Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Mihalache, Ion

 Mihalache, Ion, rumänischer Politiker, * Topoloveni (Kreis Argeş, Walachei) 03.03.1882, † 1964.

Leben

 Nachdem der Bauernsohn M. 1905 in seinem Heimatort Topoloveni Lehrer geworden war, gründete und förderte er dort eine Genossenschaft. 1912 wählte ihn eine Standesorganisation der Lehrer zu ihrem Vorsitzenden, worüber sie sich spaltete. Beeinflußt von den sozialpolitischen Gedanken Constantin Steres, propagierte er in der Zeitschrift dieser Gruppe „Vremea nouă“ (Die neue Zeit) die Gründung einer bäuerlichen Klassenpartei. Im Dezember 1918 gründete er die „Bauernpartei“, nachdem Versuche, Nicolae Iorga und General Alexandru Averuscu zur Mitarbeit zu gewinnen, fehlgeschlagen waren. Das Dekret über die Landreform, mit dem die Regierung am 15. Dezember 1918 ein 1917 von König Ferdinand I. gegebenes Versprechen einlöste, verurteilte er als rein politischen Kompromiß ohne Berücksichtigung der wirtschaftlichen Auswirkungen, der einem Bauernaufstand zuvor kommen sollte. Im Oktober 1919 brachten die ersten allgemeinen Wahlen in Rumänien M.s Partei einen großen Erfolg. Als Landwirtschaftsminister (16.12.1919 - 13.03.1920) einer mit der siebenbürgischen „Nationalpartei“ gebildeten Koalitionsregierung arbeitete er einen Gesetzentwurf für eine radikale Agrarreform aus, der ökonomisch viel weitsichtiger geplant war, als das Dekret von 1918. Wie in Bessarabien, wo zuvor die von der russischen Revolution geschaffene Lage teilweise legalisiert worden war, sollte aller Grundbesitz über 100 ha enteignet und an die Bauern verteilt werden. Ungeachtet eines Obstruktionsversuchs König Ferdinands brachte M. am 12. März 1920 die Vorlage im Parlament ein. Unter dem Einfluß der liberalen Partei entließ daraufhin der König die Regierung. Umfangreiche Manipulationen bei den Neuwahlen bewirkten ein schwaches Abschneiden der Koalition. Die Schrift „Proectul legei de împroprietărirea ţăranilor“ (Der Gesetzesentwurf über die Ausstattung der Bauern mit Eigentum, Bukarest 1920), in der M. außer dem Entwurf auch seine einführende Rede vor dem Parlament veröffentlichte, läßt die Ziele erkennen: In einer auf bäuerlichem Kleinbesitz basierenden Volkswirtschaft sollten Latifundien allenfalls als Versuchs- und Mustergüter einen Platz behalten. Der Boden dürfte nur dem, der ihn bearbeitete, gehören und nicht mehr Quelle von Einkünften und Spekulationsobjekt sein. Während der nun folgenden Vorherrschaft der Liberalen, die Industrie-, Handels- und Finanzinteressen vertraten, erarbeitete M. in den Schriften „Dreptul ţăranilor la pămînt, islazuri şi păduri“ (Das Recht der Bauern auf den Boden, die Weiden und die Wälder, Bukarest 1922), „Noul regim agrar“ (Das neue Agrarregime, Bukarest 1925) und „Partidul ţărănesc în politica ţării“ (Die Bauernpartei in der Politik des Landes, Bukarest 1925) das Programm einer gegen die bestehende Ordnung gerichteten radikalen Agrarbewegung. M.s Hauptgegner war nun die liberale Partei geworden, die auf Kosten der Bauern die Industrialisierung vorantrieb. Die im Oktober 1926 zunächst gegen seinen Willen durchgeführte Fusion mit Iuliu Manius Nationalpartei kostete der Bauernpartei zwar ein Gutteil ihres revolutionären Elans, brachte aber M. als Vizepräsident der „Nationalen Bauernpartei“ wieder ins Landwirtschaftsministerium (16.11.1928 - 10.10. 1930). Danach war er Innenminister verschiedener Kabinette (10.10. 1930 - 18.04.1931, 11.08.1932 - 04.01.1933). Sein Versuch, im Januar 1931 die Eiserne Garde aufzulösen, mißlang. 1933 trat er nach einem Konflikt mit König Karl II. zurück und wurde im November desselben Jahres Vorsitzender seiner Partei. An der Macht, hatte die Nationale Bauernpartei die Interessen der Kleinbauern nicht nachdrücklich gefördert und sich weitgehend den traditionellen Parteien angeglichen. M.s Bemühungen, sie durch eine Verstärkung des bäuerlichen Elements zu beleben, blieben ohne Erfolg. Während des Zweiten Weltkrieges weigerte er sich, mit den Deutschen zusammenzuarbeiten, und wurde danach wieder Parteivorsitzender. Im Juli 1947 bei einem Versuch, ins Ausland zu fliehen, verhaftet, wurde er im November wegen Hochverrats zu lebenslänglicher Einzelhaft verurteilt. M.s Bedeutung liegt darin, daß er die revolutionäre Gärung der rumänischen Bauernschaft artikulierte und in einer zuerst gegen den Großgrundbesitz, dann gegen das Kapital gerichteten Kampforganisation zusammenfaßte, für die es nicht nur gleichzeitig in den Nachbarländern sondern schon früher in Rußland Parallelen gab.

Literatur

Mitrany, David: The Land and Peasant in Rumania. The War and Agrarian Reform (1917-1921). London 1930. = Economic and Social History of the World War. Rumanian Series. 3.
Roberts, Henry L.: Rumania. Political Problems of an Agrarian State. New Haven 1951.
lonescu, Ghiţa: Eastern Europe. In: Ionescu, Ghiţa und Ernest Gellner (Hrsg.): Populism. Its Meanings and Characteristics. London 1969 (1970(2)), 97-121.

Verfasser

L. Maier (GND: 132689669)

GND: 119314789

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd119314789.html


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Empfohlene Zitierweise: L. Maier, Mihalache, Ion, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 198-200 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1360, abgerufen am: (Abrufdatum)

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