Dernschwam von Hradiczin, Hans, Humanist, Bergbaubevollmächtigter der Fugger und Orientreisender, * Brüx (Most, Böhmen) 23.03.1494, † Schattmannsdorf bei Tyrnau (heute Časta bei Trnava, Slowakei) Sommer 1567, Sohn von Marcus D., brauberechtigter Bürger in Brüx und Gewerke im Zinnbergbau Graupen (Erzgebirge). Die Nachkommen in Brüx waren noch im 18. Jh. Ratsverwandte.
Leben
1507 immatrikulierte sich D. in Wien und schloß an der Universität Leipzig mit dem Baccalaureat 1509 ab. In Rom traf er auf Stephan Stieröxl (Taurinus, geb. 1485 in Olmütz) aus dem Kreis um Johannes Cuspinian und schloß sich ihm, der als Sekretär mit Kardinal Tamás Bakócz, Erzbischof von Gran, gekommen war, auf der Rückreise nach Ofen 1514 an. Noch im selben Jahr trat er da bei Girolamo Balbo (Hieronymus Balbus, geb. 1450 in Venedig) als Sekretär in den Dienst. Balbo hatte an den Universitäten Wien und Prag gelesen. Er gehörte 1494 der „sodalitas Danubiana“ an und war jetzt am Hofe des Königs Wladislaw als Diplomat, Erzieher des Prinzen Ludwig und an der Hofbibliothek (Corviniana) tätig. Mit ihm nahm D. 1515 am Fürstentag in Preßburg in der Hofgesellschaft teil. 1517 verließ er den Dienst, als Balbo Domprobst in Preßburg wurde, hatte aber schon 1516 Verbindungen zu den Kammergrafen Georg (György) und dann Alexius (Elek) Thurzó angeknüpft. Von Neusohl kam er nach Neustadt (Nagybánya, heute Baia Mare) als Verwalter der Münze für Alexius Thurzó. Hier setzten seine „Inscriptiones Romanae...“, Aufzeichnungen der Inschriften aus ungarischen Landschaften, ein. Der Aufstand der Adelsgruppe um István Werbőczy und von Stadtbewohnern in Ofen traf ihn als Kassierer bei dem Fuggerfaktor Hans Alber. An diesem 22. Juni 1525 machte er sich durch planvolle Gegenmaßnahmen, besonders bei den Betrieben in Neusohl, um das Haus Fugger verdient. Für die folgenden Verhandlungen, die Anton Fugger als Erbe des am 30. Dezember 1525 verstorbenen Jakob Fugger mit dem königlichen Hof in Ofen führen ließ, war er für Heinrich Rybisch aus Breslau Mitarbeiter an dem Vertrag vom 15. April 1526 und erfuhr von dem Tod des Königs bei Mohács auf einer Geschäftsreise in Prag. Der „ungarische Handel“ der Fugger und Thurzó nahm ihn am Sitz der Kupferbergwerke in Neusohl in Dienst, beauftragte ihn aber schon 1528 mit einer Überprüfung und Ordnung der siebenbürgischen Salzbergwerke in Thorenburg (Torda). Diese Tätigkeit bis 1529 fiel in die Zeit der Eroberung Ofens, der Belagerung Wiens und des steigenden Einflusses des János Zápolya als Verbündeter Sultan Süleymans I. Neben dem Fuggerfaktor in Neusohl hatte D. als Bevollmächtigter innerhalb der Bürgerschaft von Neusohl, beim Ausbau der „Fuggerhäuser“ hier und seit dem Ankauf der Biberburg (Červený kameň) mit Herrschaft (1535) in den Kleinen Karpaten wachsenden Einfluß. Das Bändchen der „Ephemeriden“ von Johannes Stöffler trägt die Daten vieler Geschäftsreisen an die Höfe in Wien oder Prag und nach Augsburg. Dem Ankauf eines Hofes mit Wiesen und Weingärten 1538 in der Herrschaft Biberburg im Dorf Schattmannsdorf, der mit einem Vermerk „nuptiae“ im selben Jahr nicht völlig geklärt ist, weil der kinderlos bleibende D. seinen Bruder Matthias auf den Hof holte, waren die ersten Bestellungen von Exlibris (1535 aus Nürnberg), einer Bildnisplakette bei Ludwig Neufahrer (1536) - dem späteren Prager Münzmeister - und Bücherbeschaffungen für den Humanistenkreis um Anton Fugger vorausgegangen. 