Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Konica, Faik

Konica, Faik (Pseudonym Trank Spiro Bey), albanischer Politiker und Publizist, * Konitsa (heute Griechenland) 15.03.1876 (nach anderen Quellen 1875), † Boston 15.10. 1942, Sohn des Shahin Bey K.; seine Mutter war eine geborene Delvina.

Leben

K. erhielt seine erste Schulausbildung in Konitsa, und zwar in türkischer Sprache. Er besuchte dann das Jesuitenkolleg in Skutari und darauf das französische Galata-Lyzeum in Istanbul. Zum Studium ging K. 1890 nach Frankreich und legte 1895 an der Universität von Dijon sein Diplom in Romanischer Philologie ab. Zur Fortsetzung seines Studiums ging er an die Sorbonne in Paris und später noch in die USA. Bereits 1890 begann sich K. mit albanischer Sprache, Literatur und Geschichte zu beschäftigen und Artikel über Albanien für eine Pariser Zeitung zu schreiben. Im September 1897 siedelte K. von Paris nach Brüssel über und begründete dort die Zeitschrift „Albania“, die bis zum Zweiten Weltkrieg bedeutendste Zeitschrift in albanischer Sprache, die Beiträge aus dem Bereich von Politik, Sprache, Literatur, Geschichte und Volkskunde in albanischer, französischer, in geringer Zahl auch in türkischer Sprache enthielt. Viele Namen, die später im politischen, literarischen und kulturellen Leben Albaniens bekannt wurden, erschienen das erste Mal in dieser Zeitschrift. K. entdeckte Kristoforidhi, Mitko, Fishta und Çajupi und machte sie bekannt. Fan Noli berichtet, daß er auf K.s Rat hin begonnen habe, Shakespeare, Ibsen, Edgar Allan Poe und Cervantes zu übersetzen. Die Zeitschrift „Albania“ trug stark zur Herausbildung des albanischen Nationalbewußtseins bei, gleichzeitig aber auch dazu, daß die albanische Frage im Ausland bekannt wurde. Anfänglich griff K. in seiner Zeitschrift die Albanienpolitik der türkischen Regierung und die der Nachbarländer Albaniens, vor allem Griechenlands, an. Später trat er, auf eine Anregung des österreichisch-ungarischen Außenministers hin, für eine Verständigung mit der Türkei ein. Die ersten vier Nummern finanzierte er aus eigenen Mitteln und mit Spenden albanischer Landsleute; später interessierte sich Österreich-Ungarn dafür und subventionierte die Zeitschrift. Sie wurde im Ausland und in den verschiedensten Teilen des Osmanischen Reiches verbreitet, hauptsächlich mit Hilfe der österreichisch-ungarischen
 Konsulate und der Bibelgesellschaft. Gedruckt wurde sie in einem Alphabet mit lateini- sdien Lettern, das K. selbst zusammengestellt und den speziell albanischen Lauten angepaßt hatte, und das er auch nach dem Kongreß von Monastir beibehielt. Am 22. Juni 1898 teilte er dem österreichischen Außenminister Goluchowski die Gründung der Gesellschaft „La renaissance albanaise“ (Perlindja shqiptare) mit und schickte ihm zur Einsicht ihr Statut. Ziel dieser Gesellschaft sollte sein, „alle wirklichen und aktiven Patrioten zu sammeln und bei der türkischen Regierung auf Konzessionen gegenüber der nationalen Sache zu drängen.“ Als möglicher Präsident der Gesellschaft wurden Abidin Pascha Dino-Preveza, der ehemalige türkische Außenminister und Gouverneur des griechischen Archipelags, sowie Ibrahim 7emo in Aussicht genommen. Über diese Gesellschaft ist sonst nichts weiter bekannt. 1902 siedelte K. nach London über und setzte dort die Herausgabe der „Albania“ fort. In London begann auch seine Freundschaft mit dem französischen Dichter Guillaume Apollinaire, der 1903 und 1904 sein Gast war. In der von Apollinaire herausgegebenen Zeitschrift „Le Festin d’Esope' schienen in der gleichen Zeit zwei Beiträge K.s. K. gab die Zeitschrift „Albania“ bis 1910 heraus, dann verließ er London und reiste in die USA, wo er als Organ der Albanervereinigung „Vatra“ (Der Herd) in Boston die Zeitung „Dielli“ (Die Sonne) redigierte. In Saint Louis veröffentlichte er 1911 einige Nummern der Zeitung „Trumbeta e Krujës“ (Die Trompete von Kruja). 1912 wurde er dann Sekretär von „Vatra“, als deren Delegierter er 1913 nach London fuhr, um dort die albanische Sache zu vertreten. Vom 1. bis 3. März 1913 nahm K. am Kongreß von Triest teil, als einer der ca. 300 Delegierten, die dort über das Schicksal Albaniens berieten. K. und Dervish Hima waren die Hauptreferenten auf diesem Kongreß. Auf der Botschafterkonferenz in London war er es, der am heftigsten der Abtretung eines Teiles von Südalbanien widersprach, dem auch seine Heimatstadt Konitsa angehörte, die jetzt zu Griechenland kam. Von dieser Zeit an begann er sich von der österreichisch-ungarischen Politik zu distanzieren, die er später offen beschuldigte, sich nur für die Nordgrenzen der von den Katholiken besiedelten Gebiete zu interessieren, um gegen die Slawen ein Gegengewicht zu schaffen, während sie die Frage der Südgrenze völlig vernachlässigte. 