Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Cantemir, Dimitrie
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Cantemir, Dimitrie

Cantemir, Dimitrie, Woiwode der Moldau 1693, 1710-1711, Gelehrter, * Fălciu 26.10. 1673, † bei Charkov 21.08.1723, Sohn des moldauischen Woiwoden Constantin C. (1685-1693), Bruder des moldauischen Woiwoden Antioh C. (1695-1700 und 1705-1707) und Vater des russischen Fürsten und Dichters Antioch Dmitrijevič Kantemir (1709-1744).

Leben

C. erlangte die Herrschaft in der Moldau mit Unterstützung der Hohen Pforte, deren Vertrauen er während seines 17jährigen Aufenthaltes als Geisel in Istanbul erworben hatte. Als guter Kenner der politischen Verhältnisse im Osmanischen Reich war es ihm gelungen, ausgezeichnete Beziehungen zu den türkischen Machtträgern anzuknüpfen. Dennoch richtete er als moldauischer Woiwode die Außenpolitik nach Rußland aus, mit dessen Zaren Peter I. ihn ein freundschaftliches Verhältnis verband. Am 13. April 1711 Unterzeichnete er in Luck (Wolhynien) ein geheimes Abkommen mit diesem, in dem er „das moldauische Volk“ dem Schutz des Zaren anvertraute. Im russisch-türkischen Krieg von 1711 kämpfte das moldauische Heer mit dem russischen Verbündeten und erlitt zwischen dem 18. und 22. Juli in Stănileşti am Pruth mit diesem gemeinsam eine Niederlage. Nach dem Frieden von Vadul Huşilor am Pruth vom 22. Juli 1711 mußte C. nach Rußland flüchten, wo er als enger Berater des Zaren freundliche Aufnahme fand.
C. entwickelte in Rußland eine rege und vielseitige wissenschaftliche Tätigkeit, die größtenteils in Bezug zu seiner moldauischen Heimat und der von ihm vertretenen Sache stand. Die verschiedenen Kulturkreise, in denen er aufgewachsen war bzw. mit denen er im späteren Verlauf seines Lebens einen engen Kontakt pflegte, ermöglichten ihm ein vielseitiges Fachwissen. Schwerpunkte seines enzyklopädischen Wissens waren die Orientalistik, die Ethnographie, die Geographie und die Geschichte. Sein Werk wurde nachhaltig vom Humanismus der italienischen Renaissance beeinflußt. C.s politisches Denken war von dem Willen beherrscht, die Macht der Großbojaren zu schmälern und die fürstliche Autorität zu stärken. Sozialpolitisch vertrat er in seinem Werk die Interessen des Bauerntums, indem er sich wiederholt gegen die Leibeigenschaft aussprach. C. war außerdem der erste rumänische Verfasser philosophischer Arbeiten, wobei sein philosophisches Denken moderne säkulare Züge aufwies. Er hob in seinem Werk den Zusammenhang zwischen Erfahrung und Erkenntnis hervor und erhob die Kausalität nicht nur zum Ordnungsprinzip der physikalischen, sondern auch der geistigen und historischen Prozesse. Die Geschichte deutete er von einer rationalistischen Warte aus.
Ungeachtet vieler Mängel darf C. als der erste rumänische Historiker gelten, dem es gelungen ist, das Stadium des Chronisten zu überschreiten. 1714 wurde er als Mitglied in die Berliner Akademie aufgenommen. Eines seiner Hauptwerke, die 1714-1716 herausgegebene „Incrementa atque decrementa aulae othomanicae“ wurde in die englische (1735), französische (1743) und deutsche Sprache (1745) übersetzt und galt über ein Jahrhundert lang in Europa als die bedeutendste Darstellung osmanischer Geschichte. Im „Hronicul vechimii romano-moldo-vlahilor“ unternahm er als erster rumänischer Historiker den Versuch, die Herkunft des rumänischen Volkes zu klären und den Beweis für dessen ethnische Einheit und kontinuierliche Anwesenheit auf dem Territorium Daziens zu erbringen (die spätere „Kontinuitätstheorie“). Leitgedanke seines historischen und geographischen Werkes war die Befreiung des rumänischen Volkes vom osmanischen Joch. Sein geographisches Hauptwerk, „Descriptio Moldaviae“, verfaßte C. 1716 im Auftrag der Berliner Akademie. Eine dieser Monographie beigefügte Karte enthält die ersten zuverlässigen Angaben über die ethnische Zusammensetzung der moldauischen Bevölkerung. Er verfaßte auch mehrere geographische Arbeiten über Istanbul und eine Monographie über den östlichen Kaukasus. In türkischer Sprache veröffentlichte er ein theoretisches Handbuch über die orientalische Musik. Von seinen vielfältigen geistigen Interessen und seinem enzyklopädischen Wissen zeugen auch seine Werke „Compendiolum universae logices institutionis“, „Monarchiarum physica examinatio“ und „Sistema religiei mahomedane“. Sein gesammeltes Werk wurde 1872-1901 von der „Rumänischen Akademischen Gesellschaft“ (Societatea Academică Română) herausgegeben (8 Bände).

Literatur

Pascu, Giorge: Istoriea Literaturii Romîne din secolul XVIII. [Bd 2:] Viaţa şi opera lui D. Cantemir. Bucureşti 1924.
Panaitescu, Petre P.: Dimitrie Cantemir. Viaţa şi opera. Bucureşti 1958.
Daicoviciu: Bd 3.

Verfasser

Dionisie Ghermani (GND: 118893238)


GND: 118518879

Weiterführende Informationen: https://prometheus.lmu.de/gnd/118518879

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Empfohlene Zitierweise: Dionisie Ghermani, Cantemir, Dimitrie, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 288-289 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=646, abgerufen am: (Abrufdatum)

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