Herberstein, Sigmund von

GND: 118710656

Herberstein, (ab 1537 Freiherr) Sigmund von, kaiserlicher Diplomat und Schriftsteller, * Wippach (Krain, heute Vipava) 23.08.1486, † Wien 28.03.1566, Sohn des Leonhart von H., Hauptmann zu Adelsberg (Postojna) und Mitterburg (Pisino, Pazan) und der Barbara von Lueg, Tochter des Andreas von Lueg, Burggrafen zu Lienz.

Leben

H. enstammte der Krainer Linie eines altsteirischen Adelsgeschlechtes und wurde zweisprachig (slowenisch und deutsch) erzogen. Da er ein schwächliches Kind war, erhielt er zunächst nicht die übliche ritterliche Erziehung, sondern eine gründliche humanistische Bildung. Nach dem Besuch der Domschule in Gurk (1494) bereitete er sich ab 1497 an der Stadtschule St. Stephan in Wien auf das Universitätsstudium vor und immatrikulierte sich 1499 an der Artistenfakultät, wo damals berühmte Lehrer wie Konrad Celtis und Johannes Cuspinianus wirkten. Nachdem er 1502 das Baccalaureat erworben hatte, setzte er seine Studien noch zwei Jahre, vor allem an der juristischen Fakultät, fort. Diese Ausbildung, verbunden mit H.s vielseitigen Interessen, besonders an der Antike und ihren geographischen Vorstellungen, an der Geschichte und an der Zoologie, ermöglichten ihm später die Abfassung seiner berühmten Schriften und Berichte.
In den Jahren 1506-1514 nahm H. im Dienste Kaiser Maximilians I. an zahlreichen Feldzügen und Kämpfen teil und konnte sich 1510 bei der Verteidigung von Mitterburg und 1514 beim Entsatz der Feste Maran in Friaul auszeichnen. Im selben Jahr wurde er vom Kaiser zum Ritter geschlagen und zum Rat ernannt. Damit begann eine außerordentliche Karriere als Diplomat, in deren Verlauf H. im Dienste von drei Kaisern mit nicht weniger als 69 wichtigen Missionen betraut wurde, die bisweilen mit jahrelangen gefahrvollen und anstrengenden Reisen verbunden waren.
Neben einer heiklen Gesandtschaft nach Dänemark zum skandinavischen Unionskönig Christian II. und einer Mission zu den Eidgenossen (beides 1516) ist H.s Entsendung zum Augsburger Reichstag des Jahres 1518 hervorzuheben, auf dem Karl V. zum römischen König gewählt wurde. Zu KarlV. reiste dann H. 1519/1520 wegen der österreichischen Erbfolgefrage als Vertreter der Steiermark gemeinsam mit den Gesandten der anderen niederösterreichischen Länder nach Spanien. Dabei kamen ihm seine diplomatische Erfahrung und sein höfisches Auftreten sehr zustatten, so daß er sich - im Gegensatz zu dem taktlosen Martin Siebenbürger - die Gunst des Königs zu sichern vermochte. Nach der Teilnahme am Reichstag zu Worms (1521) folgten Missionen in die Niederlande, nach Württemberg, Schwaben und Mainz, nach Böhmen und Polen. Entscheidend wurden für H. seine beiden Gesandtschaftsreisen nach Rußland 1516-1518 und 1526-1527, wobei er jeweils den Auftrag hatte, zwischen dem mit den Habsburgern verbündeten Polenkönig Sigismund und Großfürst Vasilij III. einen Friedensschluß zu vermitteln. Während es auf der ersten Reise nur gelang, den Polenkönig durch eine Heirat enger an Maximilian zu binden, konnte durch die zweite Mission ein fünfjähriger Waffenstillstand zwischen Rußland und Polen herbeigeführt werden. Die große Bedeutung dieser Reisen liegt aber weniger in den diplomatischen Erfolgen als in den darüber abgefaßten Berichten. Als erster Rußlandreisender, der nicht nur