Bektaş, Hacı, halblegendärer türkischer Heiliger, der z. Z. des Sultans Murad I. in Anatolien gelebt hat und dort gestorben sein soll.
Leben
Der Heilige hat für Südosteuropa insofern Bedeutung, als ihn der Bektaşi-Orden sich als Namenspatron gewählt hat. Von einer Gründung des Ordens durch diesen Heiligen kann nicht die Rede sein, zudem der türkische Gelehrten- und Scheichbiograph Taşköprüzâde (16. Jh.) ausdrücklich betont, die Bektaşis hätten sich unberechtigterweise nach ihm benannt.
Die Anfänge des Bektaşi-Ordens liegen noch im Dunkeln. Zu einer endgültigen Form scheint er erst Anfang des 16. Jh.s gefunden zu haben. In seinem Ideengehalt ein Kunterbunt islamischer, christlich-sektiererischer, sowie aus vorislamischen Zeiten stammender, über mancherlei islamische Sektenbewegungen überkommener Ideen und Vorstellungen, ist der Bektaşi-Orden vom Standpunkt der orthodox-islamischen Lehre als sehr heterodox anzusprechen. Er fand in den Kernländern des Osmanischen Reiches eine überaus große Verbreitung. Seine christianisierenden Bestandteile mochten den Orden als besonders geeignet für die Betreuung der aus Christenkindern rekrutierten Janitscharen erscheinen lassen. Als Feldprediger der Janitscharen-Truppe erlangten die Bektaşi großen Einfluß bei der Truppe, steckten aber auch häufig hinter deren zahlreichen Unruhen und Meutereien. Bei der Janitscharen-Liquidierung 1826 ging ein schweres Strafgericht auch über den Orden nieder.
Das Stammkloster des Ordens lag im anatolischen Seyyid Gâzi, doch hatte der Orden auch zahlreiche Niederlassungen in den südosteuropäischen Teilen des Osmanischen Reiches. Seit der Mitte des 17. Jh.s war der Orden besonders im albanischen Gebiete sehr verbreitet, wo sich ganze Landstriche zu ihm bekannten und der Orden bereits den Charakter einer Sekte annahm (in den letzten Jahren in Albanien verboten, in der Türkei seit 1925). Neben dem Orden der Tanzenden Derwische hat der Bektaşi-Orden den türkischen Volksislam weitgehend geprägt, wenn auch der Orden bei streng Orthodoxen in einem gewissen Verruf stand. Viele Vorwürfe gegen den Orden dürften jedoch stark übertrieben sein. Die freie Stellung der Frau in Bektaşi-Kreisen führte zur Verdächtigung von Unzucht und Orgien. Auf ähnlicher Linie lagen die Verdächtigungen, die aus der Toleranz des Ordens gegenüber Alkohol und verschiedenen islamischen Reinheitsvorschriften stammten.
Die Bektaşi-Literatur erweist sich als eine teilwese sehr innig empfundene Lyrik auf sûfischer Grundlage. Der Orden hat weitgehend als Auffangbecken für alle mögliehen unorthodoxen Bestrebungen gedient, so daß es nicht ausgeschlossen erscheint, daß vielleicht die Formierung des Ordens mit dem Bestreben zusammenhing, die unorthodoxen Bewegungen besser in den Griff zu bekommen. Bemerkenswert ist die Usurpierung altosmanischer Glaubenskämpfer, ehemals christlicher Heiliger und sogar gelegentlich antiker Gestalten für den Heiligenhimmel des Ordens, der hier eine stark synkretistische Wirkung aufweist. Die Sympathie zwischen dem Orden und den Ra'âyâ hat hier mit ihre Wurzel.
Literatur
Jansky, Herbert: Neuere Literatur über den Bektaschi-Orden. In: Orient. Lit. Ztg. 29 (1926) 553-559.
Schaeder, H. H.: Zur Stifterlegende der Bektaschis. In: Orient. Lit. Ztg. 31 (1928) 1038-1057.
Babinger, Franz: Das Bektaschikloster Demir Baba. In: Mitt. Sem. Orient. Sprachen 34 (1931) 84-93.
Birge, John Kingsley: The Bektashi Order of Derwishes. London 1937.
Gölpınarlı, Abdûlbaki: Vilâyetnâme. Istanbul 1958.
Pearson, J. D.: Index Islamicus 1906-1955. Cambridge 1958, 79, Nr. 2581-2600.
Kissling, Hans Joachim: Aus dem Derwischwesen Südosteuropas. In: Grazer und Münchener Balkanologische Studien. München 1967, 56-70. = Beiträge zur Kenntnis Südosteuropas und des Nahen Orients. 2.
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