Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Hildebrandt, Johann Lucas von
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Hildebrandt, Johann Lucas von

Hildebrandt, Johann Lucas von, österreichischer Architekt, * Genua 14.11.1668, † Wien 16.11.1745, Sohn eines deutschen Offiziers in genuesischen Diensten, der später in die kaiserliche Armee eintrat.

Leben

Nach Studien in Rom unter dem Obristen Ceruti und dem Architekten Carlo Fontana, folgte H. seinem Vater und diente als Festungsingenieur 1695-1696 unter Prinz Eugen von Savoyen in Piemont. Er zog mit der Truppe nach Wien, wo er, von dem Prinzen gefördert, bald ein gesuchter Architekt der Reichsaristokratie wurde. Zahlreiche auswärtige Aufträge führten den in Wien ansässigen H. in verschiedene Länder der Habsburgermonarchie sowie nach Mainfranken. 1700 erhielt er die Stelle des kaiserlichen Ingenieurs Giovanni Pietro Tencala, und 1706 heiratete er Francisca Geist, Tochter des Johannes Geist, Registrator der Hofkanzlei. Sein jüngster Sohn, Eugen Lucas, wurde ebenfalls Ingenieur-Offizier und unterstützte seinen Vater als Sekretär.
Am Kaiserhof konnte sich der 1720 geadelte H. gegen den um zehn Jahre älteren Johann Bernhard Fischer von Erlach und dessen Sohn Joseph Emanuel nie wirklich durchsetzen. Die Stelle des Ersten Hofbaumeisters, die er 1723, nach dem Tode seines „ewigen Rivalen“, erhielt, bedeutete in seinen letzten Lebensjahren nur noch einen Titel. Schuld daran waren nicht nur sein schwieriger Charakter und seine Kränklichkeit (schon 1709 ist Epilepsie bezeugt) sowie vermutliche Baufehler bei der Errichtung des Reichskanzlerbaus in der Hofburg, sondern wohl auch die Eigenart seiner Kunst, die der strengen kaiserlichen Machtrepräsentation wenig zusagte. Nur einige von seinen Plänen für den Hof wurden verwirklicht (Geheime Hof- und Staatskanzlei, jetzt Bundeskanzleramt, 1717-1719). Um so mehr Erfolg hatte H.s dekorativ-heitere und elegante Kunst bei dem lebensfreudigen Hochadel. Sein erster bedeutender Auftraggeber war Prinz Eugen von Savoyen, der ihn zunächst in Ungarn beschäftigte (Ráckeve, Béllye, Budafok). Das Schloß von Ráckeve auf der Donauinsel Csepel (1702) ist der bedeutendste Bau aus H.s erster Schaffensperiode. Die Sommerresidenz des Prinzen in Wien, das Untere Belvedere (1714-1716) und das Obere Belvedere (1721-1723) mit der Gartenanlage, gelten als H.s Hauptwerk. Auch für die Grafen von Harrach war er in Ungarn tätig (Schloß Halbturm [Féltorony] und Kirche von Parndorf [Pándorfalu, Komitat Wieselburg, heute Burgenland]). Der Fürsterzbischof Franz Anton von Harrach ließ 1721 durch H. das Schloß Mirabell in Salzburg umbauen. 1728-1729 entstand das Wiener Palais Harrach. Internationale Bedeutung erlangte H. durch seine Tätigkeit im Dienste der Grafen von Schönborn (Schloßbau von Pommersfelden, Würzburger Residenzbau, Neubau des Stiftes Göttweig). Wie die Piaristenkirche (Entwurf 1698) und die Peterskirche (1703-1708) in Wien, die Priesterseminarkirche in Linz (1717) sowie zahlreiche Dorfkirchen in Niederösterreich, Mähren und Böhmen zeigen, spielte der Sakralbau im Schaffen H.s eine nicht zu unterschätzende Rolle. Bemerkenswert sind auch seine städtischen Palastbauten sowohl für den Adel (Palais Daun-Kinsky in Wien 1713-1716) als auch für das Bürgertum (Haus Schreyvogel in Breslau 1705, das Merkleinsche Mietshaus in Wien 1730). Erheblichen Einfluß hat H. auf die ungarische Barockarchitektur ausgeübt durch Andreas Mayerhoffer (1690-1771), der an mehreren Bauvorhaben H.s in Ungarn als Polier tätig war und später H.s Erbe mit der einheimischen Tradition vereinte.

Literatur

Ybl, Ervin: Szavojai Jenő herceg ráckevei kastélya. In: Országos Szépművészeti Múzeum Évkönyvei 3 (1921) 51-80.
Grimschitz, Bruno: Johann Lucas von Hildebrandt. Wien, München 1959(2) (mit Bibliographie).
Hempel, Eberhard: Baroque art and architecture in Central Europe. Germany, Austria, Switzerland, Hungary, Czechoslovakia, Poland. Harmondsworth/Middlesex [u. a.] 1965.

Verfasser

Thomas von Bogyay (GND: 116231149)

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Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd118550950.html


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Empfohlene Zitierweise: Thomas von Bogyay, Hildebrandt, Johann Lucas von, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 160-161 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=960, abgerufen am: (Abrufdatum)

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