Sava I. (weltlicher Name Rastko Nemanjić), serbischer Erzbischof 1219-1233, Heiliger der serbisch-orthodoxen Kirche, * um 1174, † Tŭrnovo 14.(?)01.1235(?), jüngster Sohn Stefan Nemanjas.
Leben
In den beiden von Teodosije und Domentijan verfaßten Viten S.s (hrsg. von Djura Daniele, Belgrad 1860, 1865), die fast die einzigen Quellen zu seiner Biographie sind, wird berichtet, daß S. für kurze Zeit das Gebiet Hum in Verwaltung hatte. Bald jedoch sei er, von der Liebe zum Mönchsleben ergriffen, aus Serbien geflohen und auf dem Athos Mönch geworden. Diese fromme Legende könnte auch, so eine auf undeutlichen Indizien beruhende Hypothese, einen Versuch S.s verschleiern, in der Zeit serbisch-byzantinischer Spannungen mit Hilfe der Byzantiner seine Prätentionen auf den serbischen Thron zu verwirklichen. Der Friedensschluß von 1191 zwischen Stefan Nemanja und Isaak II. Angelos hätte den fähigen und ehrgeizigen Jüngling dann gezwungen, Asyl auf dem Athos zu suchen und, als ein Greiftrupp seines Vaters dort seine Auslieferung verlangte, Mönch zu werden, um der Strafe seiner Familie zu entgehen. Nach seiner Abdankung kam Nemanja 1197 als Mönch Simeon auf den Athos, um sich mit seinem Sohn zu versöhnen. Beide beschlossen, ein serbisches Athoskloster zu gründen. Dank der familiären Verbindungen zum byzantinischen Kaiserhaus (S.s Bruder Stefan Nemanjić hatte die Nichte Isaaks II., Eudokia Angela, geheiratet) gelang es S., für das zu gründende Hilandar weitgehende Autonomie und Immunität zu erlangen. Mit Hilfe umfangreicher Geldmittel aus dem serbischen Reichsschatz konnte S. das Kloster neu errichten, reich ausstatten und mit Grundbesitz wirtschaftlich sichern. Etwa bis 1206/1207 verblieb S. auf dem Athos, teils in Hilandar, teils in seiner Einsiedelei in Kariäs. Dann kehrte er auf Wunsch seiner Brüder mit den Gebeinen Nemanjas nach Serbien zurück, um durch die Autorität der Reliquien des Vaters den Streit zwischen seinen Brüdern Vukan und Stefan Nemanjić um den Thron sowie um die westliche oder östliche kirchenpolitische Orientierung Serbiens beizulegen. Mit der translatio reliquiarum in das Kloster Studenica setzte die bewußte Pflege des Ahnen- und Heiligenkults Nemanjas ein, wovon das Typikon von Studenica, dem S. eine Biographie seines Vaters voranstellte, Zeugnis ablegt. In den folgenden Jahren residierte S. in Studenica und half seinem Bruder, dem Großzupan Stefan, in der unsicheren politischen Situation auf dem Balkan das Reich zu erhalten und zu festigen. Um 1217 siedelte S. wieder nach Hilandar über, augenscheinlich in der Absicht, Verhandlungen zur Erlangung kirchlicher Autonomie einzuleiten. In kluger Beurteilung der Lage wandte sich S. an das Patriarchat in Nikäa, das die Bedeutung dieses Schrittes erkannte und S. 1219 zum Erzbischof der serbischen Kirche weihte. Damit wurde Serbien aus der Jurisdiktion des Erzbistums Ohrid herausgenommen, was einen Protest und die Androhung der Exkommunikation durch den Erzbischof von Ohrid, Demetrios Chomatianos, zur Folge hatte. Die kanonistisch anfechtbare Erhebung S.s zum Erzbischof war zweifellos eine politische Entscheidung und zugleich ein großer politischer Erfolg der Serben, der gemeinsam mit der Erlangung der Königskrone durch Stefan Nemanjić 1217 die Grundlage für die weitere Entwicklung des Reiches legte. Nach Serbien zurückgekehrt, organisierte S. die selbständige serbische Kirche, richtete das neuerbaute Kloster Žiča zur erzbischöflichen