Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Hadžić, Jovan

Hadžić, Jovan (Pseudonym Miloš Svetić), serbischer Jurist, Politiker und Literat, * Sombor (Bačka) 8.09.1799, † Neusatz (Novi Sad) 22.04.1869.

Leben

H. besuchte das Gymnasium in Karlowitz (Sremski Karlovci, 1811-1817), Pest (1817-1820), studierte (1822-1824) Jura und promovierte 1826 in diesem Fach an der Universität Pest. Danach war er in verschiedenen Bereichen des Rechts- und des Bildungswesens tätig: 1827 begann er als Anwalt, übernahm 1830 die Direktion eines Gymnasiums in Neusatz, wirkte daneben als Justiziar und Senator des Magistrats. Er gehörte zu den Mitbegründern der Matica srpska, deren erster Präsident er wurde, und redigierte 1830 bis 1832 die Zeitschrift „Serbska letopis“.
1837 beteiligte er sich auf Einladung des Fürsten von Serbien, Miloš Obrenović, an der Ausarbeitung grundlegender Gesetze. Auf russischen Druck hin sollte die Macht des Fürsten insbesondere durch einen Staatsrat beschränkt werden. Da die im November 1837 gebildete gesetzgebende Kommission wegen der Konflikte unter ihren Mitgliedern mit den Arbeiten nur langsam vorangekommen war, setzte Miloš Anfang 1838 eine neue Kommission ein. Diese legte am 24. Januar 1838 den Entwurf eines Gesetzes über den Staatsrat vor, dessen erste Fassung aus der Feder des Chefs der fürstlichen Kanzlei, Jakov Živanović, H. stark verändert hatte. Der Fürst lehnte die Vorlage ab, setzte aber aus Furcht vor der russischen Reaktion eine dritte Kommission ein, die wiederum die von H. redigierte Fassung des bereits abgelehnten Gesetzentwurfs verabschiedete. Auf die Intervention des vorläufigen Vertreters Rußlands in Belgrad, Gerasim Vaščenko, lenkte Miloš jetzt ein und nahm die Vorlage an.
Am 26. Februar berief der Fürst eine Kommission, die das Grundgesetz des Staates ausarbeiten sollte. Über der Frage der Kompetenzen des Fürsten spaltete sie sich in zwei Flügel: H. selbst neigte der von Rußland unterstützten Opposition zu. Obwohl die Kommission beschlossen hatte, die drei von ihren Mitgliedern ausgearbeiteten Entwürfe zu vereinheitlichen, legte H. seinen Text am 21. März gesondert vor, um einer nachträglichen Erweiterung der Rechte des Fürsten in der Schlußredaktion zuvorzukommen. H.s Entwurf stand dem Sretenski Ustav von 1835 sehr nahe: Er ging von den internationalen Verpflichtungen Serbiens und dem geltenden Recht aus, setzte aber der absoluten Herrschaft des Fürsten ein Ende, der zusammen mit dem durch ein den Universitäten Pest (1820-1822) und Wien an Kooptationsverfahren sich selbst ergänzenden Staatsrat regieren und durch eine Notabelnversammlung den Mitgliedern des Staatsrats, den Prälaten, Gerichtspräsidenten, Militärbefehlshabern der Grenzdistrikte, aus höheren Verwaltungschargen sowie zwei Vertretern eines jeden Kreises weiter beschränkt werden sollte. Der Notabelnversammlung hätte das Budgetrecht, die Schiedsfunktion bei Konflikten zwischen Fürst und Staatsrat, sowie die letzte Entscheidung über zweimal vom Fürsten abgelehnte Gesetzesvorlagen des Staatsrates zugestanden. H.s Konstitution sah außerdem die Unabhängigkeit der vom Fürsten auf Vorschlag des Staatsrates zu ernennenden Richter, die Wahl der Bürgermeister und die Entlassung von Staatsbeamten nur durch Gerichtsbeschluß vor. Widerwillig akzeptierte Miloš diesen Entwurf. Der russischen Diplomatie gelang es in der nun folgenden Istanbuler Botschafterkonferenz über die serbische Verfassung, die Ernennung der Staatsratsmitglieder auf Lebenszeit gegen den Widerstand vor allem Englands durchzusetzen. Die Notabelnversammlung, die Miloš als Gegengewicht gegen den Staatsrat gern gesehen hätte, lehnten die Mächte dagegen ab. So bildete die als „Türkische Verfassung“ bekanntgewordene endgültige Konstitution den Rahmen der Herrschaft einer Bürokratenoligarchie, die sich sowohl gegen den Herrschaftsanspruch des Fürsten wie gegen die liberalen Forderungen stemmte.
