‘, dem Anschluß aller Griechen an das Königreich, näher zu kommen. Während des Krimkrieges (1853-1856) schien sich hierfür eine Möglichkeit zu bieten. Griechische Freischärler überschritten mit Unterstützung der regulären Armee die thessalische Grenze, aber die beiden Westmächte England und Frankreich duldeten keinen Gegner im Rücken der türkisch-russischen Auseinandersetzung und zwangen durch Blockade und Besetzung des Hafens Piräus Griechenland, seine Ambitionen zurückzustecken. Dieser Mißerfolg wurde von der öffentlichen Meinung der Zaghaftigkeit des Herrschers zugeschrieben, griechische Parteiführer setzten zunehmend auf eine außenpolitische Orientierung nach den Westmächten, während man angesichts der Kinderlosigkeit des Königs befürchtete, er werde einen russischen Prinzen adoptieren. Wiederum fand der Unmut der Politiker den bewaffneten Arm der Armee und am 10. Oktober 1862 wich König O. vor einem Staatsstreich kampflos ins Ausland aus. Er dankte zwar formell nicht ab, aber die Zeit ging mit der Neuwahl des dänischen Prinzen Wilhelm als König Georg I. über seinen Rechtsvorbehalt hinweg. O. war sicherlich kein überragender Herrscher, aber an seiner Liebe zu dem griechischen Volke, das er auf zahlreichen Reisen über Land sehr gut kennengelernt hatte und dessen Sprache er vollkommen meisterte, hielt er bis zu seinem Tode unerschütterlich fest. Allein die Tatsache, daß er 30 Jahre lang sich auf dem Thron in Athen hatte behaupten können, hatte seinem Staate Stabilität verliehen. Die gewaltigen Schwierigkeiten nach dem Ende des Freiheitskrieges, der so viel an Substanz vernichtet hatte, im Spannungsfeld fremder Machtinteressen und angesichts der fehlenden Reife der Führungsschicht hätten wohl auch einem bedeutenderen Manne nur geringe Chancen geboten, größere Erfolge für Hellas zu verbuchen.

Literatur

Thouvenel, L.: La Grèce du roi Othon. Paris 1890.
Evangelidis, Trifon E.: Istoria tu Othonos, vasilevs tis Ellados. Athen 1893.
Bower, Leonard u. Gordon Bolitho: Otho I. king of Greece. A biography. London 1939.
Gugelweid, Alois: Die Thronbesteigung Ottos von Griechenland. (Diss.) Würzburg 1950.
Skandamis, Andreas: Selides politikis istorias ke kritikis. Bd I/l: I triakontaetia tis vasilias Othonos 1832-1862. Athen 1961.
Jelavich, Barbara: Russia and the Greek revolution of 1843. München 1966.
Petropulos, John A.: Politics and statecraft in the kingdom of Greece 1833-1843. Princeton 1968.
Seidl, Wolf: Bayern in Griechenland. Die Geschichte eines Abenteuers. München 1965, 1970(2).

Verfasser

Gerhard Grimm (GND: 13735374X)

Empfohlene Zitierweise: Gerhard Grimm, Otto I., König von Griechenland, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 373-375 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1491, abgerufen am: 23.11.2024