Residenz ein und überzog das Land mit einem Netz von Bischofssitzen. Dabei entfernte er den griechischen Bischof von Prizren und setzte einen Serben ein, was als Zeichen bewußt nationaler Kirchenpolitik angesehen worden ist, aber auch nur die Einsetzung eines treuen Gefolgsmannes in dieser wichtigen Stadt bedeutet haben konnte. Wie sich die streng orthodoxe Ausrichtung S.s mit den römischen Verbindungen König Stefans Nemanjić vertrug, läßt sich nicht mehr bestimmen. Wahrscheinlich haben beide Brüder pragmatisch den Vorteil für ihr junges Reich gesucht und zu beiden christlichen Metropolen gute Beziehungen gepflegt, ohne sich durch dogmatische Unterschiede festlegen zu lassen. Nach dem Tode König Stefans (1228 ?), den S. noch auf dem Totenbett zum Mönch geschoren haben soll, krönte S. dessen ältesten Sohn Radoslav zum serbischen König. Radoslav, Sohn einer griechischen Kaisertochter, fühlte sich als Grieche und erneuerte die Verbindungen zum Erzbischof von Ohrid. Vielleicht ist darin der Grund für die lange Reise S.s nach Palästina und anderen Stätten des Orients zu sehen. Es wird angenommen, daß die Reise auch den Zweck hatte, in Nikäa zu erreichen, daß der serbische Erzbischof nicht vom Patriarchen, sondern vom Synod der serbischen Bischöfe eingesetzt wird. 1234 (?) war König Radoslav durch seinen Bruder Vladislav gestürzt worden. Welchen Standpunkt S. in dieser Angelegenheit vertrat, ist nicht genau bekannt, jedoch krönte er Vladislav und legitimierte damit die Usurpation. Zur gleichen Zeit übergab S. seinem Schüler Arsenije (I.) die Würde des Erzbischofs und begab sich ein zweites Mal über Süditalien nach Palästina. Ob S. an der Errichtung des bulgarischen Patriarchats 1235 diplomatisch mitgewirkt hat, ist umstritten, aber nicht unwahrscheinlich. Den Rückweg nahm S. über Konstantinopel, Nesebar und Tŭrnovo. Hier zwang ihn eine Krankheit, mit kleinem Gefolge zu überwintern. Er starb in Tŭrnovo im Januar (13. oder 14.) 1235 oder 1236. S. war der erste serbische Schriftsteller und zugleich Begründer der serbischen Buchkultur. Sein geistiger Horizont war durch die kulturelle Vielfalt des Athos geformt worden; deshalb, weil hier der unmittelbare Kontakt nicht nur zur byzantinischen, sondern auch zu den älteren slawischen Kulturen der Bulgaren und Russen vorhanden war, richtete S. für die folgenden Generationen das Athoskloster Hilandar als Ausbildungsstätte des kirchlichen Nachwuchses ein. Die als sicher geltenden Werke und Übersetzungen S.s sind: Die Typika der Klöster Hilandar, Kariäs und Studenica, die Gründungsurkunde von Hilandar, Vita und Offizium Nemanjas, der slawische Nomokanon der Sava-Redaktion und ein Brief aus Palästina an den Abt von Studenica. Als kultureller Initiator hat S. auch der kirchlichen Kunst in Serbien Impulse gegeben. Man wird annehmen können, daß nicht nur Studenica, wo es inschriftlich bezeugt ist, sondern auch Žiča und Mileševa ihre Gestaltung zum guten Teil S. verdanken. Dabei scheint S. sich nicht auf die Anwerbung griechischer Künstler und den Import von Kunstgegenständen (Reliquiare usw.) beschränkt, sondern eigene Schreib-, Mal- und andere Werkstätten gefördert zu haben. S. hat für Serbien eine autokephale Kirche aushandeln können, deren innere Struktur er dann für Jahrhunderte vorausbestimmte. Vor die Aufgabe gestellt, in einem Lande mit wenig entwickeltem Städtewesen eine kirchliche Administration aufzubauen, hat S. die Bischofssitze an die Klöster