Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Tkalac, Emmerich von

Tkalac (Tkalec), Emmerich von (Imbro Ignjatijević), kroatischer Publizist, * Karlstadt (Karlovac) 6.05.1824, † Rom 6.01.1912.

Leben

Der früh literarisch bewanderte, hochintelligente Sohn einer wohlhabenden, Ende des 18. Jh.s geadelten Karlstädter Kaufmannsfamilie bäuerlicher Herkunft verließ 1843 wegen eines Beitrages für den Karlstädter „Pilger“ das dortige Gynasium und schloß im selben Jahr die Schule in Graz ab. Nach kurzem Aufenthalt in Wien, seit dem er Vuk Stefanovic Karadzic verbunden blieb, begann er das Studium von Philosophie und Rechtswissenschaft in Berlin und wechselte zum Sommersemester 1846 nach Heidelberg. In seiner Schrift „De religione christiana in Slavis introducta-propagata-reformata“ (Heidelberg 1848) stellte T. Bogomilismus und Hussitismus als slawische Vorwegnahmen der Reformation dar. Im Sommer 1847 am Pariser College de France, im Herbst und Winter in Florenz und Rom, begann T. 1848 Vorlesungen über Sanskrit und Slawistik an der Universität Heidelberg setzte jedoch wegen der 1848er Ereignisse die Lehrtätigkeit nicht fort, sondern kehrte, auf eine Professur an der (1850 aufgelösten) Zagreber Akademie hoffend, über Wien nach Kroatien zurück. Sein nach dem Druck beschlagnahmtes „Sendschreiben“ an Arnold Ruge „Croaten, Serben und Magyaren“ (Wien 1848) verteidigte im Sinne des Austroslawismus die kroatische Politik gegen den Vorwurf, sie diene der Wiener Reaktion. Während der Semesterferien scheint T. in Kroatien vor allem im Karlstädter Kreis der Illyristen verkehrt zu haben, in dem er besonders Ivan Mazur anic nahestand, dessen „Smrt Smail Age Čengiča“ (Der Tod des Smail Aga Čengić) er 1857 und (kyrillisch) 1859 neu herausgab, lehnte jedoch den politischen „Kroatismus“ der Illyristen ab. Seit 1847 für verschiedene deutsche und französische Zeitungen tätig, schrieb T. 1849 und 1850 für die Zagreber „Südslavische Zeitung“, die für ein demokratisches Österreich auf der Grundlage einer Konföderation gleichberechtigter Nationalitäten eintrat, eine Reihe von Kommentaren, die er unter dem Titel „Ost und West 1849. Eine politische Rundschau“ (Zagreb 1850) gesammelt herausgab. Hier wie in seiner „Denkschrift“ „Das serbische Volk in seiner Bedeutung für die orientalische Frage“ (anonym, Leipzig 1853) verband er Gedanken des Austroslawismus mit Ideen der russischen Panslawisten. 1852 bis 1861, in der Zeit des Neoabsolutismus mit seiner zentralistisch durchgesetzten Modernisierung des GesamtStaates, war T. Sekretär der neu gegründeten Zagreber „Handels- und Gewerbekammer für Kroatien“, in deren „Bericht“ für die Jahre 1852, 1853, 1854-56 und 1857-59 er klarsichtig die Situation des überwiegend agrarischen Kroatiens nach der 1848 eingeleiteten Ablösung der auf bäuerliche Erbuntertänigkeit gegründeten feudal-ständischen Ordnung zeichnete. Daneben unterstützte T. zahlreiche „südslawische“ Aktivitäten und veröffentlichte sein grundlegendes „Staatsrecht des Fürstentums Serbiens“ (Leipzig 1858).
Nach der Wiedereinsetzung der Verfassung durch das Oktoberdiplom 1860 gab T. vom März 1861 an in Wien mit „Ost und West“ eine Tageszeitung heraus, in der er - einen föderalisierten österreichischen Gesamtstaat anstrebend - engagiert die national- und kulturpolitischen Interessen der österreichischen Slawen vertrat, dabei aber bald in Gegensatz zur Politik des kroatischen Landtages von 1861 wie zur zentralistischen Politik der Regierung Anton Ritter von Schmerlings geriet. Wegen einiger großenteils nur nachgedruckter Artikel wurde T. 1862 und 1863 zu mehrmonatiger Haft und hohen Geldstrafen verurteilt, war 1862 genötigt, „Ost und West“ in ein - von Aleksandar Sandić weitergeführtes - Wochenblatt umzuwandeln und emigrierte schließlich 1863 über Rußland nach Italien, wo er durch Vermittlung Ludwig Kossuths zunächst im Innen-, 1864 im Außenministerium als Übersetzer eine Anstellung fand.
In engem Kontakt mit der ungarischen Emigration versah T. verschiedene politische Missionen. 1866, zur Zeit des österreichisch-preußischen Krieges, begleitete er Giuseppe Garibaldi nach Paris und veröffentlichte dort auf Kosten der italienischen Regierung „Pitanje austrijsko. Kome, kako i kada valja resiti ga?“ (Die österreichische Frage. Durch wen, wie und wann ist sie zu lösen?), einen (allerdings wirkungslosen) Aufruf an die „Brüder Kroaten und Serben“ zur Zerschlagung der Habsburgermonarchie mit dem Ziele der Föderation gleichberechtigter Nationalitäten.
Später versuchte T. nicht mehr, publizistisch die Politik der Habsburgermonarchie zu beeinflussen. 1871 als Beobachter der italienischen Regierung beim Vatikanischen Konzil, nahm er im selben Jahr die italienische Staatsbürgerschaft an. Publizistisch war er weiterhin - anonym oder als H[ector] F[rank] - vor allem für deutsche Periodika tätig. Seine „Jugenderinnerungen aus Kroatien“ (Leipzig 1894) sind das - wenn auch gelegentlich ironisch verzeichnete - lebendigste Bild kroatischen Lebens 1749-1823 (Familienchronik) und 182-4-1843 (Autobiographie).
Der „erste kroatische Publizist im europäischen Sinne des Wortes“ (Milan Prelog) sah sich weniger als Kroate denn als Slawe und verfolgte in zwanzig Jahren publizistischer Tätigkeit konsequent den Gedanken der föderativen Lösung des österreichischen und ungarischen Nationalitätenproblems auf demokratischer Grundlage. Seine politischen Hoffnungen wie auch die späteren auf eine wissenschaftliche Laufbahn wurden nicht erfüllt, doch auch im Scheitern blieb T. ein europäischer Intellektueller auf der Höhe seiner Zeit.

