Feyzullah Efendi, Seyyid, osmanischer Schejch ül-Islam 1688, 1695-1703, * Erzurum Februar/März 1639, † Edirne 3.09.1703.
Leben
Der Hofimam und Prediger-Schejch Vani Mehmed Efendi rief F., einen Vetter seiner Frau, im Frühjahr 1664 aus Erzurum an seine Seite, machte ihn zu seinem Schwiegersohn und zog ihn in einen gelehrten Kreis um Sultan Mehmed IV. Mit der Autorität des Familienoberhauptes lenkte der Schejch seine weiteren Schritte, förderte ihn nach Kräften, verbot ihm aber, eine der ihn lochenden Müderris-Stellen anzunehmen. Ende 1667 entzog F. sich ihm durch die Pilgerfahrt nach Mekka und hielt sich einige Zeit zu gelehrten Studien im Hedschas auf. Anfang 1670 berief ihn Mehmed IV. zum Lehrer des Prinzen Mustafa (II.), den er 16 Jahre unterrichten sollte. Dazu verlieh ihm der Sultan Müderris-Stellen, so daß er nach drei Jahren schon mit einer abgeschlossenen Müderris-Karriere in den Amtslisten der Ilmiye stand. Unter Überspringung aller üblichen Stufen der Kadi-Laufbahn erhielt er daraufhin nacheinander die Ränge eines Titular-Kadi von Istanbul, eines Titular-Kadiasker von Anatolien und mit der Ernennung auch zum Lehrer des Prinzen Ahmed (III.) eines Titular-Kadiasker von Rumelien. Im Juni 1686 fiel er in Ungnade und verlor alle seine Ämter. Doch auf Fürsprache der Mutter seiner Zöglinge erhielt er fünf Tage später das Arpalık Eyüb als Unterhalt zugewiesen.
Während der Rebellion, die schließlich zur Absetzung Mehmeds IV. führte, wurde er im Oktober 1687 Nakib ül-Eşraf. Rebellengunst hob ihn, Sproß einer Schejch-Familie und Halvetiye-Derwisch, der nie ein Kadi-Amt tatsächlich ausgeübt hatte, als Schejch ül-Islam an die Spitze der Ilmiye. Weil Süleyman II. und seine auf Konsolidierung der Herrschaft und des Staates bedachte Umgebung in ihm einen Parteigänger der radikalen Aufrührer sah, er selbst fühlte sich verleumdet, traf ihn schon nach 17 Tagen, am 3. März 1688 die Verbannung in seine Heimatstadt Erzurum. Sieben Jahre darauf (1695) bestieg sein ehemaliger Zögling als Mustafa II. den Thron. F. erhielt zum zweiten Mal das Amt des Schejch ül-Islam, das er nun bis zu seinem Tod besetzt hielt. Als vertrautester Berater wich er nicht mehr von der Seite seines Schülers und Sultans, begleitete ihn selbst während seiner drei Feldzüge und erlebte dabei die Katastrophe von Zenta (1697) auf dem Schlachtfelde mit. Danach unterstützte er die Politik, die unter englisch-holländischer Vermittlung zum Frieden von Karlowitz (1699) führte. Als sich Mustafa II. aus der Aktivität zu einem Leben in Kurzweil nach Edirne zurückzog, überließ er auch die Führung des Reiches mehr und mehr dem Schejch ül-Islam und den Großwesiren. F.s Einfluß erwies sich als Machtkonstante, sein Wort überwog das der Großwesire. Amcazade Hüseyin Köprülü trat vom Amte zurück, als ihm die Übermacht F.s zu groß wurde. Rami Mehmed Pascha, sein Schützling, intrigierte gegen ihn. Aber auch die Ulema hatte er sich zu Gegnern gemacht. Die wichtigsten Stellen der Ilmiye waren nach und nach an seine zahlreichen Söhne und Schwiegersöhne vergeben worden. Wer nicht zu seiner Klientel gehörte, fühlte sich geprellt. Der sechzehnjährige Krieg hatte Wirtschaft und Finanzen des Reiches erschöpft, die Steuerlast fast unerträglich gesteigert. In Istanbul verstärkte sich die Unzufriedenheit, da der Sultan die Hauptstadt mied und damit auch die wirtschaftlich stimulierende Wirkung der Hofhaltung fehlte. Truppen blieben ohne Sold. Es kam über eine Meuterei der Cebeci zum Aufstand in Istanbul, bei dem sich die Wut vor allem gegen F. richtete. Der Aufstand (Edirne Vak’ası) organisierte sich, stellte Truppen auf, griff nach Edirne über. Der Sultan und seine Umgebung reagierten unentschlossen, das Heer zeigte sich unwillig, gegen die Brüder zu kämpfen. Zunächst fegten die Forderungen der Rebellen F. und seine Söhne aus ihren Ämtern, dann rissen sie den Sultan vom Thron. Vom Wege in die Verbannung holte man F. zurück, zerrte ihn nach Edirne ins Gefängnis, dort ernannte man ihn - da man Schejch ül-Islame nicht hinrichtete - zum Sandschak-bey von Kandia und als solcher wurde er scheußlich und schimpflich erschlagen.
Literatur
Köprülü, Orhan F.: Feyzullah Efendi. In: Islâm Ansiklopedisi. Bd 4. Istanbul 1948, 593-600.
Derin, Fahri Ç.: Şeyhülislâm Feyzullah Efendi’nin Nesebi Hakkında bir risale. In: Tarih Dergisi X/14 (1959) 97-104.
Silâhdar Fındıklılı Mehmet Ağa: Nusretname. Hrsg. Ismet Parmaksızoğlu. 2 Bde. Istanbul 1962/66.
Meservey, Sabra F.: Feyzullah Efendi: An Ottoman Şeyhülislam. (Diss.) Princeton 1966.
Türek, Ahmed und F. Çetin Derin: Feyzullah Efendi’nin Kendi Kaleminden Hai Tercümesi. In: Tarih Dergisi 23 (1969) 205-218, 24 (1970) 69-92.
Empfohlene Zitierweise: Hans Georg Majer, Feyzullah Efendi, Seyyid, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 512-513 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=818, abgerufen am: 23.11.2024
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