gebunden. Das erwies sich in der Zeit der Türkenherrschaft als lebenswichtiges Element der serbischen Nationalkirche. Mit Hilfe der neu übersetzten kirchlichen Gebrauchsliteratur gab S. dem religiösen Leben eine tragfähige Grundlage. Das Bild eines energischen und weltgewandten Kirchenführers wird von Demetrios Chomatianos in seinem Brief an S. bestätigt. Er warf S. vor, er habe sich von der Vaterlandsliebe aus einem Asketen in einen Staatsmann und Diplomaten verwandeln lassen, zöge auf edlen Rossen in prächtiger Gefolgschaft einher und nehme an Gastmählern teil. Gleichwohl kann S. tiefe Frömmigkeit sicherlich nicht abgesprochen werden. Das Typikon der Einsiedelei in Kariäs zeigt in seinen strengen Anforderungen, welches Maß S. an seine eigene Askese legte. Wesentlicher Bestandteil der historischen Wirksamkeit S.s ist sein Nachleben im Heiligenkult. Bereits unmittelbar nach seinem Tod, wahrscheinlich mit der 1237 erfolgten Überführung seiner Gebeine aus Tŭrnovo in das Kloster Mileševa verknüpft, erscheint das erste Fresko-Porträt mit Nimbus. Seither dürfte keine serbische Kirche ohne sein Bild, sei es Fresko oder Ikone, geweiht worden sein. Die erste Phase des S.-Kultes reicht bis 1594, als Sinan Pascha die Reliquien S.s aus Mileševa nach Belgrad bringen und öffentlich verbrennen ließ. Neuen Aufschwung erlebte dieser Kult im Zusammenhang mit der nationalen Bewegung des 18. Jh.s. Ab 1775 galt S. durch Erlaß Maria Theresias als durch ganztägige Arbeitsruhe zu feiernder Patron der Serben im Habsburgerreich. Im neuserbischen Staat wurde 1827 der Sava-Kult als auch für orthodoxe Nicht-Serben verbindlich erklärt. Gemeinsam mit dem Vidovdan war der 14. Januar (a. St.) bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges staatlicher und kirchlicher Hauptfeiertag der Serben. Die überkirchliche Bedeutung des S.-Kultes wurde schon im Spätmittelalter darin deutlich, daß Ban Tvrtko I. von Bosnien sich 1377 am Grabe S.s zum König krönen ließ. 1448 nahm der Großwoiwode Stefan Vukčić Kosača den Titel „Herzog vom heiligen Sava“ (dux Sancti Save) an. Beide Symbolhandlungen zeigen, daß S. über die engeren Grenzen der serbischen Orthodoxie hinaus zum Garanten herrscherlicher Legitimität geworden war.
Literatur
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Svetosavski zbornik. 2 Bde. Beograd 1936/39.
Matl, Josef: Der heilige Sawa als Begründer der serbischen Nationalkirche. In: Kyrios 2 (1937) 23-37. [Wiederabgedruckt in: Matl, Josef: Südslawische Studien. München 1965, 32-44].
Radojčić, Nikola: Sveti Sava i avtokefalnost srpske i bugarske crkve. In: Glas SA 179 (1939) 177-258.
Schmaus, Alois: Die literarhistorische Problematik von Domentijans Sava-Vita. In: Slawistische Studien zum 5. internationalen Slawistenkongreß in Sofija 1963. Göttingen 1963, 121-142. [Wiederabgedruckt in: Schmaus, Alois: Gesammelte slavistische und balkanologische Abhandlungen. Bd2. München 1973, 102-121].
Hafner, Stanislaus: Serbisches Mittelalter. Altserbische Herrscherbiographien. Bd 1: Stefan Nemanja nach den Viten des hl. Sava und Stefans des Erstgekrönten. Graz, Wien, Köln 1962, 1972(2). = Slavische Geschichtsschreiber. 2.
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Kämpfer, Frank: Warum und wie wurde der Fürstensohn Rastko zum Mönch Sava? (Anläßlich des 750. Jahrestages der Weihe Savas zum Erzbischof). In: Pril. Knjiž., Jezik, Ist. i Folklor 35 (1969) 77-81.
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