Eirene (Irene), Kaiserin des oströmischen bzw. byzantinischen Reiches 780 bzw. 797- 802, * Athen um 752, † auf Lesbos 9. VIII. 803, seit 768 verheiratet mit Kaiser Leon IV. (775-780).
Leben
Bis zum Tod ihres Mannes, des Kaisers Leon IV. (8. IX. 780) führte E. das geehrte, politisch aber nicht sehr einflußreiche Leben einer kaiserlichen Ehefrau. Danach freilich war sie gezwungen, für ihren unmündigen, zehnjährigen Sohn Konstantin VI. (gekrönt und als Nachfolger designiert i. J. 776) die Regentschaft zu übernehmen. Sie tat dies, um der syrischen Dynastie die Kaiserherrschaft zu sichern und wohl noch mehr, um sich selbst den Thron zu erhalten. Zu diesem Zweck zwang sie als erstes die Brüder ihres verstorbenen Gemahls zur Annahme der Priesterweihe; daraufhin verlangte sie von den Truppen die eidliche Zusicherung, ihren Sohn, solange sie lebte, nicht als ersten Kaiser anzuerkennen. E. nahm dann auch tatsächlich eine Zeitlang die erste Position im Kaisertum ein. Daß dies möglich war, hatte seinen Grund in der Tatsache, daß es die Kaiserin glänzend verstand, die kirchenpolitischen Spannungen, die zwischen den Anhängern des Bilderkultes und den Bilderfeinden vorhanden waren, für sich zu nützen. Sie taktierte dabei sehr geschickt und ergriff nicht sofort Partei für die Bilderfreunde, die sie wahrscheinlich schon unter der Regierung Leons IV. begünstigt hatte. Die Absetzung des Patriarchen Paulos und die Einsetzung des Tarasios zum Patriarchen (784) waren Zeichen dieser Politik. Auf dem 7. ökumenischen Konzil von Konstantinopel-Nikaia (786-787), das sie im Einvernehmen mit Papst Hadrian einberufen hatte, stellte sie den Bilderkult wieder her. In die Zeit ihrer „Regentschaft“ fällt die erfolgreiche Expedition ihres Feldherrn Staurakios gegen die Slawen in Griechenland.
Als Konstantin VI. im Frühjahr 790 mündig wurde, mußten die Rangverhältnisse zwischen Mutter und Sohn neu geregelt werden. E. verlangte von den Truppen den Treueid zuerst auf ihren Namen und dann erst auf den des Sohnes. Diese aber weigerten sich, den Eid in dieser Form zu leisten und E. hatte sich mit der zweiten Position innerhalb des Kaisertums zu begnügen. Die Animosität, die zwischen Mutter und Sohn bestand, wurde dadurch keineswegs geringer. Sie gedieh förmlich, nachdem E. - wohl als Reaktion auf die Italienpolitik Karls des Großen - die 781 vereinbarte Verlobung zwischen ihrem Sohn und Rhotraud, der Tochter Karls, löste und Konstantin zur Heirat mit Maria von Paphlagonien zwang. Hatte E. noch zu Beginn des Jahres 790 eine Verschwörung ihres Sohnes, hinter der die bilderfeindliche Opposition stand, unterdrücken können, so war dies im Oktober 790 nicht mehr möglich. Damals riefen die Truppen des Themas Armeniakon Konstantin zum Alleinherrscher aus und setzten E. formgerecht als Mitherrscherin bzw. als zweiten Kaiser ab. Zwei Jahre darauf holte Konstantin VI. die Mutter an den Hof zurück und ernannte sie zur Kaiserin. Schließlich ist es E. gelungen, den Sohn zu stürzen. Das war nicht schwer, denn Konstantin VI. hatte sich als Bilderfeind, wegen der Verstoßung seiner ersten Frau, einer kanonisch anfechtbaren zweiten Ehe, des glücklosen Bulgarienfeldzuges (Juli 792) und großer Grausamkeiten der eigenen Familie und alten Anhängern gegenüber höchst unbeliebt gemacht. E. ließ den Sohn blenden und wohl auch töten (15. VIII. 797). Vom 15. August 797 bis zum 31. Oktober 802 herrschte E. allein. In diese Zeit fallen Verhandlungen mit Harun al Rashid, um den Vormarsch der Araber durch Tributleistungen aufzuhalten. Auch wurden wieder Gespräche mit Karl d. Gr. aufgenommen, die durch die Beschlüsse der Frankfurter Synode (794), durch gleiche Interessen im italienischen Raum und nicht zuletzt durch die Krönung Karls d. Gr. eine Zeitlang nicht unerheblich gestört waren. Die Herrschaft der E. wurde am 31. Oktober 802 durch eine Palastrevolution beendet. Ihr Nachfolger Nikephoros I. verbannte sie nach Lesbos, wo sie bald danach starb.
Das wichtigste Ereignis, das die Regierung der Kaiserin E. ausgelöst hatte, war zweifellos die Krönung Karls d. Gr. durch Papst Leo III. In der Darstellung fränkischer Quellen wird diese als fränkisch-päpstliche Reaktion auf das Frauenkaisertum der E. angesehen, d. h. man betrachtete den Kaiserthron von Konstantinopel als vakant, weil er durch eine Frau besetzt war. Dieser Auffassung schließen sich die byzantinischen Quellen nicht an. Im Gegenteil: das Kaisertum der E. wird - allerdings in der tendenziösen bilderfreundlichen Chronistik und Hagiographie - als göttliche Fügung aufgefaßt. Obgleich die Blendung ihres Sohnes die Zeitgenossen erschreckt hatte, wird E. dessen ungeachtet in der Ostkirche eben wegen der Wiederherstellung des Bilderkultes als Heilige verehrt. Theophanes, Theodoros Studites und Patriarch Methodios sahen in ihrem Namen ein bonum omen und deuteten ihre Regierung als Friedensherrschaft, was eine spätere Geschichtsschreibung nicht hinderte, sie mit Medea zu vergleichen (Manasses).
Ob E. je den Titel „Basileus“ trug, ist mit Sicherheit nicht nachzuweisen, noch weniger aber, daß sie diesen Titel mit maskuliner Endung tragen mußte, um in Byzanz als Gesetzgeber und Kaiser anerkannt zu werden. Wohl dem Bereich der Legende sind westliche und byzantinische Erwähnungen über Eheverhandlungen zwischen E. und Karl d. Gr. zuzuschreiben. E.s Bedeutung in der Geschichte beruht darin, daß unter ihrer Herrschaft und vielleicht auch ein wenig wegen ihrer Herrschaft die Trennung zwischen Ost und West, die auf kirchlichem Gebiet schon lange vorbereitet war, nunmehr auch im politischen Bereich vollzogen worden ist.
Literatur
Dölger, Franz: Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches von 565-1453. Teil I: Regesten von 565-1025. München, Berlin 1924, Nr. 339-359.
Ders.: Byzanz und die europäische Staatenwelt. Ettal 1953, 294-302.
Ohnsorge, Werner: Das Kaisertum der Eirene und die Kaiserkrönung Karls des Großen. In: Saeculum 14 (1963) 221-247.
Ostrogorsky: S. 148-152.
Classen, P.: Karl der Große, das Papsttum und Byzanz. In: Karl der Große. Lebenswerk und Nachleben. Bd 1. Düsseldorf 1965, 537-608.
Bosch, Ursula V.: Anthusa. Ein Beitrag zum Kaisertum der Eirene. In: Byzant. Forsch. 1 (1966) 24-29.