Pauliny-Tóth, Viliam, slowakischer Schriftsteller und Politiker, * Senica (Szenice, Komitat Neutra) 03.06.1826, † Turčiansky Svätý Martin (Túrócszentmárton, Komitat Túróc) 06.05.1877, Sohn eines evangelischen Pfarrers, ab 1855 vermählt mit Mina Tóth, von deren Familie er das Adelsprädikat übernahm.
Leben
Nach Schule und Studium in Modern und Preßburg war P. zunächst als Gymnasiallehrer in Kremnitz tätig und ging danach in den Staatsdienst. Im Revolutionsjahr 1848 wurde er - als Anhänger des Panslawismus verdächtig - ins Gefängnis geworfen, wurde dann nach seiner Freilassung von der ungarischen Revolutionsarmee Lajos Kossuths angeworben, die er jedoch in Pest wieder verließ, als diese sich nach Debreczin zurückzog. P. schloß sich nun der von L’udovít Štúr geführten slowakischen Revolution an. Die slowakischen Führer verlangten die Umgestaltung Österreichs in mehrere Nationalstaaten unter der Krone Habsburgs. Zuerst unterstützte Wien diese Politik, überließ dann jedoch die Slowaken ihrem eigenen Schicksal. Enttäuscht von der Politik des Wiener Kaiserhofes, strebte P. nach der Revolution 1848/49 mit den anderen Repräsentanten der Slowaken einen Ausgleich mit Ungarn im Rahmen des ungarischen Staates an. Das Ergebnis dieser Bemühungen war das Memorandum des slowakischen Volkes, das von den Slowaken auf einer großen Nationalversammlung in Turčiansky Svätý Martin am 6./7. Juni 1861 angenommen wurde. Es war ein politisches Programm, in dem die Slowaken die Anerkennung eines slowakischen Staatsgebietes und die Sicherung der nationalen, kulturellen und politischen Gleichberechtigung forderten. P. setzte sich so aktiv für die Rechte der Slowaken ein, daß viele in ihm den Nachfolger von Štúr sahen.
P. entfaltete auch eine vielseitige literarische Tätigkeit. Er schrieb Gedichte, Dramen in Versform und Prosa, gab von 1861 bis 1864 in Ofen die humoristischsatirische Zeitschrift „Černokňažník“ (Hexenmeister) heraus, aus der er ein Verteidigungsforum der nationalen Anliegen schuf, und redigierte von 1862 bis 1869 die literarische Zeitschrift „Sokol“ (Falke). Ab Ende der 1860er Jahre stand er an der Spitze des slowakischen Lebens. Er war ab 1866 geschäftsführender Vizepräsident der „Matica Slovenská“, von 1869 bis 1872 Abgeordneter im ungarischen Reichstag, man schätzte ihn als hervorragenden Organisator und Publizisten sowie als Politiker und Dichter; seiner Initiative war es zu verdanken, daß Turčiansky Svätý Martin zu einem Zentrum des slowakischen Presse- und Wirtschaftslebens ausgebaut wurde. Aus P.s literarischem Werk verdient Beachtung das historische Drama in Versform „L’udská komédia“ (Menschliche Komödie, in: Sokol 1862) über den Aufstand Dózsas 1514. Es verkündet die Idee, daß die Revolution ein Werk des Teufels sei und die Freiheit auf gesetzlichem Wege erlangt werden müsse. Ebenfalls einen historischen Stoff bearbeitete P. in dem umfangreichen Prosawerk „Trenčianský Matúš“ (Matthäus von Trentschin, 1868), mit dem er das historische Recht der Slowaken auf das von ihnen bewohnte Land beweisen wollte. In den Gedichten P.s finden wir Liebes-, nationale und soziale Elemente. Manche seiner Lieder sind volkstümlich geworden und werden noch heute im Volke gesungen. Mit einem Gedicht feierte er auch Napoleon als den Befreier der Völker, seinen Sturz aber begriff er als Auftakt zu einer Ära der Slawen. Sein Werk „Slovanské bájeslovie“ (Slawische Mythologie, 1876) ist besonders stark von der Romantik beeinflußt. P.s Gedichte wurden zuerst in Prag unter dem Titel „Staré a nové piesne“ (Alte und neue Lieder, 1866) unter dem Pseudonym Vilém Podol'ský veröffentlicht. Seine Prosa (Besiedky [Unterhaltung]), die einen großen Einfluß auf die Entwicklung der slowakischen Erzählung hatte, erschien 1867/70 in vier Bänden in Skalitz. Als Journalist ist P. überwiegend durch die Artikelserien „Listy k slovenskému Tomášovi“ (Briefe an den slowakischen Thomas) und „Listy k slovenským židom“ (Briefe an den slowakischen Juden) berühmt geworden, durch die er die vermögenden Schichten bzw. die Juden für die nationale Arbeit gewinnen wollte. Im ungarischen Reichstag brachte er eine ganze Reihe von Vorschlägen im Interesse der Unterstützung der kulturellen und wirtschaftlichen Belange der Slowaken ein.
Literatur
Hurban, Jozef Miloslav: Viliam Pauliny-Tóth a jeho doba. In: Nitra 7 (1877).
Pražák, Albert: Literární Slovensko let padesátých až sedemdesátých. Praha 1932.
Bokes, František: Viliam Pauliny-Tóth, slovenský poslanec v r. 1869-72. Turčiansky Sv. Martin 1942.
Pišút, Milan: Viliam Paulíny-Tóth a jeho lyrické dielo. In: Slovenská literatúra 3 (1956) 316-322.
Listy Viliama Pauliny-Tótha Maríne Hodžovej. Hrsg. Peter Liba. Bratislava 1961.
Dokumenty k slovenskému národnému hnutiu v rokoch 1848-1914. Bd 1 (1848-1867); Bd 2 (1867-1884). Bratislava 1962, 1965.
Dejiny Slovenska. Bd 2. Od roku 1848 do roku 1900. Bratislava 1968.
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