Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Szálasi, Ferenc
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Szálasi, Ferenc

Szálasi, Ferenc, Führer der ungarischen Nationalsozialisten, * Kaschau (Kassa) 06.01.1897, † (hingerichtet) Budapest 12.03.1946.

Leben

Schon vor seiner Zuteilung zum Generalstab der ungarischen Armee im Jahre 1925 war es für den Berufsoffizier Sz. eine Gewißheit, daß er für die Rolle eines Mussolini seines Vaterlandes vorbestimmt sei. Nach seiner Beförderung zum Major veröffentlichte er 1933 einen italienisch-faschistisch inspirierten „Plan für den Aufbau des ungarischen Staates“, und als der erhoffte Widerhall ausblieb, gründete er im März 1935 eine eigene Partei, die „Partei des Nationalen Willens“ (Nemzet Akaratának Pártja), deren Ideologie er in seinem im selben Jahr publizierten Werk „Cél és követelések“ (Ziel und Forderungen) ausbreitete. Danach ließ er sich außer Dienst stellen, um ungehindert für seine Lehre kämpfen zu können, die er seit 1937 „Hungarismus“ nannte.
Der Hungarismus folgte in seinem staats- und wirtschaftspolitischen Programm weitgehend dem Faschismus Mussolinis, in seiner Forderung nach Entfernung aller Juden aus dem Land dem deutschen Nationalsozialismus; Sz. fügte alldem an regionalen Zutaten ungarischen Irredentismus und madjarischen Führungsanspruch im Karpatenbecken, ferner Autonomieversprechen an die einstigen Stephansreich-Nationalitäten sowie weithin verlachte Stilblüten und eine skurrile Terminologie hinzu (so z. B. den Namen „Karpaten-Donau-Großvaterland“ für das wiederherzustellende Stephansreich). Zum Hoheitszeichen seiner „Grünhemden“ bestimmte er das (von anderen ungarischen Nationalsozialisten bereits 1933 statt des damals für sie verbotenen Hakenkreuzes eingeführte) „Pfeilkreuz“. Fundament des Hungarismus war die Führerschaft Sz.s.
Seine Gegner und auch etliche seiner Gesinnungsgenossen hielten Sz. für geistesgestört, aber die Ausstrahlung seiner grenzenlosen Selbsteinschätzung, seines fanatischen Glaubens an seine Berufung schlug einen großen Teil der in Ungarn nach dem Januar 1933 zahlreich gewordenen Bewunderer Adolf Hitlers in ihren Bann. Keiner der Gründer anderer ungarischer nationalsozialistischer Parteien hatte einen Zulauf wie Sz., der als einziger der einheimischen Hitler-Epigonen als „charismatischer“ Führer agierte und Anhänger nicht nur im Kleinbürgertum, sondern auch im Industrieproletariat und in der Bauernschaft zu gewinnen verstand.
Sz.s Erfolge bei Arbeitern und Bauern weckten mit der Zeit den Argwohn der Regierung. Seine erste Partei wurde 1937 verboten, das gleiche Schicksal traf eine zweite und eine dritte Gründung. Sz. selber wurde im Juli 1938 wegen umstürzlerischer Bestrebungen zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt, aber gerade während seiner Haft gedieh die Hungaristen-Bruderschaft, auch dank freigebiger Förderung aus dem Deutschen Reich, zur Massenbewegung. Die im März 1939 als Nachfolgeorganisation der zuvor verbotenen Sz.-Gründungen aufgezogene „Pfeilkreuzler-Partei“ (Nyilaskeresztes Part) errang bei den im Mai abgehaltenen Parlamentswahlen 13 Prozent der Stimmen.
Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde die deutsche Unterstützung zunächst verstärkt; die Führung des Reiches nutzte den ungarischen Nationalsozialismus als Druckmittel gegen die noch um Neutralität bemühte Budapester Regierung. Nachdem Sz. nach einer im September 1940 verkündeten Amnestie aus der Haft entlassen worden war, schlossen sich die konkurrierenden nationalsozialistischen Gruppen Ungarns fast ausnahmslos zusammen, und Sz. wurde zu ihrer aller Führer proklamiert. Als aber Ungarn im November 1940 dem Dreimächtepakt beitrat, ließ Berlin, nunmehr auf gute Beziehungen mit dem zum Verbündeten gewordenen amtlichen Budapest bedacht, die ungarischen Nationalsozialisten um so bereitwilliger fallen, als Sz. deutsche Forderungen, die seinen madjarischen Großmachtsideen zuwiderliefen, schroff abzulehnen pflegte.
Das Versiegen der deutschen Hilfe führte zur Krise der zuvor auf Sz. eingeschworenen Gruppen, es kam zu Spaltungen, die Pfeilkreuzlerpartei fiel zurück. Selbst nach der Besetzung Ungarns durch die Wehrmacht am 19. März 1944 bezogen die deutschen Stellen Sz. nicht wieder in ihre Pläne ein, ja die Budapester Regierung konnte im August 1944 die Pfeilkreuzlerpartei verbieten. Erst als Reichsverweser Horthy unverkennbar auf den Abfall vom Bündnis mit Berlin zusteuerte, faßte Hitler im September 1944, mangels eines anderen kollaborationswilligen Politikers mit Massenanhang, Sz. als ungarischen „Quisling“ ins Auge. Nach dem mißglückten Absprungsversuch Horthys am 15. Oktober 1944 wurde der Reichsverweser genötigt, bei seiner erzwungenen Abdankung am 16. Oktober Sz. zum Ministerpräsidenten zu ernennen. Sz. ließ sich dann am 4. November zum provisorischen Staatsoberhaupt mit dem von ihm ersonnenen Titel „nemzetvezetö“ (Nationsleiter) erheben.
Die Regierung Sz. war bloßes Hilfsorgan der deutschen Wehrmacht. Die eigenständige Tätigkeit des Pfeilkreuzler-Regimes erschöpfte sich in umfangreichen Planungen für die Zeit nach dem Endsieg und in der Verfolgung, Ausplünderung und Tötung von politischen Gegnern und Juden. Die Verbrechen der 163 Tage währenden Herrschaft Sz.s wurden zumeist ohne sein Zutun, doch fraglos unter seiner Verantwortung, verübt. Er selbst war zuletzt, der Wirklichkeit entrückt, in die Ausgestaltung eines „Vier Bücher des Hungarismus“ betitelten Werkes versponnen.
Vor der Roten Armee flüchtete Sz. mit seinem Anhang ins Deutsche Reich. Nach Kriegsende wurde er in der amerikanischen Besatzungszone aufgespürt, an Ungarn ausgeliefert, 1946 von einem Budapester Volksgericht als Hauptkriegsverbrecher zum Tode durch den Strang verurteilt und hingerichtet.

Literatur

Macartney, Carlile Aimer: October Fifteenth. 2 Bde. Edinburgh 1961(2).
Lackó, Miklós: Nyilasok, nemzetiszocialisták. Budapest 1966.
Nagy-Talavera, Nicholas M.: The Green Shirts and the Others. Stanford, Cal. 1970.
Rozsnyói, Ágnes: A Szálasi-puccs. Budapest 1977(2).
Karsai, Elek (Hrsg.): „Szálasi naplója“. Budapest 1978.

Verfasser

Denis Silagi (GND: 1032871083)

GND: 119449358

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd119449358.html


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Empfohlene Zitierweise: Denis Silagi, Szálasi, Ferenc, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 245-247 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1728, abgerufen am: (Abrufdatum)

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