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Koloman (Kálmán, Columbanus), König von Ungarn 1095-1116, * um 1074, † 3.02.1116, ältester Sohn König Gézas I.
Leben
Ursprünglich zum Geistlichen bestimmt, verzichtete K. nicht auf sein Nachfolgerecht und wurde nach dem Tode seines Onkels, König Ladislaus’ I., ohne Widerspruch zum König gekrönt. K.s Politik und Gesetzgebung lassen auf die Vollendung des durch die Unruhen im 11. Jh. unterbrochenen Staatsausbaus und auf die Festigung der neuen gesellschaftlichen Verhältnisse schließen. Die scharfen Maßnahmen Ladislaus’ I. gegen Eigentumsdelikte und die schweren Strafen für heidnische Bräuche schienen nicht mehr notwendig. Das um 1100 erlassene I. Gesetz (von Tarcal, in der Redaktion des Klerikers Albericus bekannt) und die etwas späteren Synodalbeschlüsse von Gran enthalten auch Regelungen über den Handel, über Mohammedaner und Juden, ferner über verschiedene, in Abhängigkeit geratene Schichten. Auf den wichtigen Königsgütern war zur Zeit K.s „das Absinken der Gemeinfreien und der endgültige Ausbau der Komitatsverfassung [Burgbezirkssystem] im wesentlichen vollendet“ (Lederer). Der Beginn der Herrschaft K.s war durch die durch Ungarn ziehenden Scharen des 1. Kreuzzuges gestört. In Kroatien setzte K. den von König Ladislaus begonnenen Krieg fort. 1097 kam es zur Entscheidungsschlacht an den Hängen des Gvozd (heute Petrova Gora) südlich der Kulpa, wobei auch der letzte kroatische König Peter II. fiel. Zur Sicherung der Eroberungen, vor allem gegen Venedig, verbündete sich K. mit Graf Roger von Sizilien und heiratete, gleichfalls 1097, dessen Tochter Buzilla. Nach einem erfolglosen, dynastisch motivierten Feldzug nach Galizien, in dem die Ungarn 1099 bei Przemyśl eine verheerende Niederlage erlitten, wandte sich K. 1102 wieder dem Süden zu: Er besetzte das restliche Kroatien und ließ sich in Biograd zum kroatischen König krönen. Kroatien und Dalmatien erschienen von dieser Zeit an im ungarischen Königstitel, der jetzt nicht mehr „personalverbandsmäßig“ (rex Hungarorum), sondern „territorial“ (rex Hungariae, Croatiae et Dalmatiae) formuliert wurde. 1102 soll es auch zu dem umstrittenen Vertrag zwischen K. und den Kroaten gekommen sein, den „Pacta conventa“, dessen Text in einer Nachschrift vom Ende des 13./Anfang des 14. Jh.s zur „Historia Salonitana“ des Thomas Archidiaconus enthalten ist. Das seit 1097 von Venedig verwaltete, jedoch rechtlich zu Byzanz gehörende Dalmatien wurde 1105 von Byzanz an Ungarn abgetreten, nachdem K.s verwitwete Kusine Pnoska (Irene) sich mit Johannes (II.) Komnenos vermählt hatte. K. sicherte den dalmatinischen Städten weitgehende Autonomie zu, wie auch die Privilegien der kroatischen Herren bestätigt wurden. In Kroatien und Slawonien setzte er einen ungarischen Banus, comes Ugra, als Statthalter ein. K., dem selbst Papst Urban II. die Kenntnis der heiligen Canones bestätigte (daher sein volkstümlicher Beiname „Könyves“, d. h. der Bücherfreund), stand zwar von Anfang an zum Reformpapsttum, doch der Einfluß der Kurie verstärkte sich, als Papst Paschalis II. K.s Eroberungen anerkannt hatte. Die römischen Ansprüche auf Lehnshoheit über Kroatien und Dalmatien wurden fallengelassen, und K. verzichtete als Gegenleistung auf die Investitur (Konzil von Guastalla 1106). Er liquidierte damit die kaiserliche Orientierung seines Vorgängers. Herzog Almos (Almas), K.s jüngerer Bruder, der 1091 als Statthalter in Kroatien eingesetzt worden war und 1105 das traditionelle Herzogtum, einen Gebietsstreifen im Norden und Osten des Landes, erhielt, empörte sich bereits 1098 und versuchte auch 1106 mit deutscher und polnischer und 1108 mit deutscher und böhmischer Hilfe, das Königtum zu erlangen. Die Interventionen scheiterten, und K. ließ Álmos und dessen fünfjährigen Sohn Béla (II.) - um sie für die Herrschaft unfähig zu machen - 1113 blenden und in das Kloster von Dömös sperren. Das Herzogtum wurde aufgehoben, und diese noch aus der Landnahmezeit stammende Institution verschwand nunmehr aus der Geschichte des Landes. Aus K.s im Jahr 1107 geschlossenen Ehe mit Eufemia, der Tochter des Großfürsten Vladimir Monomach von Susdal, wurde ihm ein Sohn, Boris, geboren, jedoch erst, nachdem die Königin des Ehebruchs bezichtigt und verbannt worden war. Obwohl vom Vater nie anerkannt, hielt Boris an seinem Thronfolgerecht bis zu seinem Lebensende fest. K. wurde als erster König seit Stephan I. - in Stuhlweißenburg begraben.
Literatur
Závodszky, Levente: A Szent István, Szent László és Kálmán korabeli törvények és zsinati határozatok forrásai. Budapest 1904.
Deér, Joseph: Die dalmatinische Munizipalverfassung unter der ungarischen Herrschaft bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts. In: Ung. Jb. 11 (1931) 377-387.
Ders.: Die Anfänge der ungarisch-kroatischen Staatsgemeinschaft. In: Arch. Eur. Centro-Orient. 2 (1936) 5-45.
Lederer, Emma: A feudalizmus kialakulása Magyarországon. Budapest 1959.
Mezey, László: Ungarn und Europa im 12. Jahrhundert. In: Mayer, Theodor (Hrsg.): Probleme des 12. Jahrhunderts. Konstanz 1968.
Jurčić, Hrvoje: Die sogenannten „Pacta conventa“ in kroatischer Sicht. In: Ungarn-Jb. 1 (1969) 11-22 (mit Bibliographie).
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