Beron, Petŭr

GND: 121400697

Beron, (Hadži Berov, auch Berovič), Petŭr, bulgarischer Aufklärer, Gründer des modernen bulgarischen Schulwesens, Arzt, Naturphilosoph, * Kotel um 1799, † Craiova 21.03.1871, Sohn des Kaufmanns Hadži Atanas Berov.

Leben

Nach Abschluß der bulgarischen und der griechischen Elementarschule in Kotel und der Lehrlingszeit als Schneider gelangte B. über Varna nach Bukarest, wo er mit etwa 17 Jahren der „Hellenischen Schule“ („Beg-Akademie“), geleitet von dem griechischen Gelehrten und Pädagogen Konstantin Vardalach, beitreten konnte. Seinen Lebensunterhalt verdiente er währenddessen durch Privatunterricht bei Kindern vermögender bulgarischer Emigrantenfamilien. Diese Ausbildung sowohl in griechischer Philosophie wie zugleich in den Grundbegriffen der neuzeitlichen Naturwissenschaften und humanistischer Disziplinen bestimmte B.s spätere Entwicklung.
Seine nationalen Ideale und die privaten pädagogischen Studien während der Unterrichtsarbeit führten ihn zu der Ansicht, daß nur eine Förderung des Schulwesens und zunehmende Aufklärung und Bildung des bulgarischen Volkes die Voraussetzungen zu einem erfolgreichen Befreiungskampf schaffen können. Aus dieser Überzeugung heraus entstand 1824 seine berühmte „Fisch-Fibel“ (Riben Bukvar), so genannt nach dem Delfin-Bild auf dem Umschlag des Buches, mit dem er (anstatt eines damals üblichen Heiligenbildes) den naturwissenschaftlichen Charakter der Bildungsanfänge demonstrieren wollte. Die Finanzierung und Verbreitung der „Fisch-Fibel“ durch B. selbst und mit Hilfe anderer Aufklärer in Tausenden von Exemplaren (es sind über 5 Auflagen des Buches erschienen) führte bald zur Ablösung der veralteten Unterrichtspraxis in den „Zellenschulen“ („Kilijni učilišta“) der Klöster und Kirchen durch die neuen Unterrichtsmethoden. Seit Ende der 20er Jahre des 19. Jh.s wurden überall in Bulgarien Schulen gegründet, Lehrer ausgebildet und durch Geldmittel von Emigranten das Erziehungswesen gefördert. Insbesondere seien das von B. gestiftete und nach ihm benannte „Bulgarische Knabengymnasium“ in Adrianopel (1858) und die von ihm geförderten ersten Mädchenschulen erwähnt.
Die pädagogischen Grundideen der „Fischfibel“ standen im inneren Zusammenhang mit den späteren philosophischen Auffassungen B.s. In Anlehnung an die griechische Philosophie, insbesondere an Aristoteles, stellte er ein dreiteiliges pädagogisches System auf, das mit der Pflege und Kräftigung des somatischen Teils begann; deshalb führte er bereits damals Gymnastik als wichtiges Schulfach ein. Den zweiten Teil der pädagogischen Arbeit nannte er „Pädeutik“, womit tierische Anlagen und Leidenschaften im Menschen bekämpft und seelische Ausgeglichenheit erreicht werden sollte. Die eigentliche geistige Bildung und die Schaffung eines reichhaltigen „Mikrokosmos“ im Menschen, dessen Ideen der Lebensentfaltung dienen, bezeichnete B. als „Didaktik“.
Während seines 1826 in Heidelberg begonnenen, darauf an der Münchener Universität fortgesetzten Studiums, das er 1831 mit einer medizinisch-gynäkologischen Dissertation abschloß, begeisterte er sich für die deutsche und westliche Philosophie, wobei Schellings Vorlesungen zur Naturphilosophie maßgebend auf ihn wirkten. Durch nähere Kontakte mit russischen und tschechischen Studenten steigerte sich seine Vorliebe für die damals heftig diskutierte slawophile Ideologie, die ihn dazu bestärkte, der vermeintlichen „Krise“ der westlichen Wissenschaft und Philosophie seine „Slawische Philosophie“ (Prag 1855) entgegenzustellen, worin die Anfänge seiner späteren Werke gelegt sind. Nach kurzer ärztlicher Praxis in Craiova (Rumänien) widmete er sich einem großkaufmännischen Unternehmen, wodurch er zu mehr Geld gelangte und in die Lage versetzt wurde, das Bildungswerk in Bulgarien und von nun an auch sein Leben und Wirken als Privatgelehrter im Westen zu finanzieren. Während seines 20jährigen Aufenthaltes in Paris, wo er häufig zu wissenschaftlichen Vorträgen auch bis nach London und Athen eingeladen wurde, schrieb er sein großes „Panepystème“ (über 10 Bände), durch das er die Wissenschaft auf ganz neue Grundlagen gestellt zu haben glaubte. Trotz des spekulativen Charakters seiner Folgerungen und einzelner pseudowissenschaftlicher Ausgangspunkte erwies sich dieses noch unerforschte Gesamtwerk zumindest wissenschaftsgeschichtlich als bedeutungsvoll.
Die finanzielle Vorsorge B.s zur Finanzierung der Befreiungs- und Aufklärungsarbeit auch nach seinem Tode brachte ihm ein vorzeitiges, grausames Ende: Bei einem fiktiven Verkauf seiner Besitzungen, durch den sein Vermögen dem Bulgarischen Befreiungskomitee vermacht werden sollte, wurde er von einem Partner ausgespielt und kurz vor dem Gerichtsprozeß, in dem seine Rechte geklärt werden sollten, erdrosselt in seinem Haus aufgefunden.

Literatur

Bŭčvarov, Michail: Mirogledŭt na d-r Petur Beron. Varna 1961.
Petŭr Beron: Izsledvanija i materiali. Sofija 1962 (mit Bibliographie).
Schischkoff, Georgi: Peter Beron (1798-1871). Forscherdrang aus dem Glauben an die geschichtliche Sendung der Slawen. Meisenheim/Glan 1971. = Monographien zur philosophischen Forschung. 87. (mit Bibliographie).

Verfasser

Georgi Schischkof (GND: 117277150)

Empfohlene Zitierweise: Georgi Schischkof, Beron, Petŭr, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 189-190 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=563, abgerufen am: 25.11.2024