Grigorios V.

GND: 119211319

Grigorios V. (eigentlich Georgios Angelopulos), ökumenischer Patriarch 12. (1.) V. 1797 bis 1799, September 1806 bis 6.10. (24. IX.) 1808, 26. (14.).01.1819 bis 22. (10.) IV. 1821, * Dimitsana um 1745, † Istanbul 22. (9.) IV. 1821, Sohn des Ioannis (oder Angelos?) Angelopulos und der Asemina Angelopulos.

Leben

Der aus bescheidenen Verhältnissen stammende Georgios Angelopulos besuchte zwei Jahre die Schule seines Heimatortes, anschließend die damals bedeutsame griechische Schule in Athen, wo ihn sein bekannter Landsmann Athanasios Busopulos unterrichtete, und 1767 vorübergehend eine Schule in Smyrna. Danach trat er als Mönch unter dem Namen Grigorios in das Dionysios-Kloster auf den Strophades (südlich von Zakynthos) ein. Kurz darauf setzte er seine theologischen Studien im Kloster von Patmos fort, begab sich 1775 wieder nach Smyrna, wo ihn der Metropolit Prokopios (1770 bis 1785) 1777 zum Erzdiakon weihte und 1783 zum Protosynkellos ernannte. Während dieser Zeit übersetzte er die „Peri ierosinis logi“ des Johannes Chrysostomos und andere Schriften ins Neugriechische. Nach Prokopios' Wahl zum ökumenischen Patriarchen 1785 wurde G. Oberhirt der verwaisten Metropolitandiözese, die er 1780 bis 1782 während der Abwesenheit seines Vorgängers schon verwaltet hatte. 1797 bekleidete er selbst das Amt des Konstantinopeler Patriarchen, wurde aber schon 1799 wegen angeblicher Sympathien für Napoleon auf den Athos verbannt. Diese Anschuldigungen sind jedoch unglaubhaft: Die Besetzung der Ionischen Inseln durch Frankreich (1797) hatte er verurteilt, während des französischen Ägyptenfeldzuges protestierten er und andere Prälaten mit den Türken gegen die harte Behandlung von Muslimen und orthodoxen Christen durch die Franzosen; G. wehrte sich außerdem gegen eine Besserstellung der katholischen Kirche zu Lasten der orthodoxen im französischen Okkupationsbereich. Auch für die Revolution dürfte er kaum Sympathien geäußert haben: 1798 verbot er die Verbreitung einer Schrift des griechischen Revolutionärs und Nationalhelden Rigas Feräos Velestinlis unter den Orthodoxen und berief eine Patriarchatskommission zur Überwachung von Publikationen christlicher Autoren. In seinen ersten beiden Amtszeiten als ökumenischer Patriarch bemühte er sich vor allem um die innere Ordnung der Kirche und die Disziplin des Klerus. Nach seiner zweiten Wahl 1806 ließ er eine Patriarchatsdruckerei zur Herausgabe liturgischer Werke und eigener Schriften errichten und suchte die wachsende Verschuldung der Kirche aufzuhalten.
Bis zu seiner dritten Amtszeit lehnte es G. ab, die griechische revolutionäre Geheimorganisation Filiki Eteria zu unterstützen: Er sei durch seinen Eid an die Sultansherrschaft gebunden und kenne die Führer der Hetärie nicht; außerdem befürchtete er Repressalien der Türken gegen die christlichen Untertanen. Als im Februar 1807 ein britisches Geschwader unter Vizeadmiral Sir John Thomas Duckworth vor Istanbul erschien, führte er selbst griechische Arbeiter zu Fortifikationsarbeiten und trug dazu bei, den durch Verhandlungen der Pforte mit den Engländern erwirkten Zeitgewinn zur Entlastung von dem Druck der Belagerer zu nutzen. Ob G. die unter dem Namen des Jerusalemer Patriarchen Anthimos 1828 herausgekommene „Didaskalia Patriki“ (Patriotische Ermahnung) verfaßt hat, die gegen die Ideale der Freiheit und des Sturzes der Osmanenherrschaft polemisiert, bleibt strittig, zumal sich die Annahme vorläufig nur auf das Zeugnis seines persönlichen Gegners Sergios Makreos stützt. Nach 1818 scheint er allerdings die Tätigkeit griechischer Verschwörer stillschweigend geduldet zu haben.
