Şaguna, Andreiu, Bischof der rumänisch-orthodoxen Kirche in Siebenbürgen 1848-1873, * Miskolc (Komitat Borsod) 01.01.1809, † Hermannstadt (Sibiu) 28.06.1873.
Leben
Ş., der einer frommen mazedo-rumänischen Kaufmannsfamilie entstammte, studierte Philosophie und Jura in Pest, danach ab 1829 Theologie in Werschetz (Vršac). Am 1. November 1833 wurde er zum Priester geweiht. Danach diente er in der serbischen Kirchenprovinz Karlowitz, ab 1835 als Konsistorialsekretär für rumänische Kirchenangelegenheiten bei Metropolit Stefan Stratimirović. Nach dem Tode von Bischof Vasile Moga wurde er am 27. Juni 1846 Vikar der rumänisch-orthodoxen Kirche in Siebenbürgen. Zwei Jahre später, am 30. April 1848, wurde er in der Kathedrale von Karlowitz zum Bischof geweiht. Ş. spielte in der rumänischen Nationalbewegung von 1848/49 eine größere Rolle. Im Mai 1848 war er Präsident der Versammlung von Blasendorf (Blaj) und Hauptsprecher der Rumänen beim Hof in Wien. Im Dezember 1848 ersuchte er den russischen Militärbefehlshaber in der Walachei, General Alexander Lüders, um Hilfe zum Schutz Südsiebenbürgens vor den ungarischen Revolutionsarmeen, und im Frühjahr 1849 unterbreitete er dem Hof zahlreiche Petitionen zur politischen und kirchlichen Autonomie der Rumänen. Zu diesem Zeitpunkt und während seiner ganzen Laufbahn war die Loyalität zur Habsburger Dynastie das Prinzip seiner Politik. Während des Absolutismus der 1850er Jahre widmete sich Ş. in erster Linie kulturellen Arbeiten: einer Reform der kirchlichen Einrichtungen, einer Verbesserung der Stellung des Gemeindeklerus und der Errichtung eines modernen Grund- und Mittelschulsystems. 1850 gründete er die Diözesan-Verlagsbuchhandlung, um billige Gottesdienst- und Schulbücher zu beschaffen, und 1853 die Zeitung „Telegraful Român“, die großen Einfluß auf die öffentliche Meinung der Rumänen hatte. Er setzte auch seinen 1848 begonnenen Feldzug zur Wiederherstellung der rumänisch-orthodoxen Kirchenprovinz Siebenbürgen fort, die im Jahre 1700 nach der Union mit Rom effektiv zu existieren aufgehört hatte. Bei allen diesen Bemühungen mußte er den Widerstand des ultra-katholischen Ministers für Kultus und Unterricht, Graf Leo Thun-Hohenstein, des serbischen Metropoliten Josif Rajačić, der auf der Erhaltung seiner Gerichtsbarkeit über Siebenbürgen bestand, und der rumänischunierten Kirche sowie ihres Metropoliten Alexandru Sterca Şuluţiu (seit 1853), der ängstlich auf die Erhaltung der Vorherrschaft seiner Kirche über die Orthodoxen bedacht war, überwinden. Ş.s Führerschaft wurde auch von einer wachsenden Klasse liberaler Laienintellektuellen angegriffen, die die Vormachtstellung des Klerus in nationalen Angelegenheiten beenden wollten. Während der Zeit des Konstitutionalismus der 1860er Jahre übernahm Ş. wieder die Rolle des politischen Führers seines Volkes. Vom Wiener Hof als solcher anerkannt, vertrat er 1860 die Rumänen Siebenbürgens im Verstärkten Reichsrat und führte 1863/64 die rumänische Delegation auf dem siebenbürgischen Reichstag in Hermannstadt an, der die verfassungsrechtliche Gleichberechtigung des rumänischen Volkes und seiner beiden Kirchen gesetzlich regelte. Am 24. Dezember 1864 erreichte er auch die Wiederherstellung der Kirchenprovinz Siebenbürgen und wurde von Franz Joseph als deren erster Metropolit eingesetzt. Seine Popularität erreichte ihren Höhepunkt, als seine Politik des Vertrauens auf Wien voll gerechtfertigt schien. Bald darauf verschlechterte sich jedoch seine Position aufgrund des österreichisch-ungarischen Ausgleichs 1867. Als Verfechter der Föderalisierung der Monarchie widersetzte er sich dem Ausgleich, weil dieser die Rumänen völlig ignorierte; er drang aber bei seinem Volk trotzdem darauf, innerhalb des neuen dualistischen Systems zu arbeiten. In seinen letzten Jahren verlor er seinen politischen Einfluß größtenteils an die Führer aus der Mittelklasse. Ş. nahm sich neben der Kirchenverwaltung und der Politik auch Zeit, seine Interessen an Kirchengesetz und -geschichte zu verfolgen. So schrieb er die erste allgemeine Geschichte der rumänischen orthodoxen Kirche (Istoria Bisericei Ortodoxe, 2 Bände, Sibiu 1860) und die erste systematische Abhandlung über rumänisches orthodoxes kanonisches Recht (Compendiu de drept canonic, Sibiu 1868). Er nahm sich selbst das Recht, Gesetze zu geben, und schrieb 1868 eine Verfassung, die berühmte „Statutul organic“, für die neue Kirchenprovinz. Maßgeblichen Anteil hatte er auch an der am 6. September 1861 erfolgten Gründung des „Siebenbürgischen Verbandes für rumänische Literatur und die Kultur des rumänischen Volkes“ (Asociaţiunea Transilvană pentru Literatura Română şi Cultura Poporului Român = ASTRA). Ş.s Einfluß auf rumänische Kirchenangelegenheiten und das politische und kulturelle Leben der Rumänen Siebenbürgens war noch lange nach seinem Tode zu spüren.
Literatur
Popea, Nicolae: Archiepiscopul şi Metropolitul Andreiu baron de Şaguna. Sibiu 1879.
Ders.: Memorialul Archiepiscopului şi Metropolitului Andreiu baron de Şaguna sau luptele naţionale-politice ale Românilor, 1846-1873. Bd 1. Sibiu 1889.
Lupaş, loan: Vieaţa şi faptele Mitropolitului Andreiu Şaguna. In: Mitropolitul Andreiu baron de Şaguna. Scriere comemorativă la serbarea centenară a naşterii lui. Sibiu 1909, 1-400.
Tulbure, Gheorghe: Mitropolitul Şaguna. Opera literară. Scrisori pastorale. Circulări şcolare. Diverse. Sibiu 1938.
Hitchins, Keith: Andreiu Şaguna and the Restoration of the Rumanian Orthodox Metropolis in Transylvania, 1846-1868. In: Balkan Studies 6 (1965) 1-20.
Ders.: Andreiu Şaguna and the Rumanians of Transylvania during the Decade of Absolutism, 1849-1859. In: Südost-Forsch. 25 (1966) 120-149.
Ders.: The Rumanians of Transylvania and the Ausgleich, 1865-1869. In: Der österreichisch-ungarische Ausgleich 1867. Bratislava 1971, 860-896.
Ders.: Andreiu Şaguna and Joseph Rajačić: The Romanian and Serbian Churches in the Decade of Absolutism. In: Rev. Ét. sud-est europ. 10 (1972) 3, 567-579.
Ders.: Orthodoxy and Nationality. Andreiu Şaguna and the Rumanians of Transylvania, 1846-1873. Cambridge, London 1977 (mit Bibliographie).
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