Gopčević, Spirid(i)on (Pseudonym Leo Brenner), österreichischer Publizist und Literat, * Triest 9.07.1855, † Berlin um 1926, Sohn des gleichnamigen Triestiner Reeders († 1861) aus einer montenegrinischen Familie.
Leben
G. erhielt seine Schulbildung in Wien und Melk, einige Zeit studierte er Musik. 1875 ging er als Korrespondent der Wiener „Neuen Freien Presse“ in das herzegowinische Aufstandsgebiet. Ein abenteuerliches Leben begann: Häufige Ortswechsel, eine Flut gedruckter Äußerungen in Zeitungen und Zeitschriften, in Broschüren und Büchern, eine Serie kaum mehr nachzuvollziehender Sinneswandlungen und Positionswechsel.
G.s erste Balkanreise war beflügelt von der Begeisterung für die kämpfenden Montenegriner und beschwert von bitteren Ausfällen gegen Herrscher und Hof von Cetinje. Die literarische Frucht, „Montenegro und die Montenegriner“ (1877), erwarb ihrem Verfasser die Freundschaft William Gladstones. 1880 befaßte sich G. mit der nach dem Berliner Kongreß aufgerührten albanischen Frage. Wieder erschienen zuerst Zeitungsberichte, dann „Oberalbanien und seine Liga“ (1881). Und erneut waren seine Ausführungen mehr vom Parteigeist als von dem Bemühen um unparteiische Wahrheitsfindung geprägt. In Skutari gewann er in Arthur John Evans, dem nachmaligen Ausgräber von Knossos, einen neuen Freund. Beide berichteten für die Presse über den Aufstand von 1882 in Süddalmatien, kritisierten massiv die österreichische Politik und wurden deshalb festgesetzt. London intervenierte diplomatisch für Evans und mit ihm kam auch G. frei. In der Folgezeit berichtete er für Zeitungen aus Ägypten und verfaßte militärhistorische Studien über die Kämpfe im Sudan, in Afghanistan und Südamerika. Daran fügten sich seekriegsgeschichtliche Arbeiten, wobei er auch einen Blick in die Zukunft nicht scheute. Eine Reise nach Spanien und Portugal zeugte einen (anonymen) Reiseführer. Anschließend lernte er auch einen Teil des europäischen Rußlands kennen.
1885/86 mobilisierten G. die serbisch-bulgarischen Auseinandersetzungen wieder für Balkanfragen. Im Dienste der serbischen Regierung als Attaché in Berlin verfaßte er das Buch „Bulgarien und Ostrumelien“ (1886), in dem er die früher gelobten Bulgaren herb tadelte. Zwei Jahre später pries er in „Serbien und die Serben“ diese überschwänglich. 1889 schließlich versuchte er in „Makedonien und Altserbien“ wissenschaftlich nachzuweisen, daß die Masse der Einwohner Serben seien. Dabei bediente er sich ungeniert literarischer Fiktionen und Fälschungen. Dann wechselte er auch im innerserbischen Parteienstreit die Position und mußte den Dienst für Belgrad aufgeben.
1890 gab G. in Wien kurzfristig eine antisemitische Tageszeitung heraus, was ihn einen beträchtlichen Teil seines Vermögens kostete. Nach dem gescheiterten Versuch, sich in Österreich-Ungarns Balkanpolitik einzuschalten, zog er sich auf die Adriainsel Lussinpiccolo (Mali Lošinj) zurück, wo er 1893-1908 als Amateur ernsthafte astronomische Beobachtungen durchführte. Aus finanziellen Gründen mußte er diese Studien aufgeben. Eine Kandidatur für Cattaro bei den Reichsratswahlen (1907) brachte einen Mißerfolg, so begann er wieder zu schreiben. Auf ein amerikafeindliches Pamphlet folgten 1914 die eben aktuellen Bücher „Das Fürstentum Albanien“ und „Geschichte von Montenegro und Albanien“. Er arbeitete jedoch nur noch aus zweiter Hand und verfocht politische Ziele, die bereits durch die Ereignisse überholt waren. Während des Ersten Weltkrieges verfaßte er wahrscheinlich gegen Bezahlung durch Wiener Dienststellen antibritische, antiamerikanische und antirussische Schriften. Die letzten Lebensjahre verbrachte G. in Berlin, wo er noch ein „Serbokroatisches Gesprächsbuch“ (1920) und weitere belletristische und kulturhistorische Bücher veröffentlichte.
G. war ein Mann von vielseitigen Fähigkeiten und Kenntissen, von üppiger Phantasie und getrieben von übergroßem Ehrgeiz, die ihn die Realitäten oft vergessen ließen. Obwohl den Zeitgenossen die Käuflichkeit seines literarischen Talentes nicht verborgen blieb, wirkte er doch zwischen 1877 und 1890 und nochmals 1914 nachhaltig auf das Balkanbild des deutschsprachigen Mitteleuropas ein.