Nach dem Ausbruch des von Dimitrios Ipsilantis geführten Aufstands in den Donaufürstentümern (Februar 1821) und der sich anschließenden griechischen Erhebung richtete sich der Argwohn der Pforte sofort gegen G., der als ökumenischer Patriarch dem Sultan gegenüber für die Loyalität der orthodoxen Untertanen verantwortlich war. Obwohl er die griechischen Freischärler durch die Patriarchatssynode am 4. April (23. III.) 1821 exkommunizieren ließ, war sein Schicksal besiegelt, als - möglicherweise mit seiner Kenntnis - die von den osmanischen Behörden seiner Aufsicht überantwortete Familie des hingerichteten Pfortendolmetschers Konstantinos Muruzis sowie serbische Geiseln nach Rußland flüchteten. Während G. in der Patriarchatskirche des Hl. Georgios in der Osternacht vom 21. zum 22. (9./10.) April 1821 die Messe zelebrierte, wurde er verhaftet und an der Eingangspforte der Außenmauer des Patriarchats gehängt, weil er, wie es im Hinrichtungsbefehl heißt, „wegen der Verderbtheit seines Herzens weder die Pforte über den bevorstehenden Aufstand unterrichtete, noch die Irregeführten bestrafte, sondern allem Anschein nach (!) selbst als Führer der Orthodoxen insgeheim Mitbeteiligter des Aufstands war...“ Der Tod trat, da G.’ Körper sehr zart und leicht war, erst Stunden später ein, „and the darkness of night came on before his last convulsion were over“, berichtet als Augenzeuge der Kaplan der britischen Gesandtschaft, Robert Walsh. Drei Tage später warf man die Leiche ins Meer; sie wurde von Griechen auf ein russisches Schiff gerettet, um in Odessa am 28. (16.) Juni 1821 feierlich beigesetzt zu werden.
Die Hinrichtung des Patriarchen erregte internationales Aufsehen und veranlaßte den Zaren, der bislang zwischen der traditionellen Politik des Schutzes der orthodoxen Christen im Osmanenreich und der Verurteilung der revolutionären Erhebung geschwankt hatte, der Pforte gegenüber einen scharfen Ton anzuschlagen - ein neuer russischer Türkenkrieg stand bevor.
G.’ integre Persönlichkeit gibt der Forschung auch heute noch viele Rätsel auf. Das gilt insbesondere für sein Verhalten in den Krisenjahren 1818-1821, das sich aufgrund der bisher ausgewerteten Quellen nicht eindeutig beschreiben läßt.
Zur 50-Jahr-Feier der griechischen Erhebung wurden die Gebeine des Patriarchen nach Athen überführt und dort am 15. Mai 1871 beigesetzt.

Literatur

Angelopulos, K.: Ta kata Grigoriu E'. 2 Bde. Athen 1865.
Kandiloros, Takis: Istoria tu ethnomartiros Grigoriu tu E'. Athen 1909.
Ikonomidis, Stamatis: To chronikon tu apanchonismu tu patriarchu Konstantinupoleos Grigoriu E'. (1821). Athen 1964.
Bairaktaris, Stilianos: O patriarchis Grigorios o E'. ke i metafrasis tis Agias Grafis. Athen 1965.
Frazee, Charles A.: The Orthodox Church and Independent Greece 1821-1852. Cambridge 1969.
Simopulos, Theofanis N.: O ieroethnomartis patriarchis Grigorios o E'. Athen 1973.

Verfasser

Gunnar Hering (GND: 1078119694)

Empfohlene Zitierweise: Gunnar Hering, Grigorios V., in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 88-90 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=907, abgerufen am: 23.11.2024