Gragger, Robert, ungarischer Literarhistoriker, * Aranyosmarót (Komitat Bars) 5.11.1887, † Berlin 10.11.1926, Sohn eines Kaufmanns und einer Zahnärztin.
Leben
G. besuchte die Volksschule in Kremnitz und später in Neutra; hier ging er auch aufs Gymnasium. 1905 immatrikulierte er sich an der Budapester Universität und wurde Mitglied des Eötvös-Kollegiums. Er studierte bei Friedrich Riedl, Gustav Heinrich und Gyula Haraszti Sprachen und Literaturgeschichte. Großen Einfluß übten auch die Professoren Zsolt Beöthy und Lajos Katona auf ihn aus. In den Semesterferien unternahm er Reisen nach Paris, Straßburg, Halle und München, die er auch zu Studienzwecken nützte. Schon während seiner Studienzeit begann er wissenschaftlich zu arbeiten, und seine ersten Aufsätze erschienen in Paris während eines Studienaufenthaltes. Seine Doktorarbeit mit dem Titel „Beck Károly és a német politikai költészet“ (Karl Beck und die deutsche politische Dichtung) erschien 1909. Noch im selben Jahr wurde G. Lehrer an einer Oberrealschule in Budapest. 1910/11 verbrachte er ein Semester an der Berliner Universität und studierte bei Erich Schmidt und Gustav Roethe. Ab 1912 unterrichtete er an der Lehrerbildungsanstalt in Budapest.
Im Sommer 1916 wurde G. - ohne sich vorher habilitiert zu haben - zum außerordentlichen und 1921 zum ordentlichen Professor an dem neu errichteten Lehrstuhl für ungarische Sprache und Literatur in Berlin ernannt. Der Lehrstuhl war der erste dieses Faches an einer deutschen Universität. 1917 wurde das Seminar in ein „Ungarisches Institut“ umgebildet; G. machte sich um den Aufbau des Instituts sehr verdient. Er stellte seine Privatbibliothek zur Verfügung und vergrößerte die Institutsbibliothek durch wertvolle Erwerbungen. Die Gründung des „Collegium Hungaricum“, eines Heims für ungarische Studenten, war aus kulturpolitischer Sicht ein bedeutendes Ergebnis seiner Berliner Tätigkeit. 1922 begründete er innerhalb des ungarischen Lehrstuhls die finnische und uralaltaische Sektion. G. entfaltete auch eine rege Vortragstätigkeit; er hielt an den verschiedenen deutschen Universitäten Vorträge über die ungarische Literatur und Kultur. Mit der von ihm begründeten Zeitschrift „Ungarische Jahrbücher“ und der Schriftenreihe „Ungarische Bibliothek“ - in denen bemerkenswerte Abhandlungen erschienen, u. a. auch Werke Béla Bartóks - hat er sich große Verdienste in der Verbreitung der ungarischen Wissenschaft im Ausland erworben. Ferner gab er die „Bibliographia Hungariae“ heraus, die die in den Jahren 1861 bis 1921 erschienenen fremdsprachigen Hungarica erfaßt (4 Bände, Berlin 1923/29). Sein wichtigstes Arbeitsgebiet war vergleichende deutsch-ungarische Literaturwissenschaft. G. war durch seine Abstammung und seinen Werdegang geradezu prädestiniert, mit seiner Tätigkeit eine Vermittlerrolle zwischen Deutschland und Ungarn einzunehmen. Sein Werk und viele seiner Arbeiten blieben aber wegen seines frühen Todes unvollendet.
Zu G.s bedeutendsten Arbeiten zählen „Geschichte der deutschen Literatur in Ungarn. Von Maria Theresia bis zur Gegenwart“ (1. Band, Wien 1914), „Preußen, Weimar und die ungarische Königskrone“ (Berlin 1923).
Literatur
Becker, C. H.: Robert Gragger. In: Ung. Jb. 7 (1927) 1-32 (mit Bibliographie).
Szekfű, Gyula: Gragger Róbert művelődésünk történetében. In: Minerva 6 (1927) 28-42.
Bessenyei , Ákos: Gragger Róbert. Budapest 1944.
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