Ibrahim Pascha, osmanischer Großwesir 1523-1536, * bei Parga in Epirus 1494, † Istanbul 14./15.03.1536, Sohn des späteren Renegaten und Sandschakbeys Yunus.
Leben
Wie, wann und durch wen der Knabe seiner Heimat entrissen wurde, bleibt im Gestrüpp widersprüchlicher Berichte unklar. Sicher ist, daß er türkisch lernte, muslimische Bildung erhielt und im Dienste des Prinzen Süleyman dessen Bewunderung, Freundschaft und Vertrauen gewann. Auf diesem Fundament erhob sich eine Laufbahn ohne Beispiel. Als der Prinz 1520 den Thron bestieg, kam I. mit in die Hauptstadt. Er bekleidete verschiedene Hofämter im unmittelbaren Gefolge Süleymans, war beim Feldzug nach Belgrad (1521) ebenso an seiner Seite, wie bei der Eroberung von Rhodos (1522). Gunstbeweise des Sultans, etwa der Palast, den er ihm am Hippodrom errichten ließ (1521), widerspiegeln sein wachsendes Ansehen und stärkten seinen Einfluß. So entbehrte es keineswegs der Konsequenz, als Süleyman seinen Günstling 1523 gegen allen Brauch aus dem Seraildienst direkt ins Großwesirat berief und ihn zusätzlich zum Beylerbey von Rumelien machte, womit die beiden wichtigsten Staatsämter in seiner Hand vereinigt waren. Als weitere Auszeichnung folgte wenig später die Hochzeit mit der Sultansschwester Hadice. I. bewährte sich im Amt und festigte seine Stellung. In Ägypten, wo ein Aufstand niedergeschlagen worden war, stellte er eine dauerhafte Ordnung her (1524-1525). Eine Janitscharenrevolte, die seine Gegner angezettelt hatten, veranlaßte Süleyman, ihn zurückzurufen. Zum Oberbefehlshaber (Serasker) ernannt, bereitete er den ungarischen Feldzug Süleymans vor, der mit Mohacs (1526) und der Niederlage Ungarns endete. Während des Feldzugs hatten in Anatolien Aufstände begonnen, in denen sich wirtschaftlich-soziale und religiöse Ursachen verbanden. Es gelang Ls geschicktem Vorgehen, die Gruppen zu spalten und zu besiegen. Wiederum als Serasker führte er unter den Augen des Sultans den Feldzug nach Wien (1529). Er verhandelte mit den Botschaftern Ferdinands I. und stand nach dem Scheitern wieder mit an der Spitze des Feldzuges, der 1532 nicht über die Belagerung von Güns hinauskam. Danach führte er die Verhandlungen, die wegen der Kriegsgefahr im Osten ein Abkommen mit Ferdinand brachten. Im selben Jahre noch begannen die Auseinandersetzungen mit dem safawidischen Schah Fahmasp, die wiederum Süleyman im Heer und I. in der Funktion des Oberbefehlshabers sahen. Im nächsten Jahr (1536) leitete I. die Verhandlungen, die zum Abschluß der berühmten Kapitulation mit Frankreich führten, welche die Sonderstellung Frankreichs im Osmanischen Reich begründete. Sie war Ausdruck jener Interessengemeinschaft, die Frankreich und die Osmanen im Kampf gegen Habsburg zusammengeführt hatte, was wiederum habsburgisch-safawidische Kontakte zeitigte. I. führte die Geschäfte mit großer Intelligenz, wußte sich über sämtliche politischen und militärischen Vorgänge des Auslandes hervorragend zu informieren. Er erkannte schnell und sicher die schwachen Seiten des Gegners und nützte sie rücksichtslos. Er war sich der Größe und Macht des Reiches bewußt und verstand sie in die diplomatische Waagschale zu werfen. Doch Ehrgeiz und Arroganz stritten mit seiner Intelligenz. Er wollte Macht nicht nur ausüben, er wollte sie zur Schau stellen, sie genießen. Der Sultan tat nichts, ihn daran zu hindern. So redete er ihn in einem Ferman ausdrücklich mit „Stellvertreter des Sultanats“ (kaymakam-i saltanat) an, legte schriftlich fest, daß I.s Wort wie seines gelte. Am deutlichsten äußerte sich Ls hochfahrende Lust an der Macht, als er die Statuen des Herkules, der Diana und des Apollo, die er in Ofen erbeutet hatte, zum Ärgernis jeden Muslims, vor seinem Palast aufstellen ließ. Kritik vertrug er nicht. Den Verfasser eines Spottverses ließ er hinrichten. Als der reiche und angesehene Ba?defterdar Iskender gelebt die im Heer um sich greifende Anrede „Serasker Sultan“ unpassend fand, erreichte I. seine Absetzung und Hinrichtung. Es ist nicht leicht zu entscheiden, ob I. Siileymans Politik durchführte, oder ob Süley man Ls Politik deckte. Während die historische Perspektive aber für Süleymans Führung spricht, war für Ls Selbstgefühl, dem er christlichen Botschaftern gegenüber voll Arroganz die Zügel schießen ließ, die eigene Dominanz eine Tatsache. Ohne jegliches sichtbare Vorzeichen kam nach vierzehnjähriger Amtszeit das Ende: in der Nacht vom 14. auf den 15. März 1536, die er im Serail verbrachte, wurde er auf allerhöchsten Befehl erdrosselt und in aller Heimlichkeit im Friedhof des Derwischklosters Canfedä bestattet. Die verschiedensten Erklärungen werden dafür vorgebracht, bis hin zur Eifersucht seiner hochgeborenen Ehefrau. Ein Grund allein reicht sicherlich als Erklärung nicht aus. Süleyman muß sich allmählich klar geworden sein, daß I. seiner Herrschaft gefährlich wurde und da mögen all die einzelnen Punkte ihre Rolle gespielt haben. Gerade aber gegenüber solchen Gefahren, das zeigen auch spätere Beispiele, handelte Süleyman schnell und entschieden. Ls Verhängnis war letztlich, daß er vergessen hatte, wo die wirkliche Basis seiner Macht lag.
Literatur
Jenkins, Hester Donaldson: Ibrahim Pasha. Vizir of Suleiman the Magnificent. New York 1911.
Babinger, Franz: Die älteste türkische Urkunde des deutsch-osmanischen Staatsverkehrs. In: Der Islam 10 (1920) 134-146.
Gökbilgin, M. Tayyib: Ibrâhim Paşa. In: Islam Ansiklopedisi. Bd V/2. Istanbul 1950, 908-915.
Ders.: Arz ve raporlarına göre Ibrahim Paşa’nın Irakeyn seferindeki ilk tedbirleri ve fütuhatı. In: TTK Belleten 21 (1957) 449-482.
Uzunçarşılı, Ismail Hakkı: Kanunî Sultan Süleyman’ın vezir-i âzamı makbûl ve maktûl Ibrahim ve Ibrahim Paşa Padişah dâmadı değildi. In: TTK Belleten 29 (1965) 355-361.
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