Borié, Egyd Valentin Freiherr von, kaiserlicher Staatsmann, * Stockach (Vorderösterreich) 8.11.1719, † Regensburg 20.03.1793.
Leben
B. studierte in Marburg, Ingolstadt und Würzburg, praktizierte dann beim Kammergericht zu Wetzlar und trat in den Dienst von Würzburg, wo er, seit 1749 geheimer Referendar, sich als Förderer der Agrikultur und Manufaktur hervortrat. Von hier wurde er 1760 dank seinen hervorragenden Kenntnissen des Staatsrechts von Kaunitz nach Wien in den Reichshofrat berufen. Noch im Dezember dieses Jahres ernannte ihn Maria Theresia zum Mitglied des neu errichteten Staatsrats. Schon in der ersten Sitzung des in Gegenwart des Kaiserpaares eröffneten Staatsrats beantragte er, die Kompetenz des Staatsrats auf die Kontrolle des Klerus und der Verwaltung der Kirchengüter auszudehnen. Er trat für die Herabsetzung der Gerichtstaxen und Sporteln und die schärfste Bestrafung jeder Art von Korruption ein. In späteren Sitzungen beantragte er, von Kaunitz unterstützt, die Reform der Finanzverwaltung, brachte 1767 mit guter Begründung den Plan des Grafen Zinzendorf zur Errichtung einer „Länderbank“ zu Fall, leitete 1771 die Reform des Robots ein, dessen Wesen und Zweck er in beachtenswerter Weise darlegte.
Auf B.s Initiative sind die bevölkerungspolitischen Maßnahmen der Zeit zurückzuführen. Die Populationistik war für ihn überhaupt der wesentlichste Bereich der Staatsverwaltung. Er förderte nach dem Frieden von Hubertusburg (1763) besonders die Ansiedlungsbewegung nach dem Banat. Mehr als 50 000 süddeutsche Siedler kamen damals nach Südungarn, denen in einer erneuten Siedlungswelle unter der Regierung Kaiser Josephs II. weitere 25 000 Personen folgen sollten. Freiherr Joseph Sonnenfels, dessen Berufung an die Wiener Universität als Professor der Staatswissenschaften B. 1763 erwirkt hatte, lieferte die theoretische Fundierung für diese Bevölkerungspolitik, die zum System und Leitmotiv der Gesamtpolitik erhoben wurde.
1764 wurde B. als bester Kenner des Staatsrechts als 3. böhmischer Wahlbotschafter zum Kurfürstentag in Frankfurt entsandt. Während dem 1. Botschafter Fürst Nikolaus Esterházy die Last der Repräsentation zufiel, hatten der 2. Botschafter Graf Pergen und B. die Aufgabe, die Verschlimmerung der Wahlkapitulation Franz’ I. hintanzuhalten. Es war vor allem B.s Verdienst, die preußischen Zumutungen und Drohungen des Freiherrn von Plotho mit schonungsloser Schärfe abzuwehren, so daß es bei der Königswahl Josephs II. am 27. März 1764 bei der unveränderten Kapitulation blieb. B. erhielt im Mai das Ritterkreuz des Stephansordens. Von 1770 an fungierte er als österreichischer und burgundischer Comitial- und Directorialgesandter bei der Reichsversammlung in Regensburg, zugleich als Stimmführer für Bamberg, Würzburg, Fulda, Dietrichstein und Thurn-Taxis. Der kurböhmische Gesandte Graf Ferdinand Trauttmannsdorff schildert ihn: „Alle Augen sind auf ihn gerichtet, jedermann schmäht gegen seine Tätigkeit und ununterbrochene mühsame Bearbeitung, und dennoch genießt er das allgemeine Ansehen und weiß man seine Gelehrsamkeit wohl zu benutzen, da man in allen zweifelhaften Fällen gleichwohl an ihn um Rat kommt.“ Dazu kommt, daß „sein ihm selbst unbewußter Intolerantismus ihn manchmal verleitet, die empfangenen Weisungen also auszulegen, wie er sie erhalten zu haben wünscht“. 1790 wurde er zum Wirklichen Geheimen Rat mit der Anrede Exzellenz ernannt.
Literatur
Fahnenberg, E. J. K. von: Lebensgeschichte des Erzherzoglich Oesterreichischen Reichstagsgesandten Egid Valentin Felix Reichsfreyherrn von Borié. Wetzlar 1795.
Ranke, Leopold von: Die deutschen Mächte und der Fürstenbund. Deutsche Geschichte von 1780 bis 1790. 2 Bde. Leipzig 1871/72.
Arneth: Bde 7, 9, 10.
Schünemann: Bd 1.
Zöllner: 363.
Aretin, Karl Otmar Freiherr von: Heiliges Römisches Reich 1776-1806. Reichsverfassung und Staatssouveränität. Wiesbaden 1967. = Veröff. Inst. Eur. Gesch. Mainz. 38.
Empfohlene Zitierweise: Heinrich Benedikt, Borié, Egyd Valentin Freiherr von, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 235-237 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=600, abgerufen am: 23.11.2024
|