Guyon, Richard (ab 1850 Hurşid Pascha), ungarischer bzw. türkischer General, * Bath (Somersetshire, England) 1812 (?), † Istanbul 12.10. 1856, aus einer englischen Gentry-Familie französischer (hugenottischer) Herkunft.
Leben
G. trat nach Absolvierung des Gymnasiums in die britische Armee ein, kämpfte dann ab September 1833 in einer britischen Freiwilligenlegion im portugiesischen Feldzug Dom Pedros I. Anschließend trat er in habsburgische Dienste und wurde am 1. Februar 1834 Kadett des 2. Husarenregiments der kaiserlichen Armee. Er wurde am 1. Dezember 1835 zum Leutnant, am 16. April 1839 zum Oberleutnant befördert. In dieser Zeit heiratete er die Baronin Mária Splény, die Tochter des zweiten Regimentsinhabers General der Kavallerie Baron Ignác Splény (22.11.1838). Nach dem Tode seines Schwiegervaters am 20. März 1840 ließ er sich am 10. September 1840 bei Beibehaltung seines Offiziersrangs pensionieren und übernahm die Verwaltung der von der Familie Splény gepachteten Güter. Ab 1842 pachtete er Güter bereits selbständig, zuerst im Komorner, später (ab 10.11.1846) im Barscher Komitat. Inzwischen machte sich G. immer mehr mit den politischen Verhältnissen Ungarns vertraut und wurde Anhänger der liberalen adeligen Bewegung.
Im März 1848 erlebte G. den Ausbruch der Revolution in Pest, trat dann nach seiner Heimkehr in die Nationalgarde ein und wurde Kommandant der berittenen Nationalgarde des Komitates Barsch. Als im August 1848 die Regierung die Komitate aufgerufen hatte, aus Freiwilligen eine sog. „mobile Nationalgarde“ zu bilden, meldete sich auch G., und er kam in das für den Distrikt diesseits der Donau zuständige Lager in Waitzen (Vác), wo er am 15. September im Range eines Honvédmajors das Kommando über ein im Komitat Pest aufgestelltes Infanteriebataillon übernahm. An der Spitze dieses Bataillons traf G. Ende September bei dem sich schon seit Wochen vor Graf Josip Jelačić zurückweichenden transdanubischen Heer ein. Am 29. September beteiligte sich G. aktiv an der Schlacht bei Pákozd (Komitat Fejér), in deren Folge der kroatische Banus in die Flucht geschlagen wurde, und verfolgte diesen bis zur österreichischen Grenze mit.
Am 30. Oktober 1848 nahm G. teil an der von den Ungarn verlorenen Schlacht bei Schwechat (Niederösterreich), wurde aber wegen seines Standhaltens am Tag darauf von Kossuth zum Obersten befördert. Anfang November vertrieb er als Kommandant einer selbständigen Brigade die Truppen des von Mähren eingefallenen Feldmarschalleutnants Balthasar Simunich. Im Dezember, nach der Offensive von Fürst Alfred Windisch-Graetz, schloß er sich wieder dem Armeekorps von der oberen Donau an und zog sich mit diesem über Pest in die oberungarischen Berge zurück. Am 6. Januar 1849 wurde er Kommandant der 4. Division des Armeekorps und bildete in den kommenden Wochen während des Rückzugs dessen Nachhut. Am 11. Januar schlug er die die Honvéds verfolgenden Truppen von Feldmarschalleutnant Freiherr Anton Csorich bei Ipolyság (Komitat Hont) zurück, übernahm dann Ende Januar mit seiner Division die Rolle der Vorhut des Armeekorps. Am 5. Februar besetzte seine Division den Branyiszko-Paß östlich von Leutschau und machte dadurch für das Armeekorps den in das Tal der Hernád führenden Weg frei. In der zweiten Februarhälfte traf G. zusammen mit dem Armeekorps auf dem Hauptkriegsschauplatz entlang der Theiß ein, wo er von Kossuth am 8. März die Ernennung zum Generalmajor, am 9. März den Militärorden 2. Klasse und am 10. März den Auftrag zur Übernahme des Kommandos in der von den Österreichern umschlossenen Komorner Burg entgegennahm. Er konnte hier aber wegen der feindlichen Blockade erst am 21. April erscheinen, nachdem er zwei Tage zuvor als Freiwilliger an der Entlastung bringenden Schlacht von Nagysalló (Komitat Barsch) teilgenommen hatte.
In Komorn betrieb G. energisch die Wiederherstellung der während der Belagerung beschädigten Burg. Artúr Görgey, Kriegsminister und Oberbefehlshaber, mißtraute jedoch als Anhänger der „Friedenspartei“ dem für die Notwendigkeit der konsequenten Durchführung der Ziele der Revolution eintretenden G. und enthob ihn seines Postens. Görgey stellte ihn am 1. Juni an die Spitze des 10. Armeekorps (Reserve). Es war Kossuth zu verdanken, daß G. am 24. Juni wieder einen wichtigeren Posten erhielt: er wurde Kommandant des in der Batschka kämpfenden 4. Armeekorps. Hier griff er am 4. Juli den wieder in das Land eingefallenen Jelačić an und besiegte diesen am 14. Juli bei Kishegyes. Dann zog er im Sinne der Anweisung der Regierung nach Szegedin, um sich den Hauptkräften an der Mieresch anzuschließen, und nahm am 9. August mit diesen zusammen an der verlorenen Schlacht bei Temeschwar teil, in deren Folge die Revolutionsregierung abdanken mußte. Er versuchte noch nach der Schlacht die Reorganisation eines Teils der zersprengten Honvédtruppen, doch nachdem Görgey am 13. August die Waffen gestreckt hatte, überzeugte er sich von der Vergeblichkeit weiterer Bemühungen und flüchtete am 18. August auf türkisches Gebiet.
In der Türkei konnte sich G. dank seiner britischen Staatsbürgerschaft freier bewegen als andere ungarische Emigranten. Er hielt sich anfangs in Istanbul auf, wo er bestrebt war, bei den diplomatischen Vertretern der Großmächte für die Flüchtlinge Beziehungen anzuknüpfen. Er hatte jedoch kaum Erfolg, weswegen er im Herbst 1850 - in der Hoffnung, daß es zwischen der Türkei und Österreich bald zu einem Krieg kommen würde - zum mohammedanischen Glauben konvertierte und als General in die türkische Armee eintrat. Lange nach diesem Schritt verurteilte ihn das kaiserliche Militärgericht am 22. September 1851 in contumaciam zum Tode. Als türkischer General diente er zunächst in Damaskus, wurde dann im Oktober 1853 Generalstabschef der anatolischen Armee. Als solcher nahm er auch am Krimkrieg teil. Er wurde jedoch nach einer verlorenen Schlacht seines Postens enthoben. Man leitete gegen ihn eine Untersuchung ein, doch starb er ganz plötzlich, noch ehe die Untersuchung zum Abschluß gebracht worden wäre, unter verdächtigen Umständen, die auf eine Vergiftung schließen ließen. G.s unedierte Memoiren befinden sich in der Handschriftensammlung der „Széchényi Nationalbibliothek“, Budapest (Quart. Germ. 985).