humanistisch geschult war, sondern auch die Landessprache beherrschte, konnte H. dem Bedürfnis seiner Zeitgenossen nach wissenschaftlichen Mitteilungen weitgehend entgegenkommen und wurde für die westliche Welt zum „Entdecker Rußlands“. Seine „Rerum Moscoviticarum Commentarii", die er 1549 in lateinischer und 1557 in deutscher Sprache (Moscovia) veröffentlichte, enthalten neben Darstellungen der Nachbarländer Rußlands (Litauen, Skandinavien) eine Geschichte Rußlands, aber auch ausführliche kartographische Angaben, Nachrichten über die Religion, die Regierungs- und Verwaltungspraxis, das Heer-, Münz- und Gesandtschaftswesen, die Rechtspflege, die sozialen Zustände, die Wirtschaftsverhältnisse und das Alltagsleben. Ihr Wert als Primärquelle, an der sich das westliche Rußlandbild durch Jahrhunderte orientierte, ist bis heute unbestritten, auch wenn von der neueren russischen Geschichtsforschung vor allem die Parteilichkeit der Zeugenaussagen, die H. wiedergibt, in den Vordergrund gerückt wurde. (Neuausgabe Graz, Köln 1966.)
Sowohl vor als auch nach den Rußlandreisen haben H. die meisten seiner Missionen nach Südosteuropa, vor allem nach Ungarn, geführt. Auf die zahlreichen Verhandlungen mit König Ludwig II. folgten nach dessen Tod die verschiedensten diplomatischen Bemühungen, um - besonders mit Polen - ein Bündnis gegen König Johann Szapolyai und die Türken zu erreichen. Als besonders gefahrvoll wurde von den Zeitgenossen, teils wegen der türkischen Grausamkeiten, teils wegen der in Ungarn herrschenden Seuchen, jene Gesandtschaft angesehen, die H. gemeinsam mit Niklas von Salm 1541 in das Heerlager Sultan Süleymans bei Ofen führte. Damals konnte zwar kein Friedensvertrag, aber ein Waffenstillstand erreicht werden. Erfolgreicher verliefen 1551 die Verhandlungen mit Szapolyais Witwe, Königin Isabella, die auf Siebenbürgen Verzicht leistete.
Nach 1553 zog sich H. vom diplomatischen Dienst zurück und widmete sich seinem „eigentlichen Beruf“ als Rat und zuletzt Präsident der niederösterreichischen Kammer, aber auch seiner schriftstellerischen Tätigkeit. Neben der deutschen Fassung „Moscovia“ verdient besonders seine Autobiographie Erwähnung. Der Stolz auf seine zahlreichen Ämter und Auszeichnungen, vor allem auf die Erhebung in den Freiherrnstand (1537) und seine Ernennung zum Oberst-Erbkämmerer in Österreich und Oberst- Erbtruchseß in Kärnten (1556) sowie sein ausgeprägtes Selbstbewußtsein kommen in H.s Schriften und Bildnissen deutlich zum Ausdruck.

Literatur

Isačenko, A. V.: Herbersteiniana I. Sigmund von Herbersteins Rußlandbericht und die russische Sprache des 16. Jahrhunderts. Herbersteiniana II. Herbersteins Moskowiterbuch und seine Bedeutung für die russische historische Lexicographie. In: Zeitschrift für Slawistik 2 (1957) 321-346, 493-512.
Picard, Bertold: Das Gesandtschaftswesen Ostmitteleuropas in der frühen Neuzeit. Beiträge zur Geschichte der Diplomatie in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts nach den Aufzeichnungen des Freiherrn Sigmund von Herberstein. Wien 1967 (mit Bibliographie).

Verfasser

Heinz Dopsch (GND: 122952197)

Empfohlene Zitierweise: Heinz Dopsch, Herberstein, Sigmund von, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 148-150 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=952, abgerufen am: 23.11.2024