Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Murad III.
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Murad III.

Murad III., osmanischer Sultan 1574-1595, * Boz-Dağ (Sommerresidenz von Manisa) 04.07.1546, † Istanbul 16.01.1595, Sohn Sultan Selims 11. und der Nûr Bânû Sultan.

Leben

M. kam zur Welt, als sein Vater Sandschakbey von Saruhan war. Als dieser 1558 zum Statthalter von Karaman ernannt wurde, erhielt M. den Sandschak Akşehir. Während der bewaffneten Auseinandersetzung zwischen dem Vater und dem Onkel, dem Prinzen Bayezid, in der Ebene von Konya (1559), erhielt M. den Auftrag, Konya selbst zu verteidigen. Als Selim nach Kütahya versetzt wurde, bekam M. 1562 die Sandschakstatthalterschaft von Manisa, ein Amt, das er bis zu seiner Thronbesteigung behielt.
 Nach dem Tod Selims II. bestieg M. als ältester Sohn am 22. Dezember 1574 den Thron und ließ seine fünf Brüder - dem Thronfolgerecht der Osmanendynastie entsprechend - hinrichten. Als Großwesir behielt er Sokollu Mehmed Pascha, dem. er die Regierungsgeschäfte ganz überließ. In den ersten - etwa fünf - Jahren seiner Herrschaft unterlag M. vollständig dem Einfluß seiner Favoritin, Safiye Sultan, die als gebürtige Venezianerin ursprünglich Baffa hieß. In den folgenden Regierungsjahren widmete sich M., obwohl für die Regierungsgeschäfte angemessen vorbereitet, meistens den Genüssen, die ihm seine zahlreiche Konkubinen schenkten. Somit wurde ein Präzedenzfall geschaffen: Die meisten Sultane der folgenden Jahrhunderte lebten im goldenen Käfig des Harems und kümmerten sich kaum um die Regierung. Nach der Ermordung Sokollu Mehmed Paschas (1579) wurde M. seinen Großwesiren gegenüber immer mißtrauischer und wechselte sie häufig: Nach Sokollu Mehmed übertrug er bis zum Ende seiner Herrschaft sechs Personen insgesamt zehnmal die wichtigste Position des Reiches (Semiz Ahmed 1579, Koca Sinan 1580, Siyavuş 1582, Özdemiroğlu Osman 1584, Hadim Mesih 1585, wieder Siyavuş 1586, wieder Koca Sinan 1589, Ferhad 1591, wieder Siyavuş 1592 und wieder Koca Sinan 1593); somit betrug die durchschnittliche Amtsdauer seiner Großwesire ab 1579 nicht einmal anderthalb Jahre. Außerdem verkehrte M. mit den Großwesiren meistens nur noch schriftlich: Er ließ sich von ihnen durch kurzgefaßte Vorlagen (telhis) über die bevorstehenden wichtigsten Maßnahmen informieren. Entscheidungen über wichtige Staatsgeschäfte wurden zumeist im Harem getroffen, woran zunächst Safiye, später die Mutter des Sultans, der schwarze Obereunuch sowie andere Höflinge beteiligt waren. Wegen des großen Einflusses des Harems wird die mit M. beginnende Epoche der osmanischen Geschichte auch als die Zeit der „Weiberherrschaft“ bezeichnet. Die geschilderte Diskontinuität und die chaotischen Zustände in der Staatsspitze trugen zur Vertiefung der sich anbahnenden Krise im gesamten Staats- und Wirtschaftswesen bei; man würde aber zweifellos die Lage verkennen, schriebe man den Verfall des Osmanenstaates ausschließlich oder vorwiegend M.s schwacher Persönlichkeit bzw. der seiner Nachfolger zu. Die folgenden wichtigsten Ereignisse stehen mit M. nur insofern in Zusammenhang, als sie während seiner Zeit stattfanden; der persönliche Einfluß des Sultans dürfte kaum maßgeblich gewesen sein. Noch der Großwesir Sokollu Mehmed schloß 1577 einen Vertrag mit Polen, wo ab 1575 der Protégé der Pforte, der siebenbürgische Vasallenfürst Stephan Báthory, König war. Im gleichen Jahr wurde der ab 1574 gültige Friedensvertrag mit Österreich für acht Jahre verlängert. Trotz der Bedenken Sokollu Mehmeds, der unter M. überhaupt stark an Einfluß einbüßte, entschied sich der Sultan 1578 für einen Krieg gegen das safawidische Persien, das sich seit dem Tode des Schahs Tahmasp 1576 in einer schweren Krise befand. Den osmanischen Truppen gelang es unter dem Oberbefehl Lala Mustafa Paschas, in Kaukasien den persischen Einfluß zu tilgen und einer möglichen russischen Invasion entgegenzutreten. 1585 wurde Aserbeidschan erobert. Der Friede von 1590 sanktionierte diese Eroberungen; außerdem wurde es den schiitischen Persern verboten, die Grundsätze der Sunna zu schmähen. 1593 flammten die Kämpfe mit Österreich infolge Grenzstreitigkeiten wieder auf, nachdem zwischen den beiden Mächten seit rund 25 Jahren (seit 1568) zumindest formal Friede bestanden hatte. Trotz zweimaliger Verlängerung des Friedens Vertrags 1574 bzw. 1584 hatten die Waffen eigentlich nie geschwiegen, denn es bildete sich inzwischen die sog. Militärgrenze aus, an der ein permanenter Kleinkrieg herrschte. 1594 gelang es den osmanischen Streitkräften unter dem Großwesir Sinan Pascha, Raab einzunehmen; die Stadt ging indes schon 1598 unter Mehmed III. wieder verloren. Für die Osmanen wurde die Lage prekär, als sich 1594 die Fürstentümer Siebenbürgen, Moldau und Walachei unter der militärischen Führung des walachischen Fürsten Michael des Tapferen von der Oberhoheit der Pforte loslösten. Das Ende der darauffolgenden bewaffneten Auseinandersetzung sowie das des „Fünfzehnjährigen“ (oder „Langen“) Krieges erlebte M. nicht mehr: Der Friede wurde erst 1606, während der Herrschaftszeit Ahmeds I., geschlossen.

