Stoilov, Konstantin, bulgarischer Staatsmann, Führer der konservativen „Volkspartei“, * Plovdiv (Philippopel) 23.09.1853, † Sofia 23.03.1901.
Leben
St. entstammte einer Čorbadži-Familie, war Zögling des Robert-Colleges in Istanbul und studierte Jura, hauptsächlich in Heidelberg, wo er 1877 den Doktorgrad erwarb. 1879 wurde er Beamter des Fürstentums Bulgarien und Mitglied der verfassunggebenden Versammlung in Tŭrnovo. Schon damals erwies er sich als glänzender Redner und als einer der gebildetsten Politiker der Konservativen. St. stand an der Spitze der Deputation, die dem Fürsten Alexander von Battenberg die bulgarische Krone anbot. Er wurde Privatsekretär, dann Kanzleichef des Fürsten. Von Januar bis März 1883 war er Außen- und Kultusminister im Kabinett des russischen Generals Leonid N. Sobolev, wirkte dann aber an der Beseitigung des russischen Einflusses und an der Versöhnung der bulgarischen Parteien mit, die zum Rücktritt der russischen Generäle führte. Von September 1883 bis Januar 1884 war er Justizminister im Kabinett Dragan Cankov und nach Abdankung des Fürsten Alexander (September 1886) im Kabinett Vasil Radoslavov . Im Dezember 1886 begab sich St. mit einer Sobranje-Deputation erneut auf Fürstensuche und besorgte als Ministerpräsident (28.06.-20.08.1887) zusammen mit dem Regenten Stefan Stambolov am 6. Juli 1887 die einstimmige Wahl des Prinzen Ferdinand von Sachsen-Coburg zum Fürsten von Bulgarien. Nach der Thronbesteigung des Prinzen wurde St. Justizminister im liberalen Kabinett Stambolov, trat jedoch im Oktober 1888 zurück und wurde zum Haupt der konservativen Opposition. Während er als Justizminister für die Anwendung des strengen Pressegesetzes vom Dezember 1887 sorgte, setzte er sich nun als Advokat und Oppositionsführer für weiteste Pressefreiheit ein. Als Stambolov 1893 sein autoritäres Regime lockerte, verbündete sich St. mit den Radoslavov-Liberalen und startete - mit dem Fürsten Ferdinand in Kontakt stehend - eine hemmungslose Kampagne gegen die Regierung. Dabei diente ihm seine Zeitung „Svobodno Slovo“ (Freies Wort) als Forum.
Nachdem der ehrgeizige Ferdinand sich seines „starken Mannes“ Stambolov entledigt hatte, ernannte er St. zum Ministerpräsidenten (01.06./ 18.05.1894). Der zunächst nur vom Vertrauen des Fürsten abhängige Regierungschef organisierte im Juni 1894 als Resonanz für seine politische Arbeit die konservativen Kräfte erstmals in einer politischen Partei - in der „Narodnapartija“, auch „Narodnjaška partija“ (Volkspartei). Sein sich aufgeklärt gebendes Parteiregime stand an Willkür und Korruption kaum hinter dem harten Regiment Stambolovs zurück. „Zur Zeit Stambulovs habe es einen Tyrannen gegeben, jetzt gebe es deren Unzählige“, klagte der österreichisch-ungarische Generalkonsul Stefan von Burián. Die Parteigänger Stambolovs wurden - vielerorts unter blutigen Ausschreitungen - aus ihren Ämtern vertrieben; Stambolov selbst wurde auf offener Straße ermordet (Juli 1895). Unglaubliche Mißstände bürgerten sich ein, so daß das Ansehen St.s als „einziger wirklicher Europäer in Bulgarien“ bald verspielt war.
Obwohl St. seinem Wesen nach zum „Westen“ tendierte, betrieb er auf Wunsch Ferdinands und unter dem Druck der Öffentlichkeit die Aussöhnung mit Rußland; diese Politik brachte im Februar 1896 dem Fürsten die ersehnte Anerkennung durch die Großmächte ein. Wegen ihrer unsicheren Stellung wagte die Regierung St. es nicht, die kluge, aber unpopuläre Verständigungspolitik Stambolovs mit der Türkei fortzusetzen und duldete statt dessen eine 1894/95 kräftig einsetzende mazedonische Freischärler-Bewegung, die auf den Unwillen der Großmächte stieß.
Nach dem Rücktritt seiner Regierung am 13. Januar 1899 zog sich der kränkelnde St. gänzlich aus der Politik zurück und starb im Jahre 1901.
Literatur
Plačkov, Ivan P.: Dr. Konstantin Stoilov. Život i obštestvena dejnost. Sofija 1930.
Hajek, Alois: Bulgariens Befreiung und staatliche Entwicklung unter seinem ersten Fürsten. München, Berlin 1939.
Arnaudov, Michail: Konstantin Stoilov i bŭlgarskata ekzarchijav 1882 g. Sofija 1941. = God.Sof.Univ., ist.-filol. Fak. 37/11.
Königslöw, Joachim von: Ferdinand von Bulgarien. München 1970.
Dimitrov, Ilčo: Knjazŭt, konstitucijata i narodŭt. Sofija 1972.
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