Während seines Aufenthaltes in Serbien bis 1846 verfaßte H. eine Reihe bedeutsamer Gesetzeswerke wie das Bürgerliche Gesetzbuch (Gradjanski Zakonik, 1844), wirkte bei der Ausarbeitung der Gesetze über den Staatsrat, die Fürstliche Kanzlei, die Zentralverwaltung sowie die Gerichte mit und organisierte die Staatsverwaltung auf der Grundlage der neuen Verfassung. Die direkte Übernahme ausländischer Gesetzbücher lehnte er ab, um ein einfacheres, auf den im Lande eingebürgerten Normen und Rechtsauffassungen beruhendes Recht zu schaffen. In dem Gesetz über den Staatsrat gelang es ihm, über die Verfassung hinaus die Macht des Fürsten durch die Bestimmung weiter zu beschränken, daß die Minister aus dem Staatsrat zu berufen seien.
In seine Heimat zurückgekehrt, wirkte er als Sabor-Abgeordneter in Karlowitz (1842, 1848, 1861, 1865) und Pozun (1847), behielt jedoch stets eine konservative und legitimistische Position bei und stand dem Illyrismus wie der Omladina-Bewegung fremd gegenüber. 1850 wurde er Mitglied einer Justizkommission für die Wojwodina und Präsident des Appellationsgerichtes, trat aber schon 1854 in den Ruhestand, um sich nurmehr publizistisch zu betätigen. Sein auf klassischer Bildung beruhender, im Gedankengut der Antike und der Aufklärung wurzelnder Rationalismus ließ ihn zum Dichter der „objektiven Lyrik“ werden, in der die Herrschaft des Verstandes über die Empfindungen zum Ausdruck kommen sollte. Daneben vermittelte er den Serben durch Übersetzungen Werke von Homer, Horaz, Vergil, Cicero, Herder, Lessing, Klopstock, Goethe und Schiller. Berühmt wurde seine von einer konservativen Position geführte literarische Fehde mit Vuk Stefanović Karadžić. Unter seinen zahlreichen Veröffentlichungen ist für den Historiker die Geschichte des ersten serbischen Aufstands (Ustanak srpski pod Crnim Djordjem, Novi Sad 1862) besonders wertvoll.
Der Polyhistor H. war zweifellos einer der bedeutendsten serbischen Intellektuellen seiner Zeit. Im Geschichtsbewußtsein der späteren Generationen ist die Erinnerung an seinen Beitrag zur Rechts- und Verfassungsgeschichte Serbiens sowie zur patriotischen Bewegung der ungarischen Serben neben seiner Polemik gegen Vuk Karadžić zu Unrecht verblaßt.

Literatur

Život i rad d-ra Jovana Hadžića-Svetića. U spomen stogodišnjice od rodjenja njegova. Novi Sad 1899.
Kićović, M.: Jovan Hadžić - Miloš Svetič. Književna studija. Novi Sad 1930.
Jovanović, Slobodan V.: Jovan Hadžić. In: Ders.: Sabrana dela. Bd 3. Beograd 1932.
Belić, Aleksandar: Vukova borba za narodni i književni jezik. Beograd 1948.
[Über die politischen Hintergründe seiner gesetzgeberischen Tätigkeit vor allem:] Pavlowitch, Stevan K.: Anglo-Russian Rivalry in Serbia 1837-1839: The Mission of Colonel Hodges. Paris, Den Haag 1961 (mit Bibliographie).

Verfasser

Gunnar Hering (GND: 1078119694)


GND: 119070901

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Empfohlene Zitierweise: Gunnar Hering, Hadžić, Jovan, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 111-113 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=924, abgerufen am: (Abrufdatum)

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