Hurban, Jozef Miloslav, slowakischer Schriftsteller und Politiker, * Beckov (Beckó, Komitat Trentschin) 19.03.1817, † Hlboké (Hluboká, Komitat Neutra) 21.02.1888, aus einer alten Pfarrer- und Lehrerfamilie im oberen Waagtal.
Leben
H. besuchte das Untergymnasium in Trentschin, dann 1830-1840 das Preßburger Lyzeum. Dort stieß er zum Freundeskreis L’udovít Štúrs, dem er sein Leben lang verbunden blieb. Als dessen ergebenster Mitarbeiter war er - der ihm Kongeniale - jedoch geistig durchaus selbständig. Von unbändiger Energie und einer schier unerschöpflichen Initiativkraft, verkörperte H. den idealen Typus eines Kämpfers. Für H.s nationales und volkliches Bewußtsein war seine Reise nach Mähren und Böhmen 1839 bedeutsam. Er legte dazu seine Gedanken in dem Buch „Cesta Slowáka ku bratrům Slowanským na Morawě a w Čehách 1839“ (Reise eines Slowaken zu den slawischen Brüdern in Mähren und Böhmen 1839; neu herausgegeben von Jozef Ambrus 1960) nieder. Auf dieser Reise durch die böhmischen Länder begegnete er zahlreichen tschechischen Persönlichkeiten wie Schriftstellern, Redakteuren und Politikern, von denen sich keiner für die nationale Entwicklung interessierte. Sein Erstaunen darüber wurde zur bitteren Enttäuschung, als er feststellte, daß von tschechischer Seite nichts unternommen wurde, um den von der Magyarisierung bedrohten Slowaken zu helfen.
Nach Beendigung seiner Studien wurde H. zunächst Geistlicher in Brezov (Nyirjes, Komitat Sáros). Im Jahre 1842 gab er den ersten Band seines Almanachs „Nitra“ heraus, der ursprünglich noch in tschechischer Sprache geschrieben war und nur später ins Slowakische übertragen wurde. 1843 wurde H. Pfarrer in Hlboké, wo er zeitlebens blieb.
In seinem Beruf als evangelischer Pfarrer tat sich H. als kirchlicher und theologischer Schriftsteller hervor. Die Universität Leipzig verlieh ihm für seine Verdienste das Ehrendoktorat. Er war ein eifriger Lutheraner, der für die Selbständigkeit der lutherischen Kirche in Ungarn heftig kämpfte. Im Jahre 1846 gab er die Schrift „Unia čili spojení Lutheranů s Kalviny v Uhrách“ (Die Union oder die Vereinigung der Lutheraner mit den Kalvinern in Ungarn) heraus, in der er die Ansicht Graf Károly Zays über die Vereinigung der beiden reformatorischen Bekenntnisse als einen Angriff auf die slowakische kirchliche Selbständigkeit in der lutherischen Kirche ablehnte. Ab 1863 verteidigte H. seinen theologischen Standpunkt in der Zeitschrift „Církevní listy“ (Kirchenbriefe). In der gleichen Richtung veröffentlichte er 1861 in Skalitz ein Buch unter dem Titel „Cirkev evanjelicko-lutheránská“ (Die evangelisch-lutherische Kirche) und kämpfte für den gleichen Grundsatz, als das Septemberpatent vom Jahre 1859 die Selbständigkeit der lutherischen Kirche bedrohte.
Trotz seines geistlichen Amtes stellte sich H. 1848 an die Spitze des slowakischen Aufstandes und kämpfte gegen die magyarische Revolution auf der Seite des Kaisers. Nur in Zeiten, in denen seine öffentliche Tätigkeit nicht seine ganze Persönlichkeit beanspruchte, warf sich H. leidenschaftlich auf die literarische Arbeit und die Organisation literarischer Unternehmungen. Neben der literarischen Zeitschrift „Nitra“ gab er ab 1846 die „Slovenské Pohl’ady“ (Slowakische Rundschau) heraus, die nach ihrem Untertitel zu schließen, eine Zeitschrift für Wissenschaft, Kunst und Literatur sein wollte. Mit seinen Zeitschriften und kritischen Beiträgen übte H. einen großen Einfluß auf die Entwicklung der slowakischen Sprache aus, die von Štúr ein neues Profil erhalten hatte. H.s belletristische Arbeiten gehören zu den besten der slowakischen Romantik. Sie fesseln den Leser durch ihren Stoff und ihre Tendenz. Als Stoff diente H. meist die altslawische Geschichte des 9. Jh.s. Die bekanntesten Titel sind „Svatoplukovcí“ (Die Nachfahren Svatopluks) und „Olejkár“ (Der Quacksalber). Die erste Erzählung verklärt die Geschichte Großmährens und versucht die Gestalt des Herrschers Svatopluk wieder in das Bewußtsein der Leser zu bringen, der „Quacksalber“ hingegen ist ein Roman, der im 14. Jh. spielt und sich mit der Gestalt von Matúš Čák beschäftigt. Eine spannende und zugleich verwirrende Fabel führt den Leser dabei ins literarische Halbdunkel. In derselben Art behandelt er seinen Stoff auch in der Sage „Gottšalk“, die ein Thema aus der heidnischen Zeit aufgreift.
H. beschränkte sich nicht nur auf historische Stoffe. Er behandelte auch zeitgenössische Themen, verfaßte Reisebeschreibungen und beschäftigte sich mit der Gesetzmäßigkeit der künstlerischen Komposition, indem er in der Art Goethes „Dichtung und Wahrheit“ miteinander verband. Am Ende seines Lebens begann H. die Biographie seines Lebens- und Kampfgefährten Štúr herauszugeben. Er legte die Lebensbeschreibung sehr breit an und ist damit mit den drei erschienenen Bänden nicht fertig geworden. Die Biographie ist aber heute noch eine wichtige Quelle für die geistige Entwicklung des Slowakentums im 19. Jh. (neu herausgegeben von Jozef Štolc 1959).
Als Politiker und Ideologe war H. ein Anhänger der slowakisch gefärbten großmährischen Idee. Er hatte sich auch dem „Svatopluk-Kult“ und der „Tatra-“ und „Nitra-Idee“ verschrieben. Für die slowakische Eigenständigkeit eintretend, lehnte er die tschechoslowakisierende und die magyarophile Richtung unter den Slowaken ab. Die Geschichtsideologie war nicht seine Schöpfung, sondern er übernahm sie von Šafarík und Kollár. Ähnlich wie die tschechischen Schriftsteller, strebte er ein enges Bündnis zwischen dem slowakischen Volk und dem heimatbewußten oberungarischen Adel an. Doch die Magyarisierung des Adels war schon zu weit fortgeschritten. Daher findet man 1848/49 bei ihm eine starke Abneigung gegen den Adel.
Literatur
Tomčík, Miloš: Slovo života a skutočnosti. In: Slov. Pohl’. 72 (1956) 102-108.
Ormis, Ján: Bibliografia L’udovíta Štúra. Martin 1958.
Mrlian, Ondrej: Jozef Miloslav Hurban. Martin 1959. = Priekopníci našej prítomnosti. 10.
Bakoš, L’udovít: Štúrovci a slovenská škola v prvej polovci 19. storočia. Bratislava 1960.
Bokes, František: Dokumenty k slovenskému národnému hnutiu v rokoch 1848-1914. Bratislava 1962.
Šmatlák, Stanislav: Pokus o oživenie československej literárnej vzájomnosti. In: Slov. Lit. 9 (1962) 166-178.