Horváth, Mihály

GND: 117011568

Horváth, Mihály, römisch-katholischer Bischof, ungarischer Historiker und Kulturpolitiker, * Szentes 20.10. 1809, † Karlsbad (Böhmen) 19.08.1878, Sohn eines Arztes.

Leben

H. ging in Szegedin zur Schule und wurde 1825 Seminarist in Waitzen. Er studierte in Pest Philosophie, wo er 1828 promovierte. Nach der Priesterweihe wurde er 1832 zunächst Seelsorger, Erzieher und Lehrer. 1844 erhielt er eine Dozentur am Wiener Theresianum. Am 23. Januar 1847 erregte er großes Aufsehen mit seiner in der Kapuzinerkirche zu Pest anläßlich der Trauerfeier für den verstorbenen Erzherzog Joseph, Palatin von Ungarn, gehaltenen Ansprache. Noch im selben Jahr wurde er Probst und Pfarrer in Hatvan.
Bereits als Student zeichnete sich H. durch eine liberale Gesinnung aus und fühlte sich trotz seiner adeligen Herkunft berufen, seine Kraft dem Aufbau einer bürgerlichen Ordnung in Ungarn zu widmen. Seine vor der Revolution entstandenen Studien „Az 1514-diki pórlázadás, annak okai s következményei“ (Der Bauernaufstand 1514, dessen Ursachen und Folgen, in: Tudománytár 1841) und „Az ipar és kereskedés története Magyarországban a három utolsó század alatt“ (Die Geschichte von Gewerbe und Handel in Ungarn in den drei letzten Jahrhunderten, Ofen 1840) weisen ihn als einen Anhänger der Bauernbefreiung und der bürgerlichen Umgestaltung Ungarns aus. Er war der erste ungarische Historiker, der auf das elende Schicksal der Leibeigenen hinwies und die Wichtigkeit dieser Schicht vom nationalen Gesichtspunkt aus betonte. In Anerkennung seiner wissenschaftlichen Verdienste wählte ihn die Akademie 1839 zu ihrem korrespondierenden und 1841 zu ihrem ordentlichen Mitglied.
Vor und während der Revolution gehörte H. zu den Liberalen um Kossuth. Nach dem Sieg der Märzgesetze wurde er im Juli 1848 von der Regierung mit dem Bischofssitz von Csanád belohnt; am 14. April 1849 wurde er Unterrichtsminister in der Regierung Szemere. Im Juni 1849 wählte ihn die Stadt Pápa zu ihrem Abgeordneten.
Nach der Niederlage der Honvéds mußte H. fliehen und wurde 1851 in Abwesenheit zum Tode verurteilt. In der Emigration - er lebte in Belgien, Frankreich, Italien und der Schweiz - setzte er sein wissenschaftliches Werk fort. Seine bedeutendsten Werke entstanden in diesem Lebensabschnitt: „Huszonöt év Magyarország történetéből 1823-1848“ (Fünfundzwanzig Jahre aus der Geschichte Ungarns 1823-1848, 3 Bände, Genf 1863; Pest 1868) und „Magyarország függetlenségi harczának története 1848 és 1849-ben“ (Die Geschichte des Unabhängigkeitskampfes Ungarns 1848 und 1849, 3 Bände, Genf 1865; Pest 1871). Diese Werke stützen sich auf viel Selbsterlebtes, was aber deren wissenschaftliche Fundierung nicht beeinträchtigt. H.s Wirken als Geschichtsschreiber war richtungweisend für die kommende ungarische Historikergeneration. Seine Bedeutung liegt sowohl in seiner Themenwahl als auch im kunstvollen Aufbau seiner Werke.
Nach dem Ausgleich vom Jahre 1867 kehrte H. nach Ungarn zurück und wurde Vizepräsident der neu gegründeten „Ungarischen Historischen Gesellschaft“ (Magyar Történelmi Társulat) und Geschichtslehrer des Kronprinzen Rudolf.  Er stellte sich auf die Seite des Ausgleichs und unterstützte die „Deákpartei“. 1868 wurde er Mitglied der angesehenen literarischen „Kisfaludy-Gesellschaft“, 1877 auch Präsident der „Ungarischen Historischen Gesellschaft“. 1869-1875 war H. Abgeordneter der Stadt Szegedin; im Februar 1876, nach dem Tode von Ferenc Deák, schickte ihn der 1. Wahlbezirk der Stadt Pest erneut ins Parlament.

Literatur

Márki, Sándor: Horváth Mihály. Budapest 1917.
Pamlényi, Ervin: Horváth Mihály. Budapest 1954.
Fenyő, István: A demokrácia történetírója. Horváth Mihály reformkori történetírásáról. In: Ders.: Haza és tudomány. A hazai reformkori liberalizmus történetéhez. Budapest 1969, 33-123.
R. Várkonyi, Ágnes: Horváth Mihály társadalomtörténeti szemlélete. In: Dies.: A pozitivista történetszemlélet a magyar történetírásban. Bd 2. Budapest 1973, 93-112.

Verfasser

Joseph Boedy

Empfohlene Zitierweise: Joseph Boedy, Horváth, Mihály, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 185-186 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=977, abgerufen am: 04.12.2024