Goga, Octavian, rumänischer Dichter, Publizist und Politiker, * Răşinari (Resinár, Komitat Hermannstadt) 1.04.1881, † Ciucea 7.05.1938, aus einer siebenbürgischen Dorflehrer- und Popenfamilie.
Leben
G. studierte im Anschluß nach dem Besuch des ungarischen und des rumänischen Gymnasiums (in Hermannstadt bzw. Kronstadt) Philologie in Budapest. Seine Herkunft und seine Sehnsucht nach nationaler Emanzipation der Rumänen Siebenbürgens bilden den Inspirationshintergrund seiner ersten und sehr erfolgreichen Gedichtbände „Poezii“ (Gedichte, 1905) und „Ne cheamă pămîntul" (Die Erde ruft uns, 1909). In Stil und Sprache sind sie eine neuartige Synthese von kraftvollem, oft auch pathetischem Gefühlsausbruch und von Sprachformen, die aus alten rumänischen Kirchenbüchern und Urkunden wie auch aus den schwerfälligen Idiomen der Bergbauern entlehnt wurden. Viele dieser Gedichte wurden zu Volksliedern („romanţe“), z. B. „Bătrîni" (Ihr Alten), „Noi“ (Bei uns daheim), „Cîntece“ (Lieder). Die Thematik ist weniger eigenwillig. Sie läßt sich der zum Jahrhundertbeginn vorherrschenden literarischen Strömung des „Semănătorism“ zuordnen: Ländliche Idyllen wechseln mit Bildern aus dem entbehrungsreichen, kargen Leben der Dorfärmsten und Vergleichen zwischen der verkommenen Stadt und der gefälligen Ursprünglichkeit des Landes. Die beiden folgenden Gedichtbände „Din umbra zidurilor“ (Im Schatten der Mauern, 1913), die Erlebnisse erster Auslandsreisen festhalten, und die vom Kriegsgeschehen angeregten „Cîntece fără ţară“ (Heimatlose Lieder, 1916) sind voll düsterer und oft mystischer Anklänge. Nach 1918 schrieb G. nur mehr gelegentlich Gedichte, die 1939 unter dem Titel „Din larg“ (Aus der Ferne) postum erschienen sind.
G. widmete sich immer mehr der Politik und der Journalistik. 1908 gründete er eine Zeitschrift, die „Ţara noastră“ (Unser Land), in der er die meisten seiner sozial engagierten, national-konservativen Feuilletons veröffentlichte. Insgesamt erschienen sieben Bände seiner Publizistik, von denen „Strigăte în pustiu“ (Rufe in die Wüste, 1915) und „Mustul care fierbe“ (Gährender Most, 1927) besondere Beachtung verdienen. Sie enthalten, in immer neuer Formulierung, das politische Credo des Mussolinibewunderers G., der die Erneuerung des Rumänentums aus dem Bauernstand und im Zeichen des Nationalismus erhoffte: Er verglich die Rumänen mit dem „noch nicht ausgegorenen Most“, für die „der nationale Gedanke die mystische Fortpflanzung“ versinnbildliche; Nationalismus sei „die einzige brauchbare Formel für die Zukunft dieses Volkes“ (Vorwort zu „Mustul care fierbe“). Die übrigen (bisher) fünf Sammelbände - „O seamă de cuvinte“ (Worte, 1908), „Insemnările unui trecător“ (Die Aufzeichnungen eines Vorübergehenden, 1911), „Precursori“ (Vorläufer, 1930), „Discursuri“ (Reden, 1942 postum) und „Pagini noi“ (Neue Seiten, 1966 postum) - enthalten hauptsächlich Reisebeschreibungen, Feuilletons und autobiographische Aufzeichnungen.
1923 wurde G. in die rumänische Akademie gewählt. 1924 erhielt er, als Verfasser einer „geistig-seelischen Monographie“ des karpatenrumänischen Dorfes am Jahrhundertbeginn, den Nationalpreis für Lyrik.
Gerade weil G. als Dichter sehr geschätzt wurde, war seine politische Laufbahn bereits bei den Zeitgenossen umstritten. Vor 1918 beklagte er, wie viele junge Intellektuelle Siebenbürgens, die Niederhaltung seines Volkes. Irredentistische Veröffentlichungen brachten ihn 1912 in das Gefängnis von Szegedin; 1915 verwies man ihn des Landes. Er ging ins Altreich und nahm auf rumänischer Seite am Weltkrieg teil. Danach ging G. in die Politik: Er war zunächst in den konservativen Regierungskoalitionen des Generals Alexandru Averescu Kultusminister (1920) und Innenminister (1926/27), dann arbeitete er mit verschiedenen Gruppen des konservativen Lagers zusammen, so 1927 mit der „Liga für national-christliche Verteidigung“ (Liga pentru apărarea naţional-creştină = LANC) von Professor Alexandru C. Cuza. Da G.s Losung aber „Christus, König, Vaterland!“ war, gründete er 1932 eine eigene Partei, die „Nationale Agrarpartei“. Von der LANC trennten ihn sein royalistisch-orthodoxer Blickpunkt und Cuzas übertriebener Antisemitismus. Nach 1933 geriet seine kleine Partei unter deutschen Einfluß, und G. ging 1935 aus wahltaktischen Gründen und auf Anraten des Vertreters des Außenpolitischen Amtes (A.P.A.) der NSDAP, Arno Schickedanz, wieder ein Bündnis mit der LANC ein. Der Wahlerfolg war gering. Am 28. Dezember 1937 berief König Karl II. unerwartet G. zum Ministerpräsidenten, obwohl dessen Partei nur 8,7 % der Stimmen erzielt hatte. Der neue Regierungschef begann im Januar 1938 - nach Ergebenheitsadressen an Italien und Deutschland - ein Kabinett zu bilden, wurde aber vom König bereits am 10. Februar entlassen. Diese erstaunliche Berufung des als Persönlichkeit und Dichter respektierten, als Politiker aber nicht allzu ernst genommenen G. kann als Vorbereitung des Staatsstreichs Karls II. vom 27./28. Februar 1938 verstanden werden: Sie gestattete dem König zugleich, die von den Legionären mit 15,6 % Stimmen (1937) gebildete äußerste Rechte zu übergehen und nach dem voraussagbaren Scheitern G.s den Bankrott des rumänischen Parlamentarismus zu erklären, um sich selbst als „Retter des Landes“ anzubieten.