Literatur

Wittek, Paul: A letter of Murad III to the Doge of Venice, of 1580. In: Bulletin of the School of Oriental and African Studies 14 (1952) 381-383.
Uzunçarşılı, Ismail Hakkı: Osmanlı Tarihi. Bd 2. Ankara 1964(2); Bd 3/2. Ankara 1954.
Kütükoğlu, Bekir: Murad III. In: Islâm Ansiklopedisi. Bd 8. Istanbul 1960, 615-625 (mit Bibliographie).
Peçevî, Ibrahim: Peçevî Tarihi. Bugünkü ifadeye çeviren: Murat Uraz. 2 Bde. Istanbul 1968/69.
Faroqhi, Suraiya: Das Großwesir-telḫīs: eine aktenkundliche Studie. In: Der Islam 45 (1969) 96-116.
Ders.: Die Vorlagen (telḫīṣe) des Großwesirs Sinān paša an Sultan Murād III. (Diss.) Hamburg 1970.
Selānikī, Muṣṭafā: Tārīh-i Selānikī. Die Chronik des Selānikī. Neudruck. Mit einem Vorwort von Klaus Schwarz. Freiburg 1970.
Röhrborn, Klaus: Untersuchungen zur osmanischen Verwaltungsgeschichte. Berlin, New York 1973.

Verfasser

Josef Matuz (GND: 119025671)


GND: 119524767

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Empfohlene Zitierweise: Josef Matuz, Murad III., in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 250-252 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1406, abgerufen am: (Abrufdatum)

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