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Adler, Victor, österreichischer Politiker, * Prag 24.06.1852, † Wien 11.11.1918.
Leben
Als Sohn eines schon in den 50er Jahren nach Wien übersiedelnden Prager Grundstücksmaklers studierte A. Medizin, doch überwogen gegenüber seiner Tätigkeit als praktischer Arzt, die ihn mit den sozialen Mißständen in den Arbeitervierteln Wiens in Berührung brachte, seine früh sichtbaren politischen Interessen. Unter dem Einfluß von Engelbert Pernerstorfer wandte sich A. zunächst der deutschnationalen Bewegung Schönerers zu und war an der Abfassung des Linzer Programms beteiligt (1882). Die Kritik an dem hervortretenden Antisemitismus, vor allem aber an der mangelnden sozialen Aufgeschlossenheit der Deutschnationalen veranlaßte A., sich der Arbeiterbewegung zuzuwenden, nachdem sein Plan, als Gewerbeinspektor für die Verbesserung der sozialen Verhältnisse einzutreten, am Widerstand der österreichischen Regierung gescheitert war. Die bewußten Kontakte mit Friedrich Engels, August Bebel und Wilhelm Liebknecht bestärkten ihn in dem Entschluß, als Vermittler zwischen den einander bekämpfenden Fraktionen der österreichischen Arbeiterbewegung tätig zu werden und durch die Herausgabe der sozialdemokratisch orientierten „Gleichheit“, aus der später die „Arbeiterzeitung“ hervorging, die Herstellung der Parteieinheit zu betreiben. A. gelang es, die gemäßigten und radikalen Fraktionen zunächst in Böhmen, dann auf der Ebene des zisleithanischen Staates zusammenzuführen und auf dem Hainfelder Parteitag 1888/89 eine einheitliche sozialdemokratische Partei zu begründen. Durch die 1897 vollzogene nationale Föderalisierung der sozialdemokratischen Partei Österreichs vermochte A. die auseinanderstrebenden nationalen Gruppen noch über ein Jahrzehnt zusammenzuhalten und in den erfolgreichen Kampf für das allgemeine und gleiche Wahlrecht zu führen, das jedoch nicht die erhoffte Zurückdrängung des Nationalitätenkonflikts brachte. Das von A. maßgebend beeinflußte Brünner Nationalitätenprogramm von 1899 war in erster Linie ein innerparteiliches Integrationsprogramm; praktische Wirkungen konnten davon angesichts der fortschreitenden inneren Zersetzung der habsburgischen Monarchie nicht ausgehen. Trotz seiner großdeutschen Neigungen hielt A. bis zum Zusammenbruch der Monarchie am Programm der nationalen Föderalisierung fest und setzte er sich noch im November 1918 für die Schaffung eines demokratischen Nationalitätenbundstaates, erst nach dessen Scheitern für den Anschluß der Deutschösterreichischen Republik an das Deutsche Reich ein.
Unter Adlers Führung entwickelte sich die österreichische Sozialdemokratie zu einer staatserhaltenden Partei, ohne die verheerenden psychologischen und politischen Folgen der durch die verschärften Nationalitätenkonflikte unlösbar gewordene Staats- und Reichskrise abwehren zu können. Adler hoffte, durch demokratische Reformen und nationale Föderalisierung den Bestand der Monarchie wahren zu können; er scheiterte an der Sprengkraft des integralen Nationalismus der imperialistischen Epoche.
Literatur
Ermers, Max: Victor Adler. Aufstieg und Größe einer sozialistischen Partei. Wien, Leipzig 1932.
Braunthal, Julius: Victor und Friedrich Adler. Zwei Generationen Arbeiterbewegung. Wien 1965.
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