Čengići

Čengići, ursprünglich wahrscheinlich Čangrlići, Čangrići, Feudaladelsfamilie türkisch-mesopotamischer Herkunft. Ihr Name leitet sich vermutlich von der Stadt Çankırı, nördlich von Ankara, ab, wohin Isfendijar-Bey, der erste namentlich bekannte Čengić, unter Sultan Selim I. mit seiner Familie gezogen war. Um 1553 kam Kara Osman-Bey als Statthalter des Sultans nach Bosnien. Seine drei Söhne erhielten großen Landbesitz im Zagorje (Bezirk Foča) und ließen sich dort nieder. Zahlreiche Mitglieder der Familie zeichneten sich während der Osmanenherrschaft in Bosnien und Herzegowina als leitende Verwaltungsleute und Militärs aus.

Leben

Ali Pascha C., aus dem herzegowinischen Zagorje, † Jurjeve Stijene 17.10. 1663, war zuerst bosnischer Alaybey, wurde aber dann für seine Verdienste im venezianisch-türkischen Krieg 1650 zum Sandschakbey von Herzegowina ernannt. Später war er Sandschakbey von Zvornik, dann wieder von Herzegowina. 1654 griff er, doch ohne Erfolg, Žara (Zadar) an, wobei er die umliegenden Ortschaften zerstörte, und beteiligte sich an der Verteidigung Knins. Von den Venezianern bestochen, unterhielt er während der türkischen Belagerung Cattaros (Kotors) (1657) heimlich Verbindung mit ihnen und enthüllte ihnen eine Verschwörung, die die Auslieferung der Stadt an die Türken zum Ziel hatte. Wenig später wurde er Beylerbey von Bosnien und wurde in dieser Eigenschaft zum Schutz der Stadt Temeschwar an die Donau entsandt. Bei einem Einfall in Kroatien nördlich des Velebit erlitt er am 17. Oktober 1663 bei Jurjeve Stijene eine schwere Niederlage und fand dabei den Tod. Eine umfangreiche Sammlung seiner Briefe in serbokroatischer und türkischer Sprache im Staatsarchiv von Dubrovnik zeugt von seinen freundschaftlichen Beziehungen zur Republik Ragusa. Auch im Volkslied (z. B. Karadžić: Bd 4, Nr. 8 und Hörmann: Bd 2, „Čengić Ali-beg i Biserka, šćerca zadarskog bana) wird er besungen.
Bećir Pascha C., aus dem Zagorje, † Očakov 14.05. 1737, war zuerst Alaybey in der Herzegowina, von 1732 an Sandschakbey mit dem Pascha-Titel von Herzegowina. 1733/34 wurde er zum Schutz der Stadt Kaffa (Feodosija) mit dem bosnischen Heer auf die Krim entsandt. 1736 wurde er zum Oberkommandierenden (Serasker) des bosnischen Heeres ernannt und zum russisch-türkischen Kriegsschauplatz nach Očakov gesandt, wo er im Mai 1737 fiel. Seinen Tod besingt das Volkslied (z. B. „Zli glasi čengićevoj Bećir-pašinici“ aus Hörmann: Bd 2).
Smail Aga Čengić, hoher türkischer Funktionär, * Jelašci (Foča) 1788, † Mletičak (Drobnjak) 1840. Smail Aga wird 1801 als Feudalherr (Zaîm) von Presjenica bei Sarajevo erwähnt, wo seine Vorfahren schon Mitte des 17. Jh.s ein großes Lehen (Zeamet) besaßen. 1809/10 nahm er an den Kämpfen gegen die serbischen Aufständischen teil und wurde dafür 1814 mit dem Rang eines Müsellim von Gacko ausgezeichnet. Durch Heirat und Kauf gelangte er in Lipnik bei Gacko zu umfangreichen Besitz (Çiftlik). Zwischen 1820 und 1830 wurde er Müsellim von Drobnjak und Piva. 1831/32 während der Kämpfe gegen Husein-kapetan Gradaščević stand er mit Ali Pascha Rizvanbegović auf Seiten des Sultans und erhielt 1833 den Ehrentitel eines kaiserlichen Kapıcıbaşi. Während der Herrschaft von Ali Pascha Rizvanbegović, damals schon Wesir von Herzegowina, geriet er als Müsellim nicht selten in Konflikt mit dessen nepotistischer Politik. Als die Grahovljani an der montenegrinischen Grenze sich erhoben und auf türkisches Gebiet Streifzüge zu unternehmen begannen, ging Ali Pascha Rizvanbegović 1836 zum Angriff über. In der Schlacht mit den von den Montenegrinern (unter Führung von neun Petrovići) unterstützten Grahovljani zingelte Smail Aga die Montenegriner mit der türkischen Reiterei ein; es fielen 70 Montenegriner, davon allein 8 Mitglieder des Hauses Petrović. Der Tod der Petrovići, der Verwandten von Bischof Petar II. Njegoš, nötigte die Grahovljani zu erneuter Anerkennung der türkischen Macht. Während der folgenden vier Jahre ließ sich Smail Aga nicht bei den Drobnjaki sehen und trieb auch keine Kopfsteuer (Haraç) ein. Als aber die Nachricht von seiner bevorstehenden Ankunft zu ihnen gelangte, beschlossen die Drobnjaki, ihn zu töten, um sich damit für immer der Kopfsteuer zu entledigen. In diesem Vorhaben wurden sie vom Bischof selbst, der den Tod seiner Verwandten rächen wollte, unterstützt; organisiert wurde der Überfall von dem montenegrinischen Woiwoden Novica Cerović. Als Smail Aga bei den Drobnjaki eintraf, überfielen sie ihn zusammen mit den Moračani aus dem Hinterhalt, töteten ihn und überbrachten seinen Kopf dem Bischof. - „Smail Aga war ein äußerst gerechter und humaner Herr, der seine Raja auf Schritt und Tritt beschützte“; „er zeichnete sich vor allem durch Gelassenheit und Nüchternheit aus und verlor nur selten seine Beherrschung“ (Šišić). Die epischen Sänger besingen sein Heldentum und seinen Tod (vgl. z. B. Karadžić: Bd 4, Nr. 57-59; Bosanska Vila 1901, Lieder Nr. 6 und 7; 1902, Nr. 3-5, u. a.), und Ivan Mažuranić macht ihn zum Protagonisten seines berühmten, wenn auch nicht geschichtegetreuen Epos „Smrt Smail-age Čengića“ (1845).

Literatur

Bašagić, Safvet beg: Najstariji ferman begova Čengića. In: Glasn. zemaljsk. Muz. 9 (1897) 437-446.
Šišić, Ferdo: Pogibija Smail-age Čengijića. In: Hrvatsko Kolo 4 (1908) 162-181.
Popović, Lazo Dj.: Pogibija Smail-age Čengića. Cetinje 1912.
Tomić, Svetozar: Smail-aga Čengić. In: God. Nikole Čupića 36 (1927) 232-272.
Gujić, Kasim: Smrt Smailage Čengića. In: Hrvatsko Kolo 17 (1936) 87-107.
Olesnicki, Aleksije: Bosanska vojska pod zapovjedništvom Bećirpaše Čengića u rusko-turskom ratu god. 1737. In: Rad JAZU 269 (1940) 111-150.
Živančević, Milorad: Ivan Mažuranić. Novi Sad 1964.

Verfasser

Dagmar Burkhart (GND: 12883322X)

Empfohlene Zitierweise: Dagmar Burkhart, Čengići, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 298-300 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=655, abgerufen am: 01.04.2025