Literatur

Vesnić, Mil[enko] R.: Imbro I. Tkalac. Prvi pomen. In: Godišnjica Nikole Čupića 33 (1914) 1-56.
Maixner, R[udolf]: La propaganda antiautrichienne de Tkalac en 1866. In: Ann. Inst. franç., Zagreb 8/9 (1944-1945) 271-279.
Sabolović, Dušan: Imbro Ignjatijević Tkalac. Njegovi ekonomsko-politički pogledi i rad 1848-1861. godine. Zagreb 1957.
Dvoržak, Stanko: Imbro Ignjatijević Tkalac. Život i djela. In: Starine 52 (1962) 333-419 (wiederabgedruckt in: Stanko Dvoržak: Karlovački portreti. Zagreb 1962).
Tamborra, Angelo: Imbro I. Tkalac e l'Italia. Roma 1966.
Kuntić, Ljerka: O nekim problemima djelatnosti I. I. Tkalca u emigraciji. In: Hist. Zborn. 19/20 (1966/67) 429-446.
Despot, Miroslava: Osvrt na rad Trgovačke komore i Gospodarskog društva u Zagrebu u vrijeme Bachova apsolutizma. In: Prilozi za ekonomsku povijest Hrvtske. Zagreb 1967, 27-69.
Novak, Viktor: Vuk i Hrvati. Beograd 1967, 393-429.
Dvoržak, Stanko: O proučavanju života i djela Imbre Ignjatijevića Tkalca. U povodu 150-godišnjice rodjenja. In: Časopis za suvremenu povijest 6 (1974) 3, 71-81 (mit Bibliographie).

Verfasser

Wolfgang Kessler (GND: 124485324)

GND: 117401897

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd117401897.html


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Empfohlene Zitierweise: Wolfgang Kessler, Tkalac, Emmerich von, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 331-333 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1789, abgerufen am: (Abrufdatum)

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