Evrenos Bey

GND: 1118875621

Evrenos Bey (genannt Gazi, d. h. der „Glaubenskämpfer“), osmanischer Militärführer, † Yenice-i Vardar Ende 1417.

Leben

E., dessen Name mit der osmanischen Eroberung Rumeliens verbunden ist, war der Sohn eines gewissen Isa Bey, postum Prangı genannt nach dem Dorf, in dem er starb. Von E.s Jugend wissen wir nicht viel: Er war ein mehr oder weniger selbständiger Emir des Fürstentums Karasi, befand sich dann in jener Hilfstruppe, die Orhan, Sohn und Nachfolger des Namensgebers der Osmanendynastie, Johannes VI. Kantakuzenos gegen Johannes V. Palaiologos im byzantinischen Bürgerkriege in den 40er Jahren des 14. Jh.s zur Verfügung stellte. E.s Name begegnet uns erst wieder, nachdem die Türken auf der europäischen Seite der Dardanellen Fuß gefaßt hatten: E. ließ sich in einer Burg namens Konur Hisarı, in der Nähe von Gallipoli, nieder. Gemeinsam mit Hacı Ilbeği beteiligte E. sich an den Streifzügen um Dimetoka und eroberte Keşan um das Jahr 1361. Er war maßgeblich dabei, als Edirne von den Osmanen erobert wurde, nahm mehrere Städte Thraziens wie Ipsala, Gümülcina (Komotini) und Yenice-i Karasu ein, ließ sich in der Letztgenannten nieder und wurde zum Ucbeyi (Herr über das von ihm eroberte Grenzgebiet) ernannt. In dieser Eigenschaft nahm er an der Schlacht von Sırp Sındığı um 1364 bzw. an derjenigen an der Maritza (1371) gegen die Serben und ihren Verbündeten teil, Schlachten, die den Osmanen die Herrschaft über das südliche Serbien einbrachten. Im nächsten Jahr nahm E. Ferecik (Pherrai) und danach Iskece (Maroneia) und Avret Hīsarı (Xanthe) und wurde nach 1383 Ucbeyi von Serres. Er beteiligte sich nachher an der Eroberung Großmazedoniens sowie 1385 am siegreichen Kriege gegen den albanischen König Balša II. E. begab sich anschließend auf die Pilgerfahrt nach Mekka. Nach seiner Rückkehr nahm er am letzten Feldzug Murads I. als dessen Berater teil und erstürmte Üsküb (Skopje).
E. beteiligte sich an den militärischen Unternehmungen der Osmanen in der Regel als Befehlshaber der akıncı, einer leichten Reiterei, deren Aufgabe die Beunruhigung des Feindes war. Vor der Schlacht am Amselfelde 1389, in der die Heere der Koalition der Serben, Albaner, Bosnier, Bulgaren und Ungarn eine entscheidende Niederlage hinnehmen mußten, wurde E. in dieser Eigenschaft zu einem der Führer der Vorhut ernannt, vernichtete die feindlichen Einheiten, die in einem Engpaß die Aufmarschlinie des Osmanenheeres versperrten, und ermöglichte dadurch diesem, auf das linke Ufer der Morava überzusetzen. Nach der Thronbesteigung Bayezids I. eroberte E. Vodena (Vodine) und Kitros (Çitroz) und fiel wiederholt in Albanien ein. E. hat sowohl am Feldzug von Morea (1391) als auch an der Schlacht von Nikopolis (1396) teilgenommen, nach wie vor als Befehlshaber der akıncı. Nach Streifzügen nach Albanien, Ungarn und der Walachei wurde E. von Bayezid I. sogar als Parlamentär eingesetzt. 1397 fiel er, zusammen mit Yakub Bey, einem Sohne Murads I., in Morea ein und nahm Korinth sowie die Burg von Argos. Er begleitete dann den Sultan in die fatale Schlacht von Ankara gegen Timur (1402), wobei er dem Sohne Bayezids, Mehmed Çelebi, dem Sandsdhakbey von Amasya, zugeteilt wurde. Während des Interregnums im Osmanenreich trat E. in den Dienst des Süleyman Çelebi, eines Sohnes von Bayezid I. und Vasallen Timurs und machte dessen Feldzug gegen Karamanien 1406 mit. Nach dem Tode Süleyman Çelebis zog er sich, um der Rache des Prinzen Musa Çelebi, dem Nebenbuhler Süleymans, zu entgehen, nach Yenice-i Vardar zurück und stellte sich blind, als dieser ihn in Dienst nehmen wollte. Im Kampf Musas mit dem Prinzen Mehmed unterstützte E. wie die rumelischen Herren den Letzteren, eine Tatsache, die Mehmed zum Siege über seinen Bruder verhalf.
E. erreichte in Yenice-i Vardar ein sehr hohes Alter: Bei seinem Tode soll er über hundert Jahre gezählt haben. Der Reichtum, insbesondere die Ausdehnung der Ländereien von E., war schon zu seinen Lebzeiten legendär, nicht minder die Anzahl der von ihm geschaffenen frommen Stiftungen. Yenice-i Vardar wurde nach seinem Tode zum Sitz seiner Nachkommen, der berühmten Familie der Evrenos-oğullaı („Söhne des E.“), die im Militäradel auch in späterer Zeit eine bedeutende Rolle spielte.

Literatur

Uzunçarşılı, Ismail Hakkı: Osmanlı Tarihi. Bd 1. Ankara 1961(2).
Mélikojf, I.: Ewrenos (Ghazi Evrenos). In: The Encyclopaedia of Islam. Bd 2. Leiden, London 1965, 720 (mit Bibliographie).
Beldiceanu-Steinherr, Irène: Recherches sur les actes des règnes des sultans Osman, Orkhan et Murad I. München 1967. = Societas Academica Dacoromana. Acta Historica. 7. (mit Bibliographie).

Verfasser

Josef Matuz (GND: 119025671)

Empfohlene Zitierweise: Josef Matuz, Evrenos Bey, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 481-483 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=795, abgerufen am: 23.11.2024