Erdélyi, János

GND: 143990187

Erdélyi, János, ungarischer Dichter, Volksliedsammler und Kritiker, * Kiskapos (Komitat Ung) 1.04.1814, † Sárospatak 23.01.1868.

Leben

E. kam als begabter Sohn bäuerlicher Eltern mit zehn Jahren in das reformierte Kollegium in Sárospatak; hier studierte er dann auch Jura. Um seine Studien fortsetzen zu können, mußte er seinen Lebensunterhalt als Hauslehrer verdienen. Auch nach Beendigung seiner Studien im Jahre 1835 wurde er Erzieher bei einer Adelsfamilie. Er erntete schon damals Anerkennung mit seinen Gedichten und lernte führende Persönlichkeiten des politischen und literarischen Lebens kennen. 1839 wählte ihn die Akademie der Wissenschaften zum korrespondierenden Mitglied. E. zog nach Pest; er legte 1841 das Advokatenexamen ab, beschäftigte sich aber ausschließlich mit Literatur. 1842 redigierte E. die literarische Monatsschrift „Regélő Pesti Divatlap“ (Erzählende Pester Modezeitung), die erstmals Theaterkritiken enthielt. 1842 wurde er Mitglied der „Kisfaludy-Gesellschaft“, der führenden literarischen Gesellschaft im Vormärz, 1843-1849 deren Sekretär. Während zweier Auslandsreisen in den Jahren 1844 bis 1845 entstanden seine wegen ihres fortschrittlichen Gedankengutes bemerkenswerten Reiseberichte, die von Ilona T. Erdélyi 1951 neu herausgegeben wurden. 1847 redigierte E. die literarische Zeitschrift der „Kisfaludy-Gesellschaft“, die „Magyar Szépirodalmi Szemle“ (Ungarische Literarische Rundschau), 1848/49 war er Direktor des Pester Nationaltheaters, im Juni und Juli 1849 Redakteur der in Pest erscheinenden Zeitung „Respublica“. Er veröffentlichte in diesem Jahr auch einen Gedichtband mit dem Titel „Szabad hangok“ (Freie Stimmen). E. mußte sich nach dem Scheitern der Revolution versteckt halten und kehrte erst 1851 nach Pest zurück. Im selben Jahr berief ihn das Kollegium in Sárospatak auf den Lehrstuhl für Philosophie; 1863 übernahm er den Lehrstuhl für ungarische Literatur und auch die Leitung der Bibliothek. In der ländlichen Abgeschiedenheit verlor E. den Kontakt zum literarischen Leben. Seine philosophischen Werke, mit denen er einen günstigen Einfluß auf das politische Bewußtsein auszuüben hoffte, blieben ohne Wirkung.
Bereits mit seinen volksliedhaften Gedichten wurde E. zum unmittelbaren Wegbereiter Petőfis. Sein Wirken als Kritiker und Herausgeber und vor allem als Sammler von Volksliedern war jedoch weit bedeutsamer als seine Dichtung. In seiner Antrittsrede „Über die Volksdichtung“, die er in der „Kisfaludy-Gesellschaft“ hielt, berief sich E. auf Herder und betonte Wert und Bedeutung der Volksdichtung. Er spornte die Dichter an, diese zu studieren und zu verwerten, und wies auf den Zusammenhang zwischen dem Volksliedkult und der politischen Emanzipation des Volkes hin. 1843 begann E. im Auftrag der „Kisfaludy-Gesellschaft“ mit der Sammlung von Liedern und Sagen; seine dreibändige Sammlung (Magyar népköltési gyűjtemény, Népdalok és mondák, Pest 1846/48) übte eine große Wirkung auf die Dichtung und das öffentliche literarische Bewußtsein der Zeit aus.
Die Korrespondenz E.s wurde 1960/61 in Budapest von Ilona T. Erdélyi herausgegeben; ein Auswahlband aus E.s Werken wurde 1961 in der Redaktion von Sándor Lukácsy veröffentlicht.

Literatur

Beöthy, Zsolt: Erdélyi János. Budapest 1911.
K. Pozsonyi, Erzsébet: Erdélyi János és a népköltészet. Budapest 1927.
Heller, Ágnes: Erdélyi János. In: Filozófiai évkönyv 1 (1952) 403-476.

Verfasser

Béla Grolshammer (GND: 107765659)

Empfohlene Zitierweise: Béla Grolshammer, Erdélyi, János, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 467-468 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=782, abgerufen am: 23.11.2024