1551 kennzeichnete Sebastian Münster im Vorwort zu seinen „Rudimenta mathematica“ die Stellung seines Freundes D. überzeugend. Die Auflösung der Verträge des „ungarischen Handels“ und die damit verbundenen Verhandlungen mit der Hofkammer 1546-1549 spiegeln sich in den Briefen, aber auch die Gründe für das Verbleiben des Humanisten in der oberungarischen Heimat und Ablehnen der Angebote aus Wien und Prag. 1543 war Gran von den Türken erobert worden und Tyrnau Sitz des Erzbischofs geworden (bis 1820). 1549 übersiedelte D. gänzlich nach Schattmannsdorf. Am 22. Juni 1553 verließ der 59jährige Wien mit eigenem Wagen und seinen Leuten im Gefolge des Bischofs Antun Vrančić (1504-1573) aus Fünfkirchen in der kaiserlichen und königlichen Gesandtschaft zu Sultan Süleyman. Am 25. August waren sie in Istanbul, reisten nach einem Zwangsaufenthalt von mehr als anderthalb Jahren mit dem kaiserlichen Gesandten Ogier Ghislain de Busbecq (Augerius Bousbeck) an der Spitze am 9. März 1555 zum Sultan nach Amasia (7.04.) weiter. Nach fast zwei Monaten Aufenthalt daselbst zog die Gesandtschaft am 11. August 1555 wieder in Wien ein. Das Tagebuch D.s enthält für die türkisch besetzten Landschaften Ungarns und des Balkan besonders anschauliche Schilderungen. Unter den vielen römischen und griechischen Inschriften, die er zusammen mit dem Wittenberger Studenten Johannes Belsius aus Eperjes aufzeichnete, erschienen auch Teile des „Monumentum Ancyranum“ aus Ankara. 1552 hatte der aus freien Stücken Reisende das Inventar seiner Bibliothek angelegt, das er nun bis 1562 fortführte. 1569 hat die Wiener kaiserliche Bibliothek auf Drängen Busbecqs die 651 Codices vom Erben Markus D., des Neffen D.s, angekauft. 2100 Drucke des 16. Jh.s, von antiken Schriftstellern wie von Reformatoren und anderen Theologen, von Humanisten, im besonderen Geographen und Naturkundlern, aber auch Bergbautechnikern, sind damit erhalten geblieben. D. hatte in den Jahren 1558 bis 1563 unzählige Gutachten und Berichte an die Hofkammer wie an Anton Fugger geschrieben, darunter die „Connotatio“ von der Entstehung des Kupferbergbaues in Neusohl und andere „Memorabiliora“ aus seinen Jahren in Ungarn. Ende Februar und Mitte September 1567 werden durch einen Brief aus Wien und einen Hauskauf eines Brüxer Neffen markiert, dazwischen muß wohl sein Todesdatum liegen. Die Grabplatte in der Kirche in Schattmannsdorf war 1920 noch erkennbar an der Greifenklaue im Wappen.
Literatur
Babinger, Franz: H. Dernschwams Tagebuch einer Reise nach Konstantinopel und Kleinasien (1553/55). München, Leipzig 1923. = Studien zur Fuggergeschichte. 7 (mit Bibliographie).
Oberdorffer, Kurt: H. Dernschwam. In: Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben. Bd 1. München 1952, 229-245.
Kühndel, Ján: Ján Dernschwam, vzdelaný faktor Fuggerovcov na Slovensku (1494-1567). In: Hist. Štúd. 1 (1955) 168-187.
Berlász, Jenő: Dernschwam János könyvtára. A hazai humanizmus történetéhez. Budapest 1964.
Probszt, Günther Frh. v.: Die niederungarischen Bergstädte. Ihre Entwicklung und wirtschaftliche Bedeutung bis zum Übergang an das Haus Habsburg (1546). München 1966 (mit Bibliographie).
Empfohlene Zitierweise: Kurt Oberdorffer, Dernschwam von Hradiczin, Hans, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 392-393 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=726, abgerufen am: 23.11.2024
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