Bartenstein, Johann Christoph Freiherr von, österreichischer Staatsmann, * Straßburg 23.10. 1690, † Wien 6.08.1767.
Leben
B. studierte die Rechte und Geschichte in Straßburg, wo sein Vater und sein Großvater mütterlicherseits, Artopäus, sowie zwei seiner Onkel Professoren waren. In einer Dissertation (1709) rechtfertigte er im protestantischen Sinne den Krieg Moritz‘ von Sachsen gegen Karl V. In Paris arbeitete B. bei den Benediktinern von Saint-Maur, den Begründern der Urkundenwissenschaft. Mit Empfehlungsschreiben Montfaucons an den Präfekten der Hofbibliothek Gentilotti und Massuets an den gelehrten Melker Benediktiner Bernhard Petz kam er 1714 nach Wien, wo er für die Mauriner 295 Blätter einer griechischen Origenes-Handschrift abschrieb. Von Hofkanzler Seilern gefördert trat er 1715 in den Staatsdienst und konvertierte. 1727 wurde er Staatssekretär und Protokollführer der Geheimen Konferenz. Zum regelmäßigen Vortrag zu Karl VI. bestellt, gewann er dessen uneingeschränktes Vertrauen. Während 20 Jahren galt B. als Leiter der auswärtigen Angelegenheiten, die Staatskanzler Ulfeld nur dem Namen nach führte. Von der öffentlichen Meinung für die Kriege 1734-1735, 1737-1739, 1740-1748, den Verlust von Neapel und Sizilien, Belgrad und Schlesien verantwortlich gemacht, erscheint doch seine Politik als die unter den gegebenen Umständen bestmögliche. Vom alten Adel als Emporkömmling betrachtet, erhielt er sich in seiner Machtstellung dank seiner überlegenen Geistes- und Arbeitskraft. Maria Theresia behielt, von Gundacker Starhemberg beraten, ihn im Dienst. Nach Jahren schrieb die Kaiserin, „daß Ihme allein schuldig die Erhaltung der Monarchie; ohne Seiner wäre alles zu Grund gegangen“. Er bestärkte Maria Theresia 1741, unnachgiebig gegen Preußen zu sein. Die Breslauer Präliminarien wurden gegen seinen Rat geschlossen. England vereitelte die Absicht, in Bayern den Ersatz für Schlesien zu finden. B. sah voraus, daß dadurch die Vorherrschaft in Deutschland mit der Zeit an Preußen übergehen werde. Das renversement des alliances ging gleichzeitig von B., Kaunitz und dem Pariser Gesandten Georg Starhemberg aus. Als 1753 Kaunitz den Staatskanzler Ulfeld ablöste, wurde B. (zwei Pfeifer taugen nicht in einem Wirtshaus, wie Kaunitz meinte) Vizekanzler beim „Directorium in publicis et cameralibus“ (später böhmische Hofkanzlei). Gleichzeitig warnte er als Präsident der „Hofdeputation in Illyricis et Banaticis“ vor der Unterdrückung der Serben und Walachen in Ungarn, „wo man es hochlich aber zu spät zu bereuen Ursach haben dörffte“.
Das „Haus-, Hof- und Staatsarchiv“ verdankt B. seine Einrichtung. Für den Unterricht Josephs II. ließ er geschichtliche Kompendien und Einzeldarstellungen der Kronländer verfassen. Böhmen bearbeitete er selbst (1759).
1719 in den Ritter-, 1733 den Reichsfreiherrnstand erhoben, 1764 Commandeur des Stephansordens, starb B., in seinen letzten Jahren durch Schlaganfälle auch geistig geschwächt, im Alter von 77 Jahren. Aus der 1725 mit Cordula von Doblhoff geschlossenen Ehe stammten zwei Söhne und drei Töchter. Zu seiner reichen Erbschaft gehörten die niederösterreichischen Herrschaften Rastenberg, Ebreichsdorf und Raabs.
Literatur
Arneth: passim. Ders.: Johann Christoph Bartenstein und seine Zeit. Wien 1871.
Braubach, Max: Eine Satire auf den Wiener Hof aus den letzten Jahren Karls VI. In: Mitt. Inst. österr. Gesch.-Forsch. 53 (1939) 21-78.
Walter, Friedrich: Männer um Maria Theresia. Wien 1951 (mit Bibliographie).
Braubach, Max: Johann Christoph Bartensteins Herkunft und Anfänge. In: Mitt. Inst. österr. Gesch.-Forsch. 61 (1953) 99-149.
Hrazky, Josef: Johann Christoph Bartenstein, der Staatsmann und Erzieher. In: Mitt. österr. Staatsarch. 11 (1958) 221-251.
Benna, Anna Hedwig: Der Kronprinzunterricht Josefs II. in der inneren Verfassung der Erbländer und die Wiener Zentralstellen. In: Mitt. österr. Staatsarch. 20 (1967) 115-179.
Empfohlene Zitierweise: Heinrich Benedikt, Bartenstein, Johann Christoph Freiherr von, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 140-141 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=519, abgerufen am: 23.11.2024
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