1914, unter der Regierung Esad Pascha Toptanis, war K. kurzfristig albanischer Generalkonsul in Washington. Danach kehrte er nach Europa zurück und nahm seinen Aufenthalt zunächst in Wien, dann in Feldkirch (Vorarlberg) und schließlich in Baden, wo er als vermutlicher italienischer Spion unter Polizeiaufsicht stand. K. wies diesen Vorwurf kategorisch zurück, protestierte gegen die polizeilichen Nachstellungen, verließ Österreich und begab sich nach Lausanne, wo sich bereits Mehdi und Midhat Frashëri aufhielten. Hier gab K. am 2. November 1915 seine bekannte Schrift „L’Allemagne et l’Albanie“ heraus, in der er die deutsche Balkanpolitik und besonders ein Projekt, das die Aufteilung Albaniens zwischen Bulgarien und Griechenland vorsah, heftig angriff. Im März 1916 finden wir K. zusammen mit Dervish Hima in Sofia, österreichische Konsularbeamte und Agenten verdächtigten ihn, bald für Italien zu arbeiten, bald einen türkischen Prinzen auf den albanischen Thron bringen zu wollen. Nur die Interventionen des österreichischen Konsuls in Skutari August Kral und des österreichischen Generalkonsuls in Albanien Alfred Rappaport, die beide K. gut kannten, verhinderten erseine Internierung. Im Juli 1916 weilte K. erneut in Baden; es ist nicht bekannt, wie lange er dort blieb, denn seine Beziehungen zu den österreichischen Behörden blieben gespannt. 1921 wurde er Präsident der „Vatra“ und redigierte die Zeitung „Dielli“, in der er seine eigene Rubrik hatte. 1926 wurde K. von Zogu zum albanischen Botschafter in den USA ernannt, eine Stellung, die er bis zur Okkupation Albaniens durch die Italiener 1939 behielt. K. war ohne Zweifel der bedeutendste albanische Intellektuelle seiner Zeit, der mit gleichgroßer Kompetenz über Themen aus den Bereichen der Sprachwissenschaft, Philosophie, Geschichte und Literatur schrieb. Er wies als erster auf die Notwendigkeit kritischer Ausgaben der älteren albanischen Schriftsteller und auf die der Schaffung einer einheitlichen albanischen Literatursprache hin und bemühte sich, die albanische Sprache von fremden Elementen zu reinigen und neue Wortbildungen zu schaffen, die sich noch heute im Albanischen erhalten haben. Durch seine Ausbildung in Frankreich und den USA, seine Verbindungen zu literarischen und gesellschaftlichen Kreisen und seine diplomatische Karriere war er bei seinen intellektuellen albanischen Zeitgenossen nicht sehr beliebt, und auch heute noch wird er von der albanischen Historiographie gern verschwiegen. K.s literarisches Werk ist nicht sehr groß; die unzähligen Artikel in den von ihm redigierten Periodika sind allerdings noch nicht in einer Gesamtausgabe veröffentlicht. Der größte Teil seiner Artikel erschien in „Albania e Vogël“ (Kleines Albanien) als Beilage zur Zeitschrift „Albania“ (1899-1901). 1900 veröffentlichte er in Brüssel den „Kalendari i maleve me zbukurime“ (Almanach der Berge). Danach gab er „Jeta e Skënderbeut“ (Leben Skanderbegs, 1912) und das satirische Werk „Dr. Gjëlpera“ (1924) heraus. 1929 erschien „Si m’u duk Shqipëria“ (Wie mir Albanien erscheint) - in dem er seine Eindrücke über Albanien widergibt, die nicht sehr günstig ausfallen. Von Interesse sind auch sein postum in englischer Sprache erschienenes Werk „Albania. The Rock Garden of Southeastern Europe and other Essays“ sowie sein unveröffentlichtes „Mémoire sur le mouvement national albanais“, dessen Handschrift sich im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien befindet. K.s Bruder Mehmed Bey K. absolvierte ebenfalls das Galata-Lyzeum in Istanbul und wurde dann zum türkischen Konsul auf Korfu ernannt. Unter Ismail Qemal Vlora war er albanischer Gesandter in London (1912-1913). Am 2. Januar 1918 leitete er in Durazzo eine albanische Nationalversammlung, die eine Provisorische Regierung unter dem Vorsitz von Tarban Pascha aufstellte, der er selbst angehörte. Auf dem Kongreß von Lushnja (21. - 31.1. 1920) wurde Mehmed Bey K. als Muslim zusammen mit dem katholischen Bischof Luigj Bumçi und dem orthodoxen Mihal Turtulli zur Friedenskonferenz nach London geschickt, um die Rechte des albanischen Volkes zu vertreten. In London war bereits 1919 seine Broschüre „The Albanian Question“ erschienen. Während der Regierung Fan Nolis (1924) war er albanischer Botschafter in London und bemühte sich dort vergeblich, England zur Anerkennung der neuen albanischen Regierung zu bewegen. Sein weiteres Schicksal ist unbekannt.

Literatur

Mann, Stuart E.: Albánián Literature. London 1955, 99-101.
Noli, Fan Stylian: [Einleitung zu] Faik Konica: Albania. The Rock Garden of Southeastern Europe and other Essays. o.O. 1957, XV-XLV.
Schiro, Giuseppe Jun.: Storia della letteratura albanese. Milano 1959, 200-201.
Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Politisches Archiv, Albanien XII/2, Personalia 11/341.

Verfasser

Hasan Kaleshi (GND: 1084144948)

GND: 119341034

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd119341034.html


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Empfohlene Zitierweise: Hasan Kaleshi, Konica, Faik, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 450-453 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1161, abgerufen am: (Abrufdatum)

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