Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Şükrü Pascha, Mehmed

Şükrü Pascha, Mehmed, osmanischer General, * Erzurum 1856, † Istanbul 05.06.1916, einziger Sohn des Adjutant-Major (kolağası) Mustafa Bey.

Leben

Ş. besuchte die Kadettenschule in seiner Geburtsstadt und kam nach dem Tode seines Vaters 1876 nach Istanbul, wo er in die Militärakademie eintrat und 1880 sein Studium an der Artillerieschule (mühendishane-i berrî-i hümayun) als Oberleutnant abschloß. 1883 wurde er wegen seiner besonderen Begabung für Mathematik auf Empfehlung von Kriegsminister Ali Saib Pascha zur Vervollständigung seiner Studien nach Deutschland geschickt. Ş. absolvierte mit Erfolg Lehrgänge bei der Truppe wie auf der Ingenieur- und Artillerieschule und wurde Ehrenadjutant Kaiser Wilhelms I.; die Angabe, er habe zusammen mit dem späteren Kaiser Wilhelm II. in Bonn studiert, ist falsch.
1887 kehrte Ş. als Major aus Deutschland zurück und war danach bis 1897 als Lehrer an der Artillerieschule und bei verschiedenen Garde- und Artillerieregimentern tätig. Während dieser Zeit stieg er zunächst rasch auf, wurde 1889 Oberst, 1894 Generalmajor (mirliva) und Inspekteur für Bewaffnung und Munition (Feuerwaffen) und im folgenden Jahr Generalleutnant (ferik) und kaiserlicher Adjutant (yaver-i ekrem); seit 1903 war er Inhaber des neugeschaffenen Ranges eines Kommandierenden Generals (birinci ferik). Er verfaßte Lehrbücher über Artillerie- und Kavallerieausbildung sowie Ballistik und war in der Armee wegen seiner strengen Dienstauffassung bekannt. Kommandeur der Artillerie in Edirne,  wurde er 1905 von Geheimagenten eines geplanten Anschlages auf den örtlichen Oberkommandierenden Arif Pascha verdächtigt, konnte sich jedoch glänzend rechtfertigen und wurde lediglich nach Saloniki versetzt. Seine immer wieder aufgeschobene Beförderung zum Marschall (müşir) erfolgte Anfang 1908; dennoch trat er in den kritischen Sommertagen des gleichen Jahres bei Ahdülhamid II. für die Wiedereinführung der Verfassung ein. Nach der jungtürkischen Revolution wurde Ş. im Rahmen des allgemeinen Beamtenabbaues zum General zurückgestuft und übte in den folgenden Jahren u. a. die Funktionen eines Inspekteurs der Landwehr und des Kommandanten der Dardanellenfestungen aus.
Seine Stunde kam nach dem Ausbruch des ersten Balkankrieges, als er im Oktober 1912 zum Platzkommandanten von Edirne ernannt wurde. Entgegen den Vorstellungen der türkischen Regierung, die nur eine einmonatige Verteidigung erwartet hatte, gelang es ihm, die Stadt zunächst bis zum Abschluß des Waffenstillstandes (03.12.1912) zu halten. Als die Feindseligkeiten am 4. Februar 1913 wiederaufgenommen wurden, verteidigte er Edirne weiter unter schweren Opfern und konnte von den verbündeten bulgarischen und serbischen Truppen erst am 26. März 1913 zur Übergabe gezwungen werden. Am folgenden Tage erschien Zar Ferdinand von Bulgarien, den Ş. von früher persönlich kannte, selbst in der eroberten Stadt, empfing ihn, gab ihm feierlich den Degen zurück und hielt ihn danach in Sofia in ehrenvoller Kriegsgefangenschaft, während vor allem die französische Öffentlichkeit Ş. begeistert feierte.
Während der Belagerung von Edirne hatte Ş. den führenden jungtürkischen Funktionär Talât Bey (Talât Pascha) wegen defätistischer Propaganda aus der Stadt verweisen müssen. Die Jungtürken rächten sich dafür, indem sie den Pascha, um Kundgebungen der Bevölkerung soweit wie möglich zu verhindern und ihn selbst zu demütigen, am 25. Oktober 1913 bei der Rückkehr aus der Gefangenschaft durch den Kommandanten von Istanbul Cemal Bey (Cemal Pascha) auf dem Bahnhof in Empfang nehmen und eiligst in sein Haus bringen ließen. Ş. wurde danach noch Mitglied des Senats, trat indessen bis zu seinem Tode in der Öffentlichkeit nicht mehr hervor.

Literatur

Cirilli, Gustave: Journal du Siège d’Andrinople (Impressions d’un Assiégé). Paris 1913.
Christoff, Paul: Journal du Siège d’Adrinople. Notes quotidiennes d’un assiégé. Paris 1913 (1914(2)).
Imhoff, Generalmajor: Mehmed Schukri Pascha. Der Held von Adrianopel. In: Vossische Zeitung (Berlin) 18.12.1912.
(Anonymus:) Schükri Pascha. In: Neue Freie Presse (Wien) 27.3.1913.
Danişmend, İsmail Hami: İzahlı Osmanlı tarihi kronolojisi. Bd 4. (1703-1924). Istanbul 1961 (1972(2)).
Edirne. Edirne’nin 600. fethi yıldönümü armağan kitabı. Ankara 1965. = (Abdülhamid-i Sani zamanında ileri gelen ümera-yı askeriyenin ve yaverlerin hal tercemeleri.) MS Universität Istanbul T 9292.
Auskünfte der Familie (seiner Enkelin Makbule Ohri).

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Empfohlene Zitierweise: Hans-Jürgen Kornrumpf, Şükrü Pascha, Mehmed, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 225-226 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1716, abgerufen am: (Abrufdatum)

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