Wesselény von Hadad, Miklós (Nikolaus) d.J. Baron, ungarischer liberaler Politiker, * Zsibó (Komitat Mittel-Szolnok; heute Jibou, Bezirk Sălaj, Rumänien) 30.12.1796, † Pest 21.04.1850, Sproß einer siebenbürgischen Aristokratenfamilie mit bedeutender Vergangenheit, Sohn Miklós W.s.d.Ä.
Leben
Der Tradition der Familie folgend bereitete sich W. von Anfang an auf eine politische Laufbahn vor. Vorerst wandte er sich auf Komitatsebene der Politik seiner engeren Heimat, Siebenbürgen, zu. 1820 schloß er Freundschaft mit István Széchenyi, dessen Einfluß - bei gemeinsam gemachten Reisen nach Westeuropa (1821) und gemeinsamer Lektüre - ihn zu einem liberalen Politiker formte. Mit Hilfe progressiver Reformen bemühte er sich um die Wiederherstellung der erschütterten Wirtschaftslage und der bedrohten politischen Position seiner Klasse der wohlhabenden Grundbesitzer sowie um die „Erhebung“ des Volkes, um dessen Verwirklichung als Nation. Als wichtigste Reform galt die Liquidierung des Leibeigenensystems auf dem Wege einer für immer gültigen Ablösung. W. erwarb auch in Ungarn ein Gut, um sich nicht nur in der Politik Siebenbürgens, sondern auch bei der Magnatentafel der ungarischen Landtage Gehör verschaffen zu können. Er wurde zu einem der Hauptorganisatoren der bei den Landtagen von 1830 und 1832-1836 entstandenen liberalen Reformbewegung in Ungarn, als deren Führer er Anerkennung erhielt. Durch den Anschluß an die ständisch-unabhängige (habsburgfeindliche) Richtung dieser politischen Bewegung, die gerade auf die breite Schicht der Adeligen eine besonders starke Wirkung ausstrahlte, versuchte er seinerseits Anziehungskraft zu gewinnen. Da sich Wien allen progressiven Reformforderungen gegenüber streng verschloß, wandelte sich die im Rahmen des Feudalismus verhaftete, der früheren ständischen Gravaminapolitik verwandte Oppositionsbewegung zu einer aristokratisch-liberalen Reform. Seine Politik verband untrennbar den Kampf um den Besitz der Voraussetzungen zu nationaler Selbstbestimmung mit dem Kampf um bürgerlichen Fortschritt. Széchenyi hielt W.s ausgesprochen Wienfeindliches Programm für nicht zeitgemäß, und diese politische Meinungsverschiedenheit bedeutete auch das Ende der persönlichen Freundschaft untereinander. W.s fortschrittliches, von Lajos Kossuth später weiterentwickeltes Programm zeigte allerdings kein Verständnis für die Nationalitätengruppen, es beschleunigte vielmehr eine Hungarisierung. Nicht nur wegen seiner anerkannten Führungsrolle in der Politik, auch wegen seiner männlichen Schönheit, seiner körperlichen Kraft, seines Mutes und seiner Unerschütter- lichkeit sah man W. als Vorbild an: er war das Idol der Jugend. Um sein übergroßes politisches Ansehen zu vernichten, strengte man 1835 verschiedene Prozesse gegen ihn an, einer von diesen stellte ihn wegen Abtrünnigkeit (nota infidelitatis; Vaterlandsverrat) unter Anklage und wurde 1839 mit dem Urteil auf drei Jahre Gefängnishaft abgeschlossen. Wegen seines schweren Augenleidens (1844 erblindete er endgültig) internierte man ihn jedoch nur: in Gräfenberg (Österreichisch-Schlesien) konnte er sich in ärztliche Behandlung begeben. 1840 wurde er begnadigt. Zu Hause, zurückgezogen auf sein Gut in Siebenbürgen, konnte er nicht mehr mit voller Aktivität an den politischen Kämpfen teilnehmen. Die Revolution von 1848 rief ihn noch einmal aus der Einsamkeit von Zsibó heraus: bei der Landtagsversammlung im Juni 1848 in Siebenbürgen war es sein ungeheures persönliches Verdienst, ohne Zögern die Aufhebung der Leibeigenschaft und die Union Siebenbürgens mit Ungarn ausgesprochen zu haben. Vor Ausbruch des Freiheitskampfes zog sich W. schwerkrank nochmals nach Gräfenberg zurück, auf dem Heimweg von dort wurde er dann vom Tod ereilt.
W. schrieb die politischen Broschüren „Balhetetekről“ (Vorurteile, Bukarest [in Wirklichkeit Leipzig] 1833) und „Szózat a magyar és szláv nemzetiség ügyében“ (Mahnwort in Sachen der ungarischen und der slawischen Nationalität, Leipzig 1843).
Literatur
Kardos, Samu: Báró Wesselényi Miklós élete és munkái. Budapest 1905.
Trócsányi, Zsolt: Wesselényi Miklós. Budapest 1965.
Kemény, Zsigmond: A két Wesselényi Miklós. In: Sorsok és vonzások. Budapest 1970.
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