Teutsch, Georg Daniel, siebenbürgisch-sächsischer Bischof, * Schäßburg (Sighişoara) 12.12.1817, † Hermannstadt (Sibiu) 2.07.1893, Sohn eines Seifensieders.
Leben
Nach dem Gymnasium in seiner Vaterstadt studierte T. 1837-1839 Theologie in Wien und Berlin. In die Heimat zurückgekehrt, beschäftigte er sich in der Karlsburger Batthyanischen Bibliothek mit vaterländischer Geschichte. 1842 wurde er Lehrer, drei Jahre später Konrektor am Gymnasium in Schäßburg. Im Bürgerkrieg von 1848/49 war T. Hauptmann der Schäßburger sächsischen Bürgergarde. Während eines Aufenthaltes 1850 in Wien, wo er eine Petition dem Kaiser überbrachte, erhielt er die Ernennung zum Rektor an der gleichen Anstalt. Bereits im ersten Jahr seines Rektorats ging er an die Neuordnung des Gymnasiums auf Grund des österreichischen Organisationsentwurfes. T. war auch mitbeteiligt bei der von der Nationsuniversität, der obersten politischen Vertretungskörperschaft der Sachsen, geschaffenen Nationaldotation, einer Widmung von jährlich 50.000 Gulden aus Mitteln des sächsischen Nationalvermögens zur Unterstützung der Schulen, insbesondere der Gymnasien.
Ein Preisausschreiben des 1842 gegründeten „Vereins für siebenbürgische Landeskunde“, dem T. von Anbeginn an angehörte und seit 1869 bis zu seinem Tode Vorstand, gewann er mit der „Geschichte der Siebenbürger Sachsen für das sächsische Volk“, die von 1852 bis 1858 erschien. Obwohl das Buch nur die Zeit von der Ansiedlung der Sachsen im 12. Jh. bis 1699 erfaßt, wurde es durch den volkstümlichen Ton und die sittlich-lehrhafte Darstellungsweise bald zu einem Volksbuch. Die heldische Überhöhung der Vergangenheit und ihrer führenden Männer war zu T.s Zeit gerade das richtige Mittel, um das vom Neuabsolutismus in seinen Rechten beschnittene Volk wieder aufzurichten. Vorbild zu dieser Arbeit war Heinrich Zschokkes „Geschichte des Schweizerlandes für das Schweizer-Volk“. Dessen historische Novellen und der idealistische Schwung in der Dichtung Schillers haben bei T. zu intensiver Beschäftigung mit der Vergangenheit des eigenen Volkes, zur Begeisterung für sie und zur Anwendung der gewonnenen Erkenntnisse für die Gegenwart geführt. Für seine Gesamtdarstellung bildeten alle seine bis dahin erschienenen Einzelarbeiten zur Geschichte der Siebenbürger Sachsen im Mittelalter nur Bausteine. Wie jene, so reicht auch das von ihm zusammengestellte „Urkundenbuch der evangelischen Landeskirche A.B. in Siebenbürgen“ (1862) bis Ende des 17. Jhs. Zusammen mit Friedrich Firnhaber gab T. ein „Urkundenbuch zur Geschichte Siebenbürgens“ heraus (1857), das aber nur bis zum Ausgang des Arpadischen Mannesstammes 1301 reicht. Besondere Aufmerksamkeit schenkte T. dem Reformationszeitalter, wie das seine diesbezüglichen Arbeiten beweisen: „Die Reformation im Sachsenland“ (1852, 1929 10); „Über Honterus und Kronstadt zu seiner Zeit“ (1867); „Die Synodalverhandlungen der evangelischen Landeskirche A.B. in Siebenbürgen im Reformationsjahrhundert“ (1883). Darüber hinaus regte T. die Herausgabe eines allgemeinen Urkundenbuches der Sachsen und manch andere, z. T. erst in späteren Jahrzehnten in Angriff genommene Arbeiten an.
Nach seiner Wahl zum Pfarrer von Agnetheln (Agnita) 1863 wurde T. vom Landeskonsistorium zum Vorsitzenden der Lehramts- und theologischen Prüfungskommission berufen, ein Amt, das er bis zu seinem Tod innehatte. Auf Grund der neuen Verfassung der evangelischen Landeskirche, an deren Ausarbeitung T. maßgeblich beteiligt war, wurde er 1867 zum Bischof gewählt und übersiedelte nach Hermannstadt. Unter seiner Leitung gab das Landeskonsistorium u. a. die Schulordnung und die Eheordnung heraus, außerdem wurde das zentrale theologische Seminar geschaffen. T. war der erste sächsische Bischof, der mit einer Ausnahme alle 270 deutsch-evangelische Gemeinden Siebenbürgens besuchte. Hinterließen die Umwälzungen des 19. Jh.s ihre Spuren in seiner Forschung, so beeinflußte die Geschichtsschreibung sein gesellschaftlich-politisches Handeln. In der Stellungnahme zu zeitgeschichtlichen Fragen war T. durch Heinrich von Treitschke geprägt, mit Wilhelm Wattenbach verbanden ihn die freiheitliche Gesinnung und die Ablehnung des ultramontanen, restaurativen Katholizismus.
Am sogenannten Klausenburger Unionslandtag vom Mai 1848, auf dem die Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn beschlossen wurde, nahm T. als Abgeordneter teil. Der Hermannstädter Landtag, dem er als Kronberufener (Regalist) angehörte, entsandte ihn 1864/65 in den Reichsrat nach Wien. Nach dem Ausgleich 1867 war T. Mitglied des ungarischen Magnatenhauses, wo er energisch gegen die Einführung der Zivilehe und die Verstaatlichung der Matrikeln eintrat.
T. erwirkte 1862 den Anschluß des siebenbürgischen Gustav-Adolf-Vereins an den deutschen Gesamtverein in Leipzig, der ihn 1882 zum Mitglied des Zentralvorstandes wählte. Hier wirkte T. als Mittler zwischen sächsischem und deutschem Geistesleben und warb für die Interessen seines Volkes. Die Mitgliedschaft in der Bayerischen Akademie (1874) und in der Göttinger Gesellschaft für Kirchenrecht (1880), die Ehrendoktorate der theologischen Fakultät Jena (1882) und der Rechtsfakultät Berlin (1884) sind Ausdruck der Wertschätzung, derer T. sich in Deutschland erfreute. Hermannstadt machte ihn zu seinem Ehrenbürger, und 1899 wurde vor der dortigen Stadtpfarrkirche sein Denkmal errichtet.
Literatur
Teutsch, Friedrich: Georg Daniel Teutsch. Geschichte seines Lebens. Hermannstadt 1909.
Binder, Ludwig: Georg Daniel Teutsch und Friedrich Teutsch als Historiker. In: Forsch. Volks- u. Landeskde. 21 (1978